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Danyal Bayaz Grüner Finanzminister in der Kritik: Kämpfer für Steuergerechtigkeit – oder Förderer von Denunziantentum?

Danyal Bayaz, Finanzminister in Baden-Württemberg, führt ein Online-Meldesystem für anonyme Hinweise an die Steuerverwaltung ein. Annalena Baerbock befürwortet den Schritt.
01.09.2021 Update: 02.09.2021 - 00:46 Uhr 6 Kommentare
Der Finanzminister von Baden-Württemberg hat ein Online-Meldesystem für anonyme Hinweise auf Steuerbetrug eingeführt - und erntet dafür Kritik. Quelle: dpa
Danyal Bayaz

Der Finanzminister von Baden-Württemberg hat ein Online-Meldesystem für anonyme Hinweise auf Steuerbetrug eingeführt - und erntet dafür Kritik.

(Foto: dpa)

Berlin Danyal Bayaz hat im Wirecard-Untersuchungsausschuss erfahren, wie hilfreich anonyme Hinweise beim Aufdecken von kriminellen Handlungen sein können. Dort hörte der Grünen-Finanzpolitiker von Whistleblowern, die sich bei der Finanzaufsicht Bafin meldeten, dort aber nicht ernst genommen wurden. Als eine Konsequenz hat die Bafin mittlerweile ihr System für Informanten verbessert.

Bayaz, der es auch dank seiner Popularität als Wirecard-Aufklärer mittlerweile zum Finanzminister in Baden-Württemberg gebracht hat, überträgt seine Erfahrung nun auf die Steuerzahler. Die baden-württembergische Steuerverwaltung hat das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter eingeführt. Wer Hinweise hat, dass sein Nachbar oder Mitbewerber Steuern hinterzieht, kann über das Online-Portal die Finanzbehörden informieren.

„Steuerhinterziehung ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die ehrlich ihre Steuern zahlen. Sie kostet uns in Deutschland geschätzte 50 Milliarden Euro im Jahr“, sagte Bayaz. Doch während der Kampf gegen die großen Betrüger wie im Fall Wirecard populär ist, muss der 37-Jährige für sein Portal Kritik einstecken.

Union, FDP und SPD sehen in Bayaz’ Meldeplattform einen Aufruf zur systematischen Denunziation. „Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung ist richtig“, sagte Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. „Aber solche Methoden spalten die Gesellschaft.“ Es sei ein „warnender Hinweis“ darauf, was von einem grünen Bundesfinanzminister zu erwarten wäre. Statt sich um die Großen zu kümmern, förderten die Grünen „Denunziantentum“ und würden „Misstrauen unter Nachbarn“ säen, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume.

Die FDP kritisierte das Instrument ebenfalls. „Wer wirklich etwas gegen Steuerhinterziehung tun will, der stellt Steuerfahnder ein und lässt internationale Konzerne kontrollieren“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Die Plattform erfülle keinen praktischen Zweck, da man zuvor schon anonym Anzeige erstatten konnte. „Sie dient einzig dazu, Misstrauen zu säen und die Gesellschaft zu spalten.“

Einen ähnlichen Ton schlagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, an: „Das fördert eine Kultur des Misstrauens, der Missgunst, Unterstellung und Denunziation“ und dürfe sich „in unsere Gesellschaft nicht einschleichen“, sagte er dem Fernsehsender Bild Live.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz äußerte sich dort zurückhaltender: Es sei „wichtig, dass wir alle fair unsere Steuern zahlen, und ich gehe davon aus, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger das auch tun“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Ansonsten gebe es dazu seit langem „sehr ordentliche Praktiken“, dann seien es „die Finanzbeamten, die ihre Arbeit leisten müssen“.

Baerbock kann sich anonyme Meldeplattform auch auf Bundesebene vorstellen

Bayaz kann die Kritik nicht nachvollziehen – gerade weil anonyme Anzeigen schon vorher per Brief oder Telefon möglich waren, so wie in allen anderen Bundesländern auch. Das neue anonyme Hinweisportal sei ein „ergänzendes Instrument im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit“, sagte der Finanzminister von Baden-Württemberg. „Im Jahr 2021 sollte das aber auch online gehen, deshalb das Onlinesystem“, erklärte er.

Die Aufregung um das Portal hat den grünen Finanzminister offenbar überrascht. Jedenfalls bemüht er sich nun, den Vorwurf zu entkräften, er führe einen digitalen „Steuerpranger“ ein. „Anzeigen müssen selbstverständlich gut begründet sein, sonst werden sie von der Steuerfahndung erst gar nicht bearbeitet. Ein einfacher Hinweis genügt ausdrücklich nicht“, so Bayaz. Der Grüne versicherte: „Niemand muss befürchten, dass künftig die Steuerfahndung vor der Tür seht, nur weil der Nachbar ihn angeschwärzt hat. Es geht außerdem um relevante Fälle von Steuerbetrug.“

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kann sich eine solche anonyme Meldeplattform auch auf Bundesebene vorstellen. „Wir müssen Orte schaffen, wo auch gemeldet werden kann, wenn man weiß, dass es zu heftigem Steuerbetrug kommt“, sagte sie am Mittwochabend bei der „Bundestagswahl-Show“ im Fernsehsender Pro Sieben. Das werde nun in Baden-Württemberg gemacht und wäre eigentlich „auch Aufgabe eines Bundesfinanzministers gewesen“, sagte Baerbock. „Die nächste Bundesregierung sollte das auch einführen.“

Im Bundestagswahlkampf ist die Aktion des grünen Finanzministers eine Vorlage für Union und FDP. „Da zeigt sich schon jetzt einmal, wo die Reise mit rot-grün-roter Regierungsverantwortung hingehen würde“, sagte Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei. Dabei gilt Bayaz innerhalb der Grünen eher als konservativ und alles andere als ein flammender Befürworter rot-grün-roter Bündnisse. Er selbst arbeitet als baden-württembergischer Finanzminister in einer grün-schwarzen Koalition.

Entsprechend kontert Bayaz die Kritik. „Wir haben den Kampf gegen Steuerhinterziehung ausdrücklich im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagte der baden-württembergische Finanzminister. „Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich die CDU dem auch weiterhin verpflichtet fühlt.“

Mehr: Kampf gegen Steuerbetrug: Scholz kauft Steuerdaten aus Dubai

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6 Kommentare zu "Danyal Bayaz: Grüner Finanzminister in der Kritik: Kämpfer für Steuergerechtigkeit – oder Förderer von Denunziantentum?"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Von anonymen Meldern unterstellte Steuerverkürzungen sind doch Kleinvieh, getriggert durch Neid bei zu kurz gekommener Nachbarn. Warum verändert der Staat, also auch Herr Bayaz, nicht die Bedingungen für die viel größere legale Steuerhinterziehung? z.B. à la Cum-Ex-Regelung. Oder wollte Herr Bayaz in der Endphase des Wahlkampfes gezielt ein Thema setzen? Die Grün*innen-Spitze hat das Thema ja noch am gleichen Tag aufgegriffen - als hätte sie nur auf das Stichwort gewartet - und auf die Verantwortung des derzeitigen Finanzministers verwiesen - so ein Zufall.
    Digitale Anzeigen: ja bitte, aber nur MIT der Angabe der Klardaten der anzeigenden Person.
    Anonyme Anzeigen sind Denunziation, säen Misstrauen und sind gesellschaftlicher Sprengstoff. Das hatten wir doch erst zweimal in unserer jüngeren Vergangenheit.

  • Die Aufregung von Bild und jetzt erschreckenderweise auch vom Handelsblatt ist völlig unangebracht. Hier wird etwas digitalisiert was es schon immer in Papier/Telefon gibt. Jedes großes Unternehmen hat sowas heute als Bestandteil seiner Complianceorganisation. Unser Land ist im Grunde ja auch ein Unternehmen. Im übrigen ohne Belege und nur auf Vermutungen wird kein Finanzamt hier tätig. Aber wenn Menschen ALG2 erhalten und dicke Autos fahren dann sind ja wohl Hinweise zulässig. Genauso wenn Gastronomen ständig nur Teilrechnungen und Zwischenrechnungen machen, die dann storniert werden um Steuern zu sparen. Solche und andere Hinweise schnell online geben zu können führen schon alleine durch das Risiko zu mehr Steuereinnahmen. Die Steuer-CDs aus der Schweiz haben ja auch so funktioniert. Im übrigen zur Erinnerung Al Capone wurde kein einziger Mord nachgewiesen aber Steuerhinterziehung. Da sind uns die Amerikaner voraus. Das US-Steuerrecht ist brutal bei Verstößen - da ist unser Steuersystem auch weiterhin harmlos .

  • dann hodffen wir einmal ALLE, dass die , die nach der Paetzetaste rufen, selber ALLE Papiere im Reinen haben.......war da nicht etwas bei Frai Baerbock?...Vergesslichkeit etwas anzumelden.......oder doch selektiver Steuer-Alzheimer?

  • Wenn Herr Danyal Bayaz so eine Denunziationsplattform schafft, dann als Finanzminister, der sich ärgert, wenn die Bürger manchmal der Ansicht sind, dass die Politiker nicht nur "Gutes" mit den Steuermitteln tun. Hier frage ich mich, ob sein Kabinett und sein Parlament mit dieser Aktion einverstanden waren. Ich bin der Ansicht, dass diese Maßnahme nicht gut zur freien parlamentarischen Grundordnung unseres Grundgesetzes passt.
    Aber Annalena Baerbock ? Als sie ihre Hochstaplerei in ihrem Lebenslauf veröffentlichte war sie überzeugt, dass die Bürger ihre Betrügereien nicht erkennen werden. Das habe ich als Zeichen verstanden, dass sie ihre angestrebte Tätigkeit nicht ernsthaft anstrebt. Aus der Grundhaltung, dass Staatsbürger eher Untertanen sind, denen vorzuschreiben ist, wie sie in ihrer Nase bohren, kann man natürlich auch der Öffentlichkeit einen betrügerischen Lebenslauf vorsetzen. Als offensichtlicher Befürworter der Verräterplattform, sie will sie ja bundesweit einführen, bestärkt sie mich in der Annahme, dass sie eine Bundeskanzlerin nicht als Dienstleister am Volke sieht, sondern die Bürger müssen gehörig zurechtgespitzt werden.

  • Guten Tag,

    die Schlagrichtung des Finanzministers BW ist zu begrüßen.

    Das hat NICHTS mit Denunziantentum zu tun. Oder ist derjenige der sich das Autokennzeichen eines Autofahrers merkt der gerade ein Kind überfahren hat auch ein Denunziant ? Oder ist derjenige der bei XY ungelöst anruft und Informationen weitergibt ein Denunziant ? NEIN, natürlich nicht. Man tut damit seine Bürgerpflicht indem man zur Aufklärung von Verbrechen dient.

    Es ist halt faktisch so, dass die CDU und FDP ungern die (Steuer-)Kriminalität ihrer Kientel scharf verfolgt sehen will. Das ist im übrigen der eigentliche Skandal. Dem Handelblatt könnte ich empfehlen hier mehr Haltung zu zeigen und sich zu Steuergerechtigkeit zu bekennen und nicht in das Horn der Steuerkriminellen zu blasen. Was für den kleinen abhängig Beschäftigten gilt, muss auch für Leute gelten, die mehr Freiheiten haben. I.d.R sind das Unternehmen die regelmäßig Bargeschäfte tätigen. Ich selbst kenne Leute die damit prahlen wie gut sie die Allgemeinheit bescheißen. Da senkt so ein Portal die Schwelle den Behörden sachdienliche Hinweise zu geben. Und das ist gut so.

    Viele Grüße,

    Konrad Pfeilsticker

  • Steuerhinterziehung ist Unrecht! Ja. Aber wollen wir wirklich wieder in die Zeit der DDR oder noch entsetzlicher in die Zeit der Nazidiktatur zurück? Brauchen wir sie wirklich, die Blockwarte und IMs? Erstaunlich, dass jemand der systematisch von anderen abschreibt, Denunzianten will... Weniger erstaunlich, dass die Parteiführung der SPD, die illegal erworbene Steuerdaten, unter Bruch des lokalen Rechts von Rechtsstaaten, ankauft, mit anonymer Denunziation kein Problem hat. Es ist vollkommen unglaublich, wie schnell sich Deutschland wieder in die Hände diktatorisch denkender Heilsbringer stürzen möchte. Warum schreiben die Medien immer über populistische Gefahren von rechts (die unzweifelhaft existieren), nicht aber über die ebenso unzweifelhaft bestehenden populistischen Gefahren von links? Wollen wir tatsächlich mehrheitlich unsere parlamentarische Demokratie und unsere Marktwirtschaft gegen einen öko-sozialistischen Denunziations- und Verbotsstaat austauschen? Und falls es wieder Deutsche geben sollte, die glauben, dass man das ja mal 4 Jahre ausprobieren könne, dann sollte man sich klar darüber sein, dass unsere Großeltern das 1933 auch gedacht haben...

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