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Impfungen Mehr als 25 Prozent der Deutschen haben Erstimpfung erhalten – Wie sicher ist die Bevölkerung?

In Deutschland hat mehr als jeder vierte Bürger eine Erstimpfung gegen Corona erhalten. Trotzdem warnen Epidemiologen vor Lockerungen. Aber es gibt erste positive Effekte.
30.04.2021 Update: 30.04.2021 - 13:53 Uhr 3 Kommentare
Bis zur „Herdenimmunität“ ist es noch ein weiter Weg. Quelle: dpa
Impfzentrum in Hannover

Bis zur „Herdenimmunität“ ist es noch ein weiter Weg.

(Foto: dpa)

Berlin In der Pandemiebekämpfung gibt es auch gute Nachrichten. Am Mittwoch sind 1,1 Millionen Menschen geimpft worden, am Donnerstag nochmal fast 920.000. In dieser Woche wurden erstmals mehr als ein Prozent der Bevölkerung an einem einzigen Tag geimpft.

Damit hat mehr als jeder vierte Deutsche, rund 26,9 Prozent, zumindest eine erste Impfung bekommen. „Es gibt Hoffnung“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Aber es gibt noch keine Entwarnung in dieser Phase der Pandemie.“

Nach einem Stolperstart nimmt die Impfkampagne also nun Fahrt auf. Sie habe jetzt das Tempo, „bei dem das Erreichen der selbst gesteckten Ziele in Reichweite liegt“, twitterte Holger Schäfer, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Und diese Ziele der Regierung lauten, bis zum Herbstanfang am 21. September möglichst 70 Prozent der Bevölkerung zweimal zu impfen, um die sogenannte „Herdenimmunität“ zu erreichen.

Aber welche Freiheiten sind möglich, wenn mittlerweile gut 25 Prozent der Bürger die erste und knapp acht Prozent auch schon die zweite Impfdosis erhalten haben?

Tempo der Corona-Impfung zieht an: Ab wann gibt es mehr Sicherheit

Gesundheitsexperten mahnen zur Vorsicht: „Bei einer Impfquote von 25 Prozent kann davon ausgegangen werden, dass die Impfung sich nur in den geimpften Altersgruppen bemerkbar macht, aber noch nicht mit indirekten Effekten zu rechnen ist“, heißt es beim Robert Koch-Institut (RKI).

Deshalb sollten nach Empfehlungen der Ständigen Impfkommission weiterhin – solange noch nicht ausreichend Impfstoffdosen verfügbar sind – die Personengruppen prioritär geimpft werden, die ein erhöhtes Risiko haben, schwer zu erkranken.



So könne der Nutzen der verfügbaren Impfstoffe im Hinblick auf die Verhinderung von schweren Fällen und Todesfällen und die Belegung der Intensivstationen maximiert werden.

Laut RKI-Chef Lothar Wieler liegt die Impfquote in der Altersgruppe der über 80-Jährigen zurzeit erst bei zwei Drittel. In der Gruppe der über 70-Jährigen seien derzeit sogar nur 30 Prozent geimpft.

Die Bundesregierung geht derzeit davon auf, dass die Impfpriorisierung spätestens im Juni aufgehoben werden kann, weil bis dahin ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht. Man müsse aber aufpassen, dass der Juni-Termin nun „nicht so überfrachtet wird mit Erwartungen“, warnte Gesundheitsminister Spahn am Donnerstag.

Deutlich zu sehen sei die Impfwirkung in Deutschland aktuell nur in der Altersgruppe der über 80-Jährigen, sagt Markus Scholz, Epidemiologe an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Bei allen anderen Altersgruppen seien im Verlauf der dritten Welle die Infektionszahlen stark angestiegen.

Sterblichkeit ist infolge der Impfungen deutlich zurückgegangen

Inzwischen habe sich aber ein Plateau gebildet, das heißt, schon seit Ende März gebe es keine wesentlichen Zuwächse mehr. „Der Hauptgrund hierfür ist nach unserer Einschätzung aber noch nicht die Wirkung der Impfkampagne, sondern die flächendeckende Verfügbarkeit von Schnelltests“, sagt Scholz.

Dominik Stillfried, Chef des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI), weist auf die deutlich gesunkene Sterblichkeitsrate hin. Über die gesamte Pandemie liege der Anteil der Verstorbenen unter den Infizierten bei 2,5 Prozent. In der letzten Februarwoche sei die Quote auf unter zwei Prozent gesunken, Ende März sei man bei einem Prozent angekommen.

„Hier zeichnet sich ein Effekt der Impfung ab“, sagt Stillfried. Die rückläufige Fallsterblichkeit sei eine Folge davon, dass das Durchschnittsalter der Infizierten auf unter 40 Jahre gesunken sei. Das niedrigere Durchschnittsalter wiederum reflektiere die hohe Impfquote in den oberen Altersgruppen.

Allerdings sei die Anzahl der schweren Krankheitsverläufe bisher nur leicht rückläufig, da davon vor allem die Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen betroffen sei und der Impfeffekt sich hier erst in den nächsten Wochen zeigen werde.

Eine Prognose, ab welcher Impfquote die Lockdown-Maßnahmen gelockert werden können, ist aus Sicht der Gesundheitsexperten schwierig. Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie an der Universitätsklinik Essen, geht von einem deutlichen Effekt erst aus, wenn auch die meisten über 50-Jährigen geimpft sind. „Dann entspannt sich die Lage in den Krankenhäusern erheblich, und die Inzidenz sinkt langsam, aber stetig.“

In Israel und Großbritannien seien Lockerungen erst bei einer Impfquote von ungefähr 50 Prozent verkündet worden, sagt der FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss, Andrew Ullmann. „Für Deutschland bedeutet das, wir haben erst jetzt die Hälfte geschafft.“

Die Folgen des schlechten Impfmanagements würden immer deutlicher. Was in Deutschland fehle, sei ein Langzeitplan mit einem festgelegten Impfziel, der eine schrittweise Abkehr von den Corona-Beschränkungen erlaube. „Ohne diesen Plan wird das Fortbestehen der Akzeptanz von Maßnahmen gegen die Pandemie in der Bevölkerung nicht von Dauer sein.“

Erfahrungen aus Israel und Großbritannien machen Mut

Dagegen hält es die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, mit Blick auf die Entwicklung in Israel und Großbritannien für denkbar, dass schon eine vollständige Impfquote von 25 bis 30 Prozent eine Wende bringen kann. „Vorausgesetzt, die Virusmutationen machen uns nicht noch einen Strich durch die Rechnung.“

Der Leipziger Epidemiologe Scholz hält eine Aufhebung der Einschränkungen für möglich, wenn allen Bürgern ein Impfangebot unterbreitet werden konnte. „Schrittweise Lockerungen werden aber auch schon vorher möglich sein“, sagt Scholz, etwa wenn die Reproduktionszahl längerfristig deutlich unter 1 falle.

Sie gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Mittel ansteckt. Im Schulbereich müssten die Hygienekonzepte aber voraussichtlich noch etwas länger aufrechterhalten werden, da für Kinder noch keine Impfprogramme aufgesetzt worden seien.

Scholz’ Kollege Rafael Mikolajczyk von der Universitätsklinik Halle weist darauf hin, dass sich Impfungen bei gleicher Inzidenz zunächst nur auf die Krankenhausaufnahmen und die Auslastung der Intensivstationen auswirken. „Lockerungen zu diesem Zeitpunkt würden aber einen erneuten Anstieg auslösen, insofern wäre eine erneute Verschärfung notwendig.“

Ohnehin stelle sich die Frage, ob man die spürbare Reduzierung der Neuinfektionen jetzt nicht als Chance nutzen sollte, um in Richtung null zu kommen und dann zu öffnen. Im vergangenen Sommer sei die Chance vertan worden, aber jetzt gebe es zusätzlich Impfstoffe und Schnelltests.

Wie das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung am Freitag nach einer eigenen Modellierung erklärte, könnten Ende Mai weit mehr als die Hälfte der Impfberechtigten mindestens eine Erstimpfung erhalten haben – wenn die Lieferzusagen eingehalten werden.

Mitte Juni könnten drei Viertel erstgeimpft sein. Damit wären bei einer anzunehmenden Impfbereitschaft von etwa 80 Prozent fast alle Impfwilligen erreicht.

Mehr Freiheiten für Geimpfte. Quelle: via REUTERS
Justizministerin Christine Lambrecht

Mehr Freiheiten für Geimpfte.

(Foto: via REUTERS)

Während die angestrebte Herdenimmunität noch auf sich warten lässt, hat das Bundesjustizministerium bereits konkrete Vorschläge für Lockerungen der Corona-Einschränkungen für Geimpfte erarbeitet. Der Verordnungsentwurf, der derzeit die regierungsinterne Ressortabstimmung durchläuft, sieht erstmals auch Ausnahmen für Geimpfte von nächtlichen Ausgangssperren vor.

Die Beschränkung des Aufenthalts außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft gelte nicht für geimpfte und genesene Personen, heißt es in dem Dokument, das dem Handelsblatt vorliegt. Auch solle „die Beschränkung privater Zusammenkünfte“ nicht gelten, wenn „ausschließlich geimpfte Personen oder genesene Personen teilnehmen“.

Geimpfte sollen den Plänen zufolge zudem mit negativ getesteten Personen gleichgestellt werden. Die Aufhebung von Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen nach dem Bundesinfektionsschutzgesetz ist jedoch an Bedingungen geknüpft.

Geimpfte Personen müssen demnach „auf Papier oder in einem elektronischen Dokument“ nachweisen, dass ihre abschließende Impfung mindestens 14 Tage zuvor erfolgt ist. Menschen, deren Covid-Erkrankung mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate zurückliegt, müssen dies in einem „Genesenennachweis“ dokumentieren lassen.

Begründet werden die Ausnahmen für Geimpfte und Genesene in dem Entwurf damit, dass das Robert Koch-Institut festgestellt habe, dass von diesen Personen keine oder nur noch eine sehr geringe Ansteckungsgefahr ausgehe. Deshalb könne man ihnen keine Grundrechtseinschränkung mehr zumuten.

Bundestag und Bundesrat müssen zustimmen. Wenn es nach der SPD geht, soll das in der kommenden Woche geschehen. Die „Bild“-Zeitung berichtet indes, die Verordnung solle erst nach der Ressortabstimmung am 12. Mai im Kabinett, danach im Bundestag und abschließend am 28. Mai im Bundesrat beschlossen werden.

In der derzeitigen Debatte über die Rücknahme der Beschränkungen für Geimpfte komme die Frage zu kurz, wie der Infektionsschutz weiterhin für alle noch nicht Geimpften gewährleistet werden könne, sagt die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche.

„Es ist wichtig, dass auch Geimpfte, Genesene oder Getestete sich solidarisch verhalten und zumutbare Einschränkungen wie das Abstandhalten und die Maske tragen weiterhin leben, bis ein ausreichender Schutz vorhanden ist, um auch die Nichtgeimpften zu schützen.“

Mehr: „Wir werden unser normales Leben leben“ – Pfizer-Chef setzt Zeichen der Zuversicht

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3 Kommentare zu "Impfungen: Mehr als 25 Prozent der Deutschen haben Erstimpfung erhalten – Wie sicher ist die Bevölkerung?"

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  • Wie immer kommen vom RKI nur Halbwahrheiten und vage Prognosen.
    Das RKI, Herr Wieler, hat auch für Ende April Inzidenzwerte von 1000 bis 2000 prognostiziert, was schon fast peinlich ist zumindest aber unnötige Panikmache war.

  • Zu dem Punkt: Sterblichkeit bei Älteren stark zurückgegangen.
    Nach langem "Ruckeln" sind in dieser Altersgruppe zwischenzeitlich doch viele geimpft, das ist das positive.
    Aber sehr viel aus der Gruppe sind durch den schlampigen Impfstart schlicht verstorben.
    Und dann lese ich noch täglich von verschiedensten Mandatsträgern das Wort "Strategie",
    muss für alles herhalten. Durchwursteln wäre treffender

  • Sollten Kontaktbeschränkungen bei privaten Treffen für Geimpfte und Genesene aufgehoben werden, dann muss sich niemand wundern wenn es bald - ähnlich wie Masernpartys im Kindergarten - Coronapartys bei jungen Menschen gibt. Viele würden sich sofort von einer Person mit geringem Ct-Wert anstecken lassen um danach wieder alle Freiheiten zu haben.

    Es kann nicht sein, dass junge Menschen, für die das Virus sowieso nicht so schlimm ist, über 1 Jahr lang auf vieles verzichten.. Und sobald das Virus für ältere Menschen nicht mehr so gefährlich ist, werden ihnen alle Freiheiten zurückgegeben..

    Das ist egoistisch und diskriminierend bzw. respektlos gegenüber jüngeren Generationen!

    Das wird den Generationenkonflikt mit Sicherheit zum eskalieren bringen!


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