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Koalitionskrach Lob und Tadel für Heils Vorstoß für bessere Pflege-Löhne

Der Arbeits- und der Gesundheitsminister wollen beide, dass Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden. Aber bei der Reichweite gehen die Vorstellungen klar auseinander.
03.05.2021 - 18:03 Uhr Kommentieren
Der Gesundheitsminister (l.) und der Arbeitsminister wollen den Personalnotstand in der Pflege bekämpfen. Quelle: AFP
Jens Spahn und Hubertus Heil

Der Gesundheitsminister (l.) und der Arbeitsminister wollen den Personalnotstand in der Pflege bekämpfen.

(Foto: AFP)

Berlin Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist mit seinem Vorstoß für eine bessere Bezahlung von Pflegekräften auf ein geteiltes Echo gestoßen. Heil wolle „durchdrücken, was schwache Gewerkschaften in der Altenpflege offenbar nicht hinbekommen – nämlich staatlich verordnete Tarifverträge“, sagte der Präsident des Pflege-Arbeitgeberverbands BPA, Rainer Brüderle. Das habe er scheinbar den Verdi-Funktionären versprochen.

Verdi-Chef Frank Werneke betonte, seine Gewerkschaft halte am Ziel eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für alle Beschäftigten in der Altenpflege fest. Es könne aber „ein sinnvoller Zwischenschritt“ sein, Leistungen aus der Pflegekasse an die Anwendung eines Tarifvertrags zu knüpfen – „zumal er kurzfristig umsetzbar ist“, betonte Werneke.

Genau das hat Heil in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagen, nachdem ein von ihm angestrebter allgemeinverbindlicher Tarifvertrag Ende Februar am Widerstand der Arbeitgeberseite der Caritas gescheitert war. Wie aus Regierungskreisen verlautete, will Heil den Paragrafen 72 des XI. Sozialgesetzbuchs dahingehend ergänzen, dass die Pflegekassen nur Versorgungsverträge mit Anbietern schließen dürfen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen verankerte Löhne zahlen.

Nicht tarifgebundene Unternehmen sollen ihre Leistungen nur noch mit den Pflegekassen abrechnen können, wenn sie bei der Entlohnung einen geltenden Tarifvertrag anwenden, etwa den des öffentlichen Dienstes. Pflegekassen sollen zudem die Vergütung von Tariflöhnen nicht als unwirtschaftlich ablehnen dürfen. Heil treibt die Sorge um, dass immer mehr Pflegekräfte dem Beruf den Rücken kehren, weil es bisher nicht gelungen sei, Arbeitsbedingungen und Bezahlung spürbar zu verbessern.

Spahn verweist auf den vorliegenden Arbeitsentwurf seines Ministeriums für die geplante Pflegereform, mit der der Gesundheitsminister unter anderem auch die steigenden Eigenanteile der Pflegebedürftigen begrenzen will. Der Entwurf sieht ebenfalls vor, dass eine Bezahlung nach Tarif Voraussetzung für die Vergütung der Leistungen durch die Pflegekassen ist.

Ungeklärte Finanzierung erregt die Gemüter

Allerdings sind Spahns Vorstellungen weniger weitreichend als die seines Kabinettskollegen Heil. Wenn es keine anwendbaren Tarifverträge gibt oder diese nicht auf alle Beschäftigten einer Einrichtung anwendbar sind, dann sollen Pflegeanbieter nur verpflichtet werden, „eine ortsübliche Entlohnung zu zahlen“. Kriterien dafür legt den Plänen zufolge der Spitzenverband Bund der Pflegekassen fest. Spahn hatte betont, dass er im Gegensatz zum Arbeitsminister nicht nur die Interessen der Pflegekräfte berücksichtige, sondern auch die der Pflegebedürftigen. Man müsse die Kosten im Blick behalten.

Dies fordert auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags, Erwin Rüddel (CDU): „Der Arbeitsminister muss klarmachen, wie eine Lohnsteigerung finanziert werden soll“, sagte er dem Handelsblatt. Weiter steigende Kosten könnten den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen nicht zugemutet werden, die Pflegeversicherung müsse deshalb aus Steuermitteln unterstützt werden.

„Ansprechpartner für Herrn Heil müsste also sein sozialdemokratischer Kollege Olaf Scholz sein und nicht der Gesundheitsminister“, sagte Rüddel. Finanzminister und Vizekanzler Scholz hatten gemeinsam mit Heil für ein Tariftreuegesetz in der Pflege geworben.

Wenig Verständnis für die Auseinandersetzung der Bundesminister zeigte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche. „Es ist mehr als beschämend, dass sich einige Bundesminister, die in den letzten Jahren schon für attraktivere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung in der Pflege hätten sorgen können, nun öffentlich dazu beharken“, sagte sie dem Handelsblatt. Die Pflegekräfte hätten das „unwürdige Wahlkampfgetöse nicht verdient, wohl aber „faire Bezahlung“.

Verdi fordert Ende des Streits

Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, hatte selbst vorgeschlagen, eine 35-Stunden-Woche für Pflegekräfte bei vollem Lohnausgleich einzuführen. Finanziert werden soll dies nach Vorstellung der Grünen unter anderem durch eine Auflösung des Pflegevorsorgefonds, der gegründet wurde, um erwartete höhere Pflegekosten abzufedern, wenn die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Katja Mast, sagte, Gesundheitsminister Spahn solle „aufhören, Pflegekräfte gegen Pflegebedürftige auszuspielen“. Auch Pflegebedürftige wollten bessere Bedingungen für Pflegekräfte. Der Gesundheitsminister stehe in der Verantwortung dafür, einen soliden Finanzierungsvorschlag zu machen.

Verdi-Chef Werneke forderte die Regierung auf, ihren Streit beizulegen. Gleichzeitig verlangte er aber auch klare Regelungen, damit private Pflegeanbieter die geplanten Tariftreueregelungen nicht „unterlaufen“ können. Wichtig sei, nur relevante Flächentarifverträge für eine Refinanzierung aus der Pflegekasse zugrunde zu legen, wie sie für die kommunalen Altenpflegeeinrichtungen und eine Reihe von freigemeinnützigen Trägern bestünden.

Eine Bezugnahme auf „irgendwo in der Pflegebranche bestehende Haustarife“ reiche nicht aus, da dieser Weg „ausgesprochen missbrauchsanfällig“ sei, sagte Werneke. „Das ist geradezu eine Einladung dafür, im Bereich der privaten Pflegekonzerne Gefälligkeitstarifverträge abzuschließen und auf diese Weise ungehindert weiter schlechte Löhne zahlen zu können.“

Mehr: SPD und Grünen machen mit den Pflegelöhnen unlauteren Wahlkampf – ein Kommentar

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