Mobilität Datenlieferant Auto: Hersteller wollen Informationen zentral vermarkten

Wer darf was vermarkten? Noch gibt es keinen klaren Rechtsrahmen für den Umgang mit Informationen aus dem Auto.
Berlin Die deutsche Automobilindustrie hat ihre Pläne konkretisiert, wie sie in Zukunft in ihren verkauften Fahrzeugen Daten erheben und an Dritte wie Versicherungen oder Werkstätten verkaufen will – ebenso an Behörden, die diese Daten etwa zur Verkehrssteuerung oder zur Kontrolle des Kraftstoffverbrauchs anfordern. Das Konzept liegt dem Handelsblatt vor und soll in Kürze an die EU-Kommission übermittelt werden.
Mit den Plänen will die Branche die EU-Kommission davon überzeugen, angesichts der zahlreichen Regulierungspläne nicht immer wieder mit neuen technischen Anforderungen die Fahrzeuge zu überfrachten, sondern mit einer Lösung alle Datenwünsche zu bedienen. Autos könnten damit wie ein Smartphone Daten produzieren, die dann zentral vermarktet würden.
Bisher gibt es keinen Rechtsrahmen für die unzähligen Daten, die in einem Fahrzeug entstehen und die sich mit dem Fahrzeughalter verknüpfen lassen. Allein die technischen Daten für Reparaturen und Wartungen sind geregelt. Treuhänder für alle Daten will die Branche selbst sein, konkret der Verband der Automobilindustrie. Dagegen mobilisieren allerdings potentielle Datennutzer wie der ADAC, die Versicherungswirtschaft und freie Kfz-Werkstätten. Sie fordern einen rechtlichen Rahmen, um den Wettbewerb zu sichern.
Milliardengeschäft Mobilitätsdaten
Autobauer wie Zulieferer wittern ein großes Geschäft, das sie nicht Dritten überlassen wollen. Adaxo, „automotive data access, extended and open“, heißt die technische Lösung des Verbands. Dabei handelt es sich um eine brancheneigene Datenplattform, in die alle relevanten Daten aus den im Betrieb befindlichen Fahrzeugen fließen. Es geht um „ein umfassendes Datenangebot, das von allen Fahrzeugherstellern über alle Modelle unterstützt wird“ und mit dem „neue Geschäftsmodelle“ entstehen sollen.
Weiter erklärt der VDA in dem fünfseitigen Positionspapier, Adaxo sei „fair, vernünftig und nicht diskriminierend“. Die Verfügbarkeit der Daten und die Zugriffsmöglichkeiten seien „nicht ausschließlich auf das Fahrzeug zu beziehen, sondern ebenfalls auf die fahrzeugbezogenen Daten bei Serviceanbietern, Versicherungen, Finanzierungsunternehmen und in anderen nachgelagerten Bereichen im automobilen Umfeld“.
Nur so sei es möglich, neue Angebote „im Interesse der Kunden“ zu entwickeln. Dessen wertvollste Daten sind die personenbezogenen, etwa das Fahrverhalten. Die Branche hofft, dass Fahrzeughalter den Nutzen etwa bei einem Versicherungsprodukt („Pay as you drive“) so hoch bewerten, dass sie ihre Daten freigeben. Es sei eine „aktive Einwilligung nötig“, betont der VDA.
Bei den Datennutzern hingegen wecken die Pläne alles andere als Begeisterung. „Das Adaxo-Konzept ist aus Sicht der Versicherer der falsche Weg für den Zugang zu Fahrzeugdaten. Wir setzen uns gemeinsam mit vielen anderen Verbänden in Deutschland und Europa für das Konzept der sogenannten sicheren Onboard-Telematikplattform ein“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen. Dort würden die Daten im Fahrzeug verarbeitet, der sichere Zugriff erfolge „nach strengen Kriterien und Entscheidungen des Halters oder Fahrers“.
ADAC hält Konzept für unzureichend
Asmussen stellte klar, auf diesem Wege müssten die Daten nicht vom Fahrzeughersteller „gegen Kosten und in mangelhaftem Umfang sowie unzureichender Qualität“ abgerufen werden. „Wir sehen den Kunden und nicht den Fahrzeughersteller als Ansprechpartner der Datenerhebung.“
Der ADAC beklagt, dass technische Details noch nicht bekannt seien und hält das Konzept für „unzureichend“. Entscheidend sei, dass der Verbraucher über seine Daten verfüge und die Anbieter diskriminierungsfrei Zugang zu Fahrzeugdaten haben. „Beide Forderungen erfüllt das VDA-Konzept nicht“, sagte ADAC-Technik-Präsident Karsten Schulze. „Die Daten werden weiterhin von den Herstellern kontrolliert, die darüber entscheiden, ob und welche Daten zugänglich gemacht werden.
Der Fahrzeughalter kann nicht frei entscheiden, wem er Zugang zu welchen Daten gewähren will. Dienstleister wie freie Werkstätten oder Automobilclubs sind weiterhin vom Gutdünken der Hersteller abhängig.“
Ähnlich argumentiert das Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe. Mit dem Adaxo-Konzept würden Fahrzeugherstellern Rechte eingeräumt, die sie als selbst ernannte „Ansprechpartner der Datenerhebung“ darstellen, bemängelte der Verband auf Nachfrage. „Damit liegt die Entscheidungsgewalt, wer Dienstleistungen im Fahrzeug erbringen darf und kann, ausschließlich beim Fahrzeughersteller. Das hat massive Einschränkungen bezüglich Innovationen und Wettbewerb entlang aller Prozesse der automobilen Wertschöpfung zur Folge, von Entwicklung über Test, Betrieb und Wartung bis hin zu Garantie und Cybersecurity-Management.“
Autobauer warnen vor Hackerangriffen
Der VDA indes warnt vor Hackerangriffen und argumentiert mit Haftungsfragen, wenn Dritte Zugriff aufs Auto haben und womöglich Daten ändern. Daraus entstünden komplizierte Zulassungs-, vor allem aber bei Unfällen auch Haftungsfragen.
Mit Adaxo wollen Hersteller und Zulieferer den Standard setzen, mit dem sie Daten aufbereiten und Dritten zur Verfügung stellen. Andere Datenräume wie der neudeutsch genannte Mobility Data Space (MDS) oder die europäische Gaia-X-Plattform seien die Tauschbörse für alle Mobilitätsdaten von der Verkehrssicherheit, Infrastruktur, Nahverkehr und vielem mehr, um dann multimodale Angebote zu entwickeln, hieß es beim VDA.
Allerdings können Unternehmen mit den Herstellern auch über Adaxo direkt Verträge schließen, um auf die Daten zuzugreifen. „Ziel ist es, den Datenmarkt schneller bedienen zu können und damit neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und anbieten zu können“, hieß es beim VDA.

Auch US-Konzerne wie Apple und Google drängen mit ihren Lösungen in den Automarkt.
Adaxo ist der Nachfolger des 2016 auf Druck des Automobilzulieferers Bosch entwickelten Datenplattformkonzepts Nevada. Das Projekt stand im Frühjahr vor dem Aus, als Volkswagen ausstieg und auf die europäische Regulierung von Daten hoffte. So sollten auch Konkurrenten wie Tesla und Toyota, aber auch die großen Datenkonzerne Google, Apple und Co. den gleichen Regeln unterworfen werden.
Inzwischen ist Volkswagen wieder an Bord. Die Branche kann sich also wieder darauf konzentrieren, auf der technischen Ebene Regeln zu setzen und damit die Konkurrenz aus Amerika und Asien einzuhegen und ebenso vom Datengeschäft zu profitieren. Sie wollen ihre Fahrzeuge mit Betriebssystemen ausstatten und den Zugang in ihren App-Stores kontrollieren – so wie Apple und Co. bei Smartphones.
Mehr: Wie Bahn und Autobauer künftig ihre Mobilitätsdaten tauschen wollen
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Mein Auto, meine Daten!
Daten müssen im Fahrzeug gespeichert werden und nur der Halter darf diese frei geben, wenn er denn möchte.
Mein Auto ist privat, meine Fahrweise und meine Fahrtstrecken sind privat. Das geht genau niemanden etwas an.
Ich appeliere an die Hersteller, hier im Sinne ihrer Kunden (!) den Datenschutz hoch zu halten.