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Vor Koalitionsverhandlungen Baerbock provoziert SPD: „Nord Stream 2 die Genehmigung verwehren“

Grünen-Chefin Baerbock fordert, der Ostseepipeline zunächst keine Betriebsgenehmigung zu erteilen. Ihr potenzieller Koalitionspartner SPD reagiert prompt – mit heftigem Widerspruch.
20.10.2021 - 17:49 Uhr 5 Kommentare
Die Grünen-Chefin äußert sich betont skeptisch gegenüber dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Quelle: dpa
Annalena Baerbock

Die Grünen-Chefin äußert sich betont skeptisch gegenüber dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2.

(Foto: dpa)

Berlin Annalena Baerbock, Co-Chefin der Grünen, hat aus ihrer kritischen Haltung gegenüber der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 in den vergangenen Monaten nie einen Hehl gemacht. Dass sie aber ausgerechnet zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, FDP und ihrer eigenen Partei nachlegt, stößt in der SPD auf Kritik.

„Bisher verliefen die Gespräche zur Bildung einer neuen Bundesregierung sehr konstruktiv und vertrauensvoll. Diese Professionalität sollte auch Annalena Baerbock beibehalten“, sagte Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. Westphal gehört der Arbeitsgruppe Wirtschaft der SPD für die Koalitionsverhandlungen an. Die Koalitionsverhandlungen beginnen an diesem Donnerstag.

Doch es geht Westphal nicht allein um Stilfragen. Auch inhaltlich hält er ihren Einwand für unbegründet. Baerbock hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, die Bundesnetzagentur dürfe der Pipeline zunächst keine Betriebsgenehmigung erteilen. Nach europäischem Energierecht müsse der Betreiber der Pipeline „ein anderer sein als derjenige, der das Gas durchleitet“, hatte die Grünen-Chefin gesagt.

„Solange das ein und derselbe Konzern ist, darf die Betriebserlaubnis nicht erteilt werden“, ergänzte sie. Zuvor hatte Russland einem Medienbericht zufolge von Deutschland eine Zertifizierung der Pipeline noch vor Ablauf der Frist am 8. Januar verlangt.

Westphal sagte, das Pipeline-Projekt werde wie andere Infrastrukturprojekte auch durch die Bundesnetzagentur überprüft, danach erfolge die Notifizierung durch die EU-Kommission. Nach dem Ausstieg aus Kernenergie und Kohle werde „Gas der letzte fossile Energieträger sein, den wir für die Versorgungssicherheit im Bereich Strom und Wärme dringend benötigen“, ergänzte er.

Bundesnetzagentur muss entscheiden

Je mehr Erdgas im europäischen Markt ankomme, desto niedriger und stabiler seien die Preise für die Verbraucher. Die Nord Stream 2 AG hatte Anfang September die Zertifizierung als unabhängiger Transportnetzbetreiber gemäß Energiewirtschaftsgesetz bei der Bundesnetzagentur beantragt. Die Regulierungsbehörde hat nun bis zum 8. Januar Zeit, einen Entscheidungsentwurf zu erstellen, der dann der EU-Kommission übermittelt wird.

Die EU-Kommission hat bereits Vorbehalte angemeldet, sie sieht die Pipeline fast ebenso kritisch wie Baerbock. „Nord Stream 2 ist kein Projekt im gemeinsamen europäischen Interesse“, stellte ein Sprecher klar. Ziel der Kommission sei es sicherzustellen, dass die Gasleitung auf „transparente, nicht diskriminierende Weise“ und im Einklang mit „internationalem und europäischem Energierecht“ betrieben werde.

Bei der Interpretation der Rechtslage kommt die Kommission zu einem ähnlichen Ergebnis wie Baerbock: Die 2019 verschärfte EU-Gasrichtlinie verlange, dass Pipelines, die von Drittstaaten nach Europa führen, „entflochten“ werden müssen. Betreiber und Lieferant dürften also nicht ein und dasselbe Unternehmen sein.

Die Gaspipeline Nord Stream 2 ist längst zum Politikum geworden. Stark steigende Energiepreise verstärken die Debatte noch. Quelle: via REUTERS
Vollendung der Bauarbeiten

Die Gaspipeline Nord Stream 2 ist längst zum Politikum geworden. Stark steigende Energiepreise verstärken die Debatte noch.

(Foto: via REUTERS)

Allerdings ist nicht klar, ob diese Anforderung nur dann erfüllt wird, wenn sich Gazprom, das sein Gas über die neuen Röhren exportieren will, von der Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG trennt. Es könnte auch genügen, innerhalb des Konzernverbunds eine stärkere Abgrenzung vorzunehmen. Wie genau die EU-Kommission sich hier positioniert, ist noch nicht klar. Zunächst will sie die Entscheidung der Bundesnetzagentur abwarten.

Dann haben die Brüsseler Experten bis zu vier Monate Zeit für ihre Bewertung. Zur Sicherheit ermahnt der Kommissionssprecher die deutschen Genehmigungsbehörden aber schon: „Die Bundesnetzagentur muss der Stellungnahme der Kommission umfassend Rechnung tragen.“

Doch auch die Kommission steht unter Druck. Die hohen Energiepreise machen die Mitgliedstaaten zunehmend nervös. Sollte der Eindruck entstehen, dass Brüssel ein Projekt verzögert, das Abhilfe schaffen könnte, wäre eine strenge Interpretation der Gasrichtlinie politisch nur schwer durchzuhalten.

Erst am Dienstag hatte der russische Botschafter bei der EU, Wladimir Tschischow, Deutschland empfohlen, die Genehmigungsverfahren für Nord Stream 2 schnell abzuschließen. Das sei „natürlich besser für die Endverbraucher“, sagte der russische Diplomat. Dass die Bundesnetzagentur die Frist nicht ausschöpft und wie von Baerbock befürchtet bereits deutlich vor dem 8. Januar einen Entscheidungsentwurf vorlegt, halten Beobachter indes für unwahrscheinlich.

Grünen-Basis macht Druck

Die Nord Stream 2 AG steht im Übrigen auf dem Standpunkt, dass sie nicht der Regulierung der reformierten EU-Gasmarktrichtlinie unterliegt, die eine Zertifizierung als unabhängiger Transportnetzbetreiber gemäß Energiewirtschaftsgesetz überhaupt erst erforderlich macht. Es laufen derzeit Verfahren vor dem OLG Düsseldorf und dem vor dem Gerichtshof der EU.

Das Unternehmen selbst teilte auf Anfrage mit, als Betreiber einer kommerziellen Investition äußere man sich grundsätzlich nicht zu politischen Debatten. „Nord Stream 2 trifft alle notwendigen Vorkehrungen, um die Einhaltung geltender Regeln und Vorschriften zu gewährleisten“, sagte ein Sprecher.

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Die von Baerbock neu angestoßene Debatte über Nord Stream 2 unterstreicht, dass die Grünen-Spitze unter Druck steht. Sie muss ihrer eigenen Basis und ihrer Stammwählerschaft unmissverständlich deutlich machen, dass sie bei ihren Kernthemen Energie- und Klimapolitik in den Koalitionsverhandlungen das Heft in der Hand hat.

Die Grüne Jugend äußerte sich am Mittwoch kritisch zu den bisherigen Vorschlägen der Ampel-Verhandlungspartner zum Klimaschutz. Der Klimaschutz komme bislang zu kurz, schrieb die Nachwuchsorganisation der Grünen auf Twitter. Den strikten Forderungen der Klimaaktivisten von Fridays for Future schließe sich die Organisation an, heißt es dort weiter.

Die Grüne Jugend fordert SPD, Grüne und FDP in ihrem Tweet dazu auf, die Emissionen von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) so zu begrenzen, dass eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad verhindert wird. Außerdem fordert die Nachwuchsorganisation einen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas bis spätestens 2035 und einen „konsequenten und sozialverträglichen“ Kohleausstieg bis spätestens 2030.

Die Organisation Fridays for Future hatte SPD, Grüne und FDP zuvor ermahnt, einen deutlich ambitionierteren Klimaschutz in ihren anstehenden Verhandlungen zur Bildung einer künftigen Bundesregierung festzuschreiben.

Mehr: Gesamtbetrachtung statt jahresscharfer Sektorziele - Ampel will mehr Pragmatismus im Klimaschutz

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5 Kommentare zu "Vor Koalitionsverhandlungen: Baerbock provoziert SPD: „Nord Stream 2 die Genehmigung verwehren“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Der Gas Energie Engpass kommt ja nicht erst seit 3 Monaten.
    Überall aussteigen Atom-Kohle-ect. und dann jammern woher die Energie kommen soll und das diese teurer wird.
    Von nun an geht's bergab...................

  • Hier werden immer zwei Dinge vermengt, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben: Woher bezieht Deutschland sein Gas und wie unterstützt Deutschland die Ukraine. Es ist doch unsinning, die fertige und moderne neue Pipeline nicht zu benutzen und statt dessen die alten Pipelines in der Ukraine aufwändig Instand zu setzen oder zu halten. Wenn man der Ukraine Geld zukommen lassen möchte, kann man das ganz einfach in Form von Entwicklungshilfe tun, unabhängig vom Gastransport.

  • Herr Seyfert: Schöner Kommentar. Für mich ist die Ukraine ebenfalls ein europäisches Land, dem wir helfen sollten. Aber die Abhängigkeit vom Pipeline-Gas von Putins Gnaden bringt das Land nicht weiter. Dies wird immer ein Zankapfel bleiben. Helfen können nur Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche. Sie erwähnen Polen und Ungarn mit in den letzten Jahren "schwierigen" Regierungen. Man sollte viel mehr in der Ukraine investieren; es muss ja nicht gerade im Osten sein in der Nähe von Putin.

  • Wir sollten Gas von der Ukraine beziehen und nur den Rest, der nicht geliefert werden kann über Nord Stream 2. Nord Stream 2 ist sinnvoll.
    Das sind wir der Ukraine schuldig. Es sind Europäer wie wir....warum werden Sie ignoriert und nicht endlich aufgenommen?
    Nur um das klar zu stellen für die "Linke Presse" Ich bin Deutscher, kein Ukrainer...aber das was dort läuft....alles Europa muß sich schämen....
    Es ist klar, der Nato Beitritt bringt sie in Schwierigkeiten. Die 1/2 der Bevölkerung ist Russisch.. Das ist ein Familienkrieg....Schande über Europa nicht wirklich "Farbe zu bekennen". Es ist auch klar...die Ukraine ist seit mehr als 20 Jahren demokratisch.
    Europa sollte endlich wirklich europäisch sein, stark zusammen und keine Schande mehr!!!
    Die Ukraine hat es verdient....jedes einzelnes Mitgliedsland....Europa muß endlich Europa werden!! Und nicht ein Haufen Egoistischer Staaten wie Polen und Ungarn!!
    Es war ein politisches Versagen aus dem Atom Strom auszusteigen und zurück in die Steinzeit mit Kohle zu gehen.
    Typisch Deutschland.

  • Klar ist das kein europäisches Projekt, sondern ein überwiegend deutsches. Wir sind auf möglichst viel Gas angewiesen, viele EU-Partner aber nicht: Frankreich Atomstrom; Polen Braunkohle, usw. Bei uns wird alles abgeschaltet, was bisher Versorgungssicherheit bedeutet hat; der deutsche Verbraucher und energieintensive Branchen zahlen das dann schon. Frau Baerbock als "besser Verdienende" ist davon nicht relevant betroffen.

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