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Wahnsinn Energiewende Deutsches Stromgeschenk

Weil erneuerbare Energien mehr Strom produzieren als benötigt, verschenkt Deutschland immer wieder Energie ans Ausland. Abnehmer werden mit Geld belohnt, so auch am Neujahrstag. Die Kosten zahlt der Verbraucher.
02.01.2018 - 18:00 Uhr 1 Kommentar
Oft gibt es keine Verwendung für den Ökostrom. Quelle: Paul Langrock/Zenit/laif
Rotorblätter auf dem Weg in den Windpark

Oft gibt es keine Verwendung für den Ökostrom.

(Foto: Paul Langrock/Zenit/laif)

Berlin An seinem Essener Firmensitz führt Trimet die Zukunft vor. Der Aluminiumhersteller hat den extrem stromintensiven Produktionsprozess in einer Demonstrationsanlage so flexibel gestaltet, dass der Stromverbrauch innerhalb von Sekunden um 25 Prozent herunter- oder hochgeregelt werden kann. Über Jahrzehnte war es das ungeschriebene Gesetz der Branche, den Vorgang der Aluminiumelektrolyse konstant und möglichst ohne Schwankungen abzuwickeln. Trimet zeigt nun, dass es auch anders geht.

Das Unternehmen reagiert damit auf die wachsenden Anforderungen, die mit der Energiewende auf die Stromverbraucher zukommen. Gemeinsam mit dem Konkurrenten Hydro Aluminium steht Trimet für zwei Prozent des gesamten deutschen Nettostromverbrauchs. Trimet hat daher großes Interesse daran, die Energiewende mitzugestalten – zum Beispiel durch eine höhere Flexibilisierung des eigenen Stromverbrauchs.

Mit der Energiewende wandelt sich das gesamte Stromversorgungssystem in großen Schritten. Der stark wachsende Ausbau von Windkraft und Photovoltaikanlagen macht die Stromerzeugung volatiler. Es wird aufwendiger, Erzeugung und Verbrauch miteinander in Einklang zu bringen. Große Verbraucher, die Flexibilität bei der Stromabnahme zeigen, sind klar im Vorteil. Ausreichend honoriert wird das systemdienliche Verhalten allerdings nicht. Trimet spricht bei seiner Demonstrationsanlage daher auch von einem „reinen Showcase“. „Wir demonstrieren damit unseren guten Willen“, heißt es bei Trimet. Von einem „Businesscase“ sei man noch weit entfernt.

Guter Wille allein macht aus der Großbaustelle Energiewende allerdings noch kein Erfolgsprojekt. Schwachstellen zeigen sich direkt zu Jahresbeginn: Weil sich der Stromverbrauch und die Stromerzeugung am Neujahrestag nicht mehr in Einklang bringen ließen, mussten viele Tausend Megawattstunden Strom ins Ausland verramscht werden. Die Abnehmer erhielten dafür am Neujahrstag sogar noch eine Belohnung. In der Spitze waren es 76 Euro je Megawattstunde.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Stunden, in denen Strom auf diese Weise exportiert werden musste, in der Tendenz gestiegen. 2008 trat das Phänomen bei 15 Stunden im Jahr auf, 2017 waren es laut Bundesnetzagentur bereits 146 Stunden. Die Kosten dafür landen zu einem erheblichen Teil beim Stromverbraucher. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen Strom aus erneuerbaren Quellen auch dann abnehmen und vermarkten, wenn dafür an der Strombörse keine Nachfrage besteht. In diesen Situationen werden negative Strompreise fällig, mit anderen Worten: Die Übertragungsnetzbetreiber zahlen drauf. Die Kosten dafür legen sie nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf die Stromverbraucher um. Anders verhält es sich, wenn der Betreiber eines fossilen Kraftwerks seine Anlage nicht schnell genug drosseln kann und den Strom verramschen muss. Die Kosten dafür trägt er selbst. Der ganz überwiegende Teil des überschüssigen Stroms stammt aber aus erneuerbaren Quellen.

Im Bundeswirtschaftsministerium sieht man die Entwicklung gelassen: „Wie positive Preise liefern auch negative Preise ein wichtiges Marktsignal, durch das Anreize zur Flexibilisierung sowohl auf der Erzeugungsseite als auch auf der Nachfrageseite gesetzt werden“, heißt es im Ressort von Brigitte Zypries. Das Bundeswirtschaftsministerium habe in der vergangenen Legislaturperiode kontinuierlich daran gearbeitet, die Flexibilität des Stromerzeugungssystems zu erhöhen.

Wer die Frage aufwirft, ob die Probleme denn durch ein Überangebot von Strom aus erneuerbaren Quellen verursacht werden oder eher vom Strom aus Kohlekraftwerken, der die Netze verstopft, löst einen Glaubenskrieg aus.

Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht die Hauptschuld bei Windrädern und Photovoltaikanlagen. Man müsse dafür sorgen, „dass die Erneuerbaren flexibler produzieren“, sagt Bardt. „Im Moment gibt es für die Betreiber von Windrädern und Photovoltaikanlagen zu wenig Anreiz, die Stromproduktion am Bedarf zu orientieren. Das müsste man über eine Reform des EEG ändern“, sagt Bardt. Außerdem müsse der Ausbau der Netze höchste Priorität bekommen, mahnt er.


Felix Matthes, Energieexperte beim Öko-Institut, schiebt den Schwarzen Peter dagegen den fossilen Kraftwerken zu: „Der deutsche Kraftwerkspark passt nicht zur Energiewende. Er ist zu träge. Schnelle Reaktionen auf Lastspitzen sind so nicht möglich. Gerade das wäre aber heute dringend erforderlich“, sagt Matthes. Die Anpassung des Kraftwerksparks laufe viel zu langsam. Allerdings räumt auch Matthes ein, selbst bei negativen Strompreisen gebe es für die Betreiber von Windrädern und Photovoltaikanlagen „noch den Anreiz, Strom zu produzieren“. Tatsächlich bekommen sie auch dann einen Teil ihrer Vergütung, wenn es keine Nachfrage für den produzierten Strom gibt.

In beiden Theorien dürfte ein Stückchen Wahrheit liegen. Das Ergebnis aber ist so oder so immer dasselbe: Im Stromversorgungssystem knirscht es an allen Ecken, die verschiedenen Komponenten harmonieren nicht.

Viele Politiker sind alarmiert
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1 Kommentar zu "Wahnsinn Energiewende: Deutsches Stromgeschenk"

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  • Alle Verbraucher ZAHLEN, auch die Hartz IV Empfänger, auch die Oma mit der niedrigen Rente und auch alle Arbeiter, die fleißig jeden Tag ihre Arbeit erledigen.
    TENNET gewinnt - statt die Stromnetze auszubauen, was deren Pflicht wäre, steigern sie lieber durch das nicht investieren ihren Gewinn. Es entstehen "Netzstabilisierungskosten" - wo Kosten entstehen, gibt es auch jemanden, der diese Kosten verursacht und damit Erlöse erhält - Kosten/Geld verschwindet nicht einfach im Nirwana: TENNET tut nichts und erhält richtig viel Geld.
    Man überlege: Damals wurde RWE und EON von der EU verpflichtet ihre Netze abzugeben - TENNET, ein niederlänischer Staatskonzern hat sie, verdient daran prächtig - und baut ZUM NACHTEIL DEUTSCHLANDS DIE NETZE NICHT AUS - ARMES DEUTSCHLAND zahlst für die EU, die zu deinem Nachteil regiert!
    hm... und zum Thema Versorgungssicherheit darf man sich selbst Gedanken machen ... und da soll ja auch noch der 70 Mrd Umsatz Stromkonzern UNIPER an die Finnen gehen.... ARMES DEUTSCHLAND

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