Chinesisch-deutsche Beziehungen China hofft auf eine Fortsetzung des Merkel-Kurses

Die Bundesregierung will konkrete Fortschritte bei den Themen Umwelt, Klima und Wirtschaftsbeziehungen erzielen.
Peking, Berlin Chinas Premierminister Li Keqiang zeigte sich am Mittwoch sichtlich zufrieden beim Start der offiziellen chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen. 25 Minister seien bei den Gesprächen dabei, sagte er. „Das ist die umfassendste Teilnahme der letzten Jahre.“ Es zeige die Bedeutung, die den chinesisch-deutschen Beziehungen und einer „pragmatischen Kooperation“ beigemessen würden.
Es waren die sechsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultation – und die letzten unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ihre überwiegend chinafreundliche Politik der vergangenen 15 Jahre setzte sie auch dieses Mal fort. Kein Wort verlor Merkel in ihrem Eingangsstatement über die harschen Sanktionen, die Peking jüngst unter anderem gegen deutsche EU-Parlamentarier wie den Grünen-Abgeordneten Reinhard Bütikofer verhängt hatte. Kein Wort sagte sie zu den Menschenrechtsvergehen an der muslimischen Bevölkerung in der westchinesischen Region Xinjiang, wegen derer die EU-Kommission Sanktionen gegen China verhängt hatte.
Stattdessen fand die Kanzlerin vor allem versöhnliche Worte. „Auch in diesem Jahr“, so Merkel, sei „eine Vielzahl an Vereinbarungen zwischen den Ressorts“ geschlossen worden. Das Forschungsministerium und das Umweltministerium verabschiedeten mit ihren chinesischen Counterparts Absichtserklärungen zur stärkeren Zusammenarbeit in der Klimaforschung und in den Bereichen Umwelt, Klimawandel und nachhaltige Entwicklung.
Nur am Rande erwähnte Merkel „Meinungsverschiedenheiten“ beim „Thema der Menschenrechte“, etwa mit Blick auf Hongkong. Auch Li sprach von „verschiedenen Ansichten in einigen Fragen“ – und ließ Berlin wissen, Einmischung in „innere Angelegenheiten“ sollten aufhören.
Dabei war die Reaktion Pekings auf die EU-Sanktionen gegen chinesische Politikfunktionäre wegen Menschenrechtsvergehen in Xinjiang so harsch ausgefallen, dass dadurch die Ratifizierung des über mehrere Jahre verhandelten Chinesisch-Europäischen Investitionsabkommens (CAI) im EU-Parlament ernsthaft infrage gestellt ist.
Auch darüber hinaus gibt es zwischen Peking und Berlin einiges zu besprechen. So leidet die deutsche Wirtschaft noch immer unter den strikten Einreisebeschränkungen der Volksrepublik, auch von fairen Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen in China ist man noch weit entfernt.
Mit Merkel verliert die chinesische Staatsführung eine wichtige Fürsprecherin. Die Beziehungen zu Deutschland sind für Peking von großer Bedeutung, nicht nur wegen Deutschlands herausgehobener Rolle innerhalb der Europäischen Union. Das Verhältnis dient der Staatsführung auch dazu, der eigenen Bevölkerung zu zeigen, welche Stellung die Volksrepublik in der Welt hat. Schon im Vorfeld der Regierungskonsultationen hatte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums betont, Merkel und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hätten sich in diesem Monat bereits zweimal ausgetauscht.
Merkel gilt als beliebt in der chinesischen Führung. Sie hatte sich für den Abschluss von CAI eingesetzt. Mit Spannung schaut auch die chinesische Führung auf die möglichen Nachfolger der Kanzlerin und ihre Chinapositionen.
Annalena Baerbock: Härterer Kurs gegenüber China
Sollten tatsächlich die Grünen stärkste Kraft bei den Wahlen Ende September werden, könnte sich die Chinapolitik Deutschlands deutlich verändern. Die Partei plädiert seit Langem für einen härteren Kurs gegenüber der Volksrepublik. „China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale“, heißt es im Entwurf zum Wahlprogramm.
Der richtige Weg sei: „Im Dialog zu sein, aber eben auch zu erkennen, wenn machtpolitische Interessen von Drittstaaten gegenüber den eigenen Interessen durchgesetzt werden“, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf Nachfrage des Handelsblatts.

Die Grünen plädieren für einen härteren Kurs gegenüber China.
Souveräne Staaten wie Deutschland könnten klar definieren, welche Produkte auf den heimischen Markt kämen, sagte sie mit Blick auf die Menschenrechtsrechtsverletzungen in Xinjiang. „Produkte aus Zwangsarbeit sollten aus meiner Sicht nicht dabei sein.“ Das könne man etwa durch ein europäisches Lieferkettengesetz klar regeln.
Kernstück des Investitionsschutzabkommens zwischen Europa und China sollte das Prinzip der Gegenseitigkeit sein, sagte Baerbock. Derzeit sei es aber so, dass der europäische Binnenmarkt auch Drittstaatsangehörigen alle möglichen Freiheiten gebe, der chinesische Markt den Europäern aber nicht. Mit Blick auf Direktinvestitionen auf dem europäischen Binnenmarkt brauche es deswegen weitere Schutzmaßnahmen, forderte die grüne Kanzlerkandidatin.
Im Wahlprogramm heißt es, man werde an einer engen europäischen und transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten, vor allem in den Bereichen 5G-Ausbau und Schutz kritischer Infrastruktur. Mit Blick auf die Klimakrise wollen die Grünen an einem konstruktiven Dialog auch mit einem autoritären Staat wie China festhalten.
Armin Laschet: In China beliebt, auf Merkel-Linie
Als beliebt in China gilt der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet. In Porträts über ihn in chinesischen Medien wird er als „treuer Unterstützer“ von Merkel beschrieben und auf seinen Einsatz gegen einen Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei verwiesen.
CDU und CSU haben ihr gemeinsames Wahlprogramm noch nicht fertiggestellt. Das macht es auch für den Kanzlerkandidaten Laschet (CDU) schwieriger, sich zu einzelnen Aspekten klar zu positionieren. In der Union gibt es traditionell zwei Strömungen: Die Transatlantiker wie Außenpolitiker Norbert Röttgen, der für eine härtere Gangart plädiert, etwa bei der Frage, ob Huawei vom Ausbau des deutschen 5G-Netzes ausgeschlossen werden soll. Und es gibt Unionspolitiker, die vor allem an guten Beziehungen zur Wirtschaftsmacht China interessiert sind.

Als Kanzler dürfte er Merkels China-Kurs weiterverfolgen.
Laschet hält sich derzeit bedeckt. Doch frühere Äußerungen des CDU-Chefs deuten darauf hin, dass er zur zweiten Gruppe gehört. Als Kanzler dürfte er Merkels Linie fortsetzen. Chinas umstrittene neue Seidenstraße sieht der nordrhein-westfälische Ministerpräsident auch unter der Perspektive, dass sie dem Duisburger Hafen nutzt. Bei der Handelsblatt-Veranstaltung „Asia Business Insights“ betonte Laschet im vergangenen Herbst aber auch, dass China das Projekt nutze, um in anderen Staaten eine Monopolstellung zu erzielen. Man müsse also „beide Seiten sehen“, Risiko und Nutzen.
Ähnlich positionierte sich Laschet bei der Diskussion um Huawei. Er lobte die „abgewogene“ Haltung der Bundesregierung und war gegen einen kategorischen Ausschluss des chinesischen Konzerns vom deutschen 5G-Netz. Man müsse die Chancen nutzen, aber gleichzeitig die eigenen Standards setzen und die digitale Souveränität schützen. „Wir müssen darauf achten, dass es keine Sicherheitslücken gibt“, sagte Laschet auf der Handelsblatt-Veranstaltung.
Das Investitionsabkommen zwischen der EU und China befürwortet der CDU-Politiker. China habe sich „von der Werkbank zum technologischen Trendsetter“ entwickelt. Darauf brauche es politische Antworten.
Olaf Scholz: Für das Investitionsabkommen, ansonsten vage
Der dritte Kandidat der großen Parteien, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, bleibt in Bezug auf den künftigen Umgang mit China erstaunlich vage – trotz vier Jahren als Vizekanzler der Bundesregierung. Er weiß zwar um die immense Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft und sieht auch die geopolitische Dimension des immer selbstbewusster auftretenden Landes. Seine Partei bleibt aber in ihrem „Zukunftsprogramm“ für die Bundestagswahl, das auf einem außerordentlichen Parteitag am 9. Mai beschlossen werden soll, mit programmatischen Festlegungen in Bezug auf China vage.

Die SPD bleibt in Bezug auf China vage.
Die wachsende Bedeutung Chinas in der Welt habe zur Folge, „dass eine globale Antwort auf die ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum ohne Peking vorstellbar ist“, heißt es darin. Interessen- und Wertekonflikte mit China nähmen zu. Europa müsse den Dialog mit China über Kooperation und Wettbewerb geschlossen, konstruktiv und kritisch führen.
Das Investitionsabkommen wird im Programm nicht erwähnt. Scholz hat es aber kürzlich verteidigt und darauf verwiesen, dass das Abkommen die Themen internationale Arbeitsnormen der ILO und Umwelt- und Sozialstandards ausdrücklich erwähne.
Wer von den dreien mit seiner Vorstellung über China auch Kanzler wird, bei der deutschen Vertretung vor Ort dürfte es Kontinuität geben: Wie der „Spiegel“ zuerst berichtete, wird im Sommer Merkels enger Vertrauter und außenpolitischer Berater Jan Hecker Botschafter in Peking werden.
Merkels chinafreundliche Linie führt international zunehmend zu Kritik, die Kanzlerin schaue zu sehr auf die Interessen der deutschen Wirtschaft. Merkel habe oft von der Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Politik gegenüber China gesprochen, sagt etwa Noah Barkin, Chinaexperte der Rhodium Group.
„Aber diese Regierungskonsultationen zeigen, wie leer dieses Gerede ist.“ Die Regierung von US-Präsident Joe Biden und andere demokratische Verbündete außerhalb Europas würden dieses Treffen mit Sorge betrachten. Sie würden sich fragen, ob sie sich darauf verlassen können, dass Berlin gegen ein selbstbewussteres China zurückschlagen wird. „Solange Merkel nicht geht, lautet die Antwort wahrscheinlich Nein.“
Mehr: Bundesregierung verschärft Sicherheitsprüfung für ausländische Investoren
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Meiner Meinung nach wird es in beidseitigem Interesse sein, wenn die deutsch-chinesische Beziehung a la Merkel Kurs bestehen bleibt. Auch wenn China als Systemrivale gilt, ist eine Umarmung - wie Mandela zu sagen pflegte - auch eine Art einen politischen Rivalen bewegungsunfähig zu machen und vermutlich dazu nochdie beste als auf eine harte Kante zu setzen wie zuletzt Australien. MMn ist es hierfür ohnehin zu spät in unserer globalisierten Welt. Nichtsdestotrotz gilt es mit Feingefühl und Augenmaß Menschenrechtsverletzungen wie in Xinjiang oder Hongkong zu adressieren und auch zu verurteilen - hierfür sehe ich aber eher die EU in der Pflicht und nicht Deutschland allein.
Frau Merkel sollte zum Ende ihrer Amtszeit endlich mal ihren Amtseid lesen, da steht nichts drin von "die Welt retten".
Wir in Deutschland und Europa haben genug eigene Probleme und viel Luft nach oben, wenn es um das nachhaltige Umgehen mit ärmeren Ländern zu verbessern, insbesondere mit unserer erfolglosen Entwicklungshilfepolitik sowie der Handelspolitik Europas im Verhältnis zur Dritten Welt.