Industrieländer Ex-EU-Handelskommissarin Malmström gehört zu den Favoriten für die OECD-Spitze

Die Schwedin gilt als aussichtsreiche Kandidatin für den Posten an der Spitze der OECD.
Paris, Berlin Schnell hat Cecilia Malmström die Hand gehoben, als die Suche nach einer neuen Führung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) begann. Bis Anfang März wollen die 37 Mitgliedsländer des Industrieländer-Klubs einen Nachfolger für den amtierenden Generalsekretär Ángel Gurría bestimmen.
Acht Bewerber sind noch im Rennen. Malmström, 52, zählt gemeinsam mit dem früheren Schweizer Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand und dem Australier Mathias Cormann zu den Favoriten.
Die liberale Politikerin wirbt mit ihrer Erfahrung und ihrem „breiten internationalen Netzwerk“, das ihr dabei helfen werde, Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten auszuloten. Als EU-Handelskommissarin hat ihr das Agieren in den von Donald Trump angezettelten Handelskonflikten Respekt eingebracht. Malmström musste dabei auch immer die unterschiedlichen Interessen in Berlin und Paris austarieren: Paris wollte härter auftreten, Berlin fürchtete Importbeschränkungen für deutsche Autos.
In dieser enorm angespannten Zeit hat die Schwedin einen guten Kontakt zu Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aufgebaut, den sie nun für ihre neuen Karrierepläne einzuspannen hofft. Auch auf die Unterstützung der neuen US-Administration um den demokratischen Präsidenten Joe Biden hofft sie.
Der von Trump ins Rennen geschickte Christopher Liddell hat sich bereits zurückgezogen. Und die Zeit für die Benennung eines neuen US-Bewerbers ist abgelaufen. Insider erwarten, dass die USA entweder Cormann oder Malmström unterstützen werden. Hildebrands Kandidatur leidet darunter, dass er wegen eines Interessenkonflikts als Zentralbankchef abtreten musste.
Die Schwäche Cormanns ist, dass Australiens Regierung in Sachen Klimaschutz fast so destruktiv vorgeht wie Trump. Ihn zu unterstützen wäre kein guter Auftakt für Biden. Andererseits ist Australien ein wichtiger Verbündeter der USA in der Region Asien-Pazifik und vor allem gegen China.
Für Malmströms Bewerbung spricht, dass sie die amerikanischen Demokraten gut kennt, mit ihnen auf einer Linie liegt und auch persönliche Kontakte zu Bidens Umgebung hat. Gegen sie, dass Europa nicht geschlossen hinter ihr steht.
US-Haltung wird entscheidend sein
Die Haltung der USA wird auch für die Japans und Koreas ausschlaggebend sein. Ohne oder gegen die Vereinigten Staaten läuft in der in Paris ansässigen Organisation nichts. Aber die OECD-Personalie zählt nicht zu den Top-Prioritäten Bidens, das weiß auch Malmström. Die Organisation hat keine Milliarden zu verteilen wie der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank. Aber sie verfüge mit ihren 2500 Ökonomen und Analysten über einen „Pool an brillanten Köpfen“, sagt die Schwedin.
Diese Expertise könne den Mitgliedsländern bei ihrem beschwerlichen Weg aus der Corona-Pandemie die Richtung weisen: Die OECD solle daher „alle Ressourcen darauf richten, Daten und Expertise bereitzustellen, wie eine stabile Erholung gewährleistet und die langfristige Widerstandsfähigkeit gegen die Krise erhöht werden kann“, sagt Malmström.
Der Wiederaufbau müsse zugleich dem Klimaschutz dienen und die wachsenden sozialen Ungleichheiten bekämpfen. „Frauen, Kinder, Migranten und weniger qualifizierte Menschen haben viel mehr unter der Pandemie gelitten als andere“, warnt die promovierte Politikwissenschaftlerin. Darauf müssten die Staaten auch langfristig eine Antwort finden, sonst blieben die Arbeitsmärkte auf lange Zeit gestört.
Besonders die Gleichberechtigung der Frauen ist ihr ein politisches Herzensanliegen. In ihrer Amtszeit als EU-Kommissarin rückten etliche Frauen auf Top-Positionen in der Generaldirektion Handel. Bei der OECD sieht sie hier noch großen Nachholbedarf – sie sei „sehr männlich dominiert“. Die Organisation habe zwar exzellente Studien verfasst, warum sich Geschlechtergerechtigkeit auch wirtschaftlich auszahle, „aber sie lebt diese Einsicht nicht“.
Nach 15 Jahren unter Amtsinhaber Gurría sieht Malmström die Zeit für Reformen gekommen. So verfüge die OECD über keine Strategie für die Kommunikation mit der Außenwelt, zudem existiere fachlich eine Silo-Mentalität, wie in vielen Regierungen auch. Dieses Denken gelte es aufzubrechen, etwa Handelsthemen gemeinsam mit Entwicklungsfragen und dem Klimaschutz zu denken. Und in Sachen China müsse ganz klar sein: „Die OECD ist ein Klub von Demokratien, China kann kein Mitglied werden.“ Kooperation sei möglich, aber nicht als „One-man-Show“ – auch das eine Stichelei gegen Gurría, der China enger an die OECD binden wollte.
Sonderfaktor Frankreich
In der nächsten Woche werden die OECD-Botschafter wieder ein bis zwei Kandidaten aussortieren, heißt es in vertraulichen Anhörungen. Klar ist: Cormann und Malmström werden bleiben. Sollte Malmström, die zuletzt als Gastdozentin an der Uni Göteborg tätig war, die Mitgliedsländer von ihrer Kandidatur überzeugen, würde sie an einen vertrauten Ort zurückkehren. Sie arbeitete Mitte der 1980er-Jahre in Paris, studierte Literatur an der Sorbonne, verbrachte auch einen Teil ihrer Jugend in Frankreich, spricht fließend Französisch.
Dennoch ist gerade Frankreich ihr Problem: Emmanuel Macron ist als Wirtschaftsminister mehrfach mit ihr aneinandergeraten. Und der Europaminister des heutigen Präsidenten kritisierte sie Ende vergangenen Jahres hart in einem Artikel: Als Handelskommissarin sei sie zu nachgiebig gegenüber China gewesen.
Mehr: Schweden nominiert Cecilia Malmström für OECD-Chefposten.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.