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Chiphersteller Revolution von oben: So will Intel technologisch zurück an die Weltspitze

Technologisch hinkt der umsatzstärkste Chiphersteller der Welt der Konkurrenz weit hinterher. Mit neuen Verfahren startet CEO Pat Gelsinger nun die Aufholjagd – und gewinnt namhafte Kunden.
26.07.2021 Update: 27.07.2021 - 17:27 Uhr Kommentieren
Mithilfe des EUV-Verfahrens soll die Leistungsfähigkeit in den kommenden Jahren steigen. Quelle: Masterfile
Intel-Chip

Mithilfe des EUV-Verfahrens soll die Leistungsfähigkeit in den kommenden Jahren steigen.

(Foto: Masterfile)

München Intel ist zwar noch immer der größte Chiphersteller, aber schon lange nicht mehr der fortschrittlichste. In vier Jahren soll der Chipkonzern aus dem Silicon Valley technologisch wieder an der Spitze stehen. Das kündigte der neue Vorstandschef Pat Gelsinger am späten Montagabend an.

Der Manager legt dafür einen ehrgeizigen Fahrplan vor. Von der Chiparchitektur bis zu den Produktionsverfahren soll nichts so bleiben, wie es war: „Wir nutzen unsere beispiellose Innovationspipeline, um technologische Fortschritte vom Transistor bis zur Systemebene zu erzielen“, sagte Gelsinger. Ein Transistor ist ein Bauelement der Chips und wird zum Schalten oder Verstärken von Strom verwendet.

Dass der 60-Jährige ein knappes halbes Jahr nach seinem Start die technische Revolution von oben verordnet, hat einen Grund: Intel fällt gegenüber den Konkurrenten immer weiter zurück – und das liegt nicht zuletzt an gravierenden Produktionsproblemen. Erst vor wenigen Wochen musste Intel eingestehen, dass sich die neue Serverchip-Generation mit dem Codenamen „Sapphire Rapids“ verzögert. Die Bauteile werden nun erst Anfang 2022 produziert statt wie geplant Ende des Jahres. Mitte Juni hat Gelsinger deshalb dem Chef der Sparte gekündigt.

Eine solche Verzögerung soll nicht noch einmal vorkommen. Daher hat Gelsinger am Montag mehrere Schritte präsentiert, wie Intel bis 2025 am derzeitigen Technologieführer, dem Taiwaner Auftragsfertiger TSMC, vorbeiziehen will.

Der neue Intel-Chef will Milliarden in Europa investieren. Quelle: © 2017 Bloomberg Finance LP
Pat Gelsinger

Der neue Intel-Chef will Milliarden in Europa investieren.

(Foto: © 2017 Bloomberg Finance LP)

Um TSMC in der ersten Phase zunächst einzuholen, setzt Intel wesentlich stärker als bisher auf das EUV-Verfahren des niederländischen Equipment-Herstellers ASML. EUV steht für extrem ultraviolettes Licht, mit dem die Halbleiter belichtet werden, um die Transistoren darauf herzustellen. Nur diese Technologie ermöglicht es, Chips der nächsten Generation mit Strukturgrößen von unter sieben Nanometern zu produzieren.

So werden noch feinere Strukturen auf den Leiterplatten abgebildet und auf kleinstem Raum leistungsfähiger gemacht. Vor allem aber sollen die Chips von Intel künftig wesentlich weniger Strom verbrauchen. Zum Vergleich: Auf den bislang modernsten Chips von Konkurrent TSMC befinden sich fünf Nanometer große Transistoren.

Intel allerdings hält den Vergleich der Nanometer für unzutreffend. Die in der Branche verwendeten Nanometer-Angaben würden die Wirklichkeit nicht mehr richtig widerspiegeln. Deshalb führt Gelsinger nun völlig neue Namen ein. Die bisherige Sieben-Nanometer-Technologie nennt sich künftig Intel 4. Der verbesserte Zehn-Nanometer-Chip heißt nun Intel 7. So will Intel deutlich machen, dass die eigenen Chips leistungsstärker als Konkurrenzprodukte mit ähnlichen Strukturbreiten sind.

Große Hoffnungen auf Maschinen von ASML

Der große Sprung an die Weltspitze soll dann Mitte des Jahrzehnts erfolgen. Als erster Chiphersteller wird Intel in einigen Jahren die kommende Generation der Lithografie-Maschinen von ASML verwenden: Ein Verfahren, das sich High-Numerical-Aperture-EUV nennt. Dabei will Gelsinger Maschinen benutzen, die ASML gerade erst entwickelt: „Wir sind bereit, die modernsten EUV-Werkzeuge zu liefern, die zu künftigen Innovationen beitragen werden“, sagte ASML-Chef Peter Wennink.

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Dennoch ist der Schritt für Intel gewagt, denn einst hatte sich auch die ursprüngliche Entwicklung von EUV um Jahre verzögert. Er sei jedoch zuversichtlich, dass der Zeitplan eingehalten werde, sagte Sanjay Natarajan im Gespräch mit dem Handelsblatt. Den Manager hat Gelsinger vor einem Vierteljahr vom Chipausrüster Applied Materials abgeworben. Er soll die Pläne des CEOs umsetzen. „Wir haben für alle Eventualitäten geplant“, versichert Natarajan.

Die Tragweite des technologischen Neubeginns sei enorm, sagt der Manager: „Das ist ein Wandel, wie wir ihn nur alle zehn Jahre vollziehen.“ Denn auch der Aufbau der Prozessoren, die sogenannte Architektur, ändert sich. Prozessoren sind das Gehirn eines jeden Rechners. Sie sind das Kerngeschäft von Intel. Intel wird von 2024 an zwei neue Verfahren im Zentrum seiner Prozessoren anwenden – bei den Transistoren. Damit sollen die Chips kompakter, schneller und effizienter werden.

Qualcomm und Amazon als neue Kunden

Parallel führt die Firma eine neue Technik ein, um die empfindlichen Chips zu verpacken – das sogenannte 3D-Stacking. Dabei werden mehrere Bauteile übereinandergelegt und miteinander verbunden. Intel kann so Teile aus den eigenen Fabriken mit denen von Auftragsfertigern kombinieren. Der Konzern würde eigene technische Defizite ausgleichen, indem er zum Beispiel einzelne Elemente vom führenden Auftragsfertiger TSMC bezieht.

Intel werde bei der als „Intel 20A“ benannten Chiparchitektur mit Qualcomm zusammenarbeiten, dem größten Handychiphersteller der Welt. Auch das ist neu, denn bislang hat Intel seine Verfahren praktisch ausschließlich für die eigenen Chips genutzt. Die Bezeichnung 20A lehnt an die Maßeinheit Angström an, die 0,1 Nanometer entspricht. 20 Angström passen damit zum nächsten Strukturbreiten-Meilenstein von zwei Nanometern.

Künftig betätigt sich der Konzern auch als Auftragsfertiger – und tritt damit in Konkurrenz zu etablierten Foundries wie TSMC, Samsung und Globalfoundries. Mit Qualcomm haben die Amerikaner einen der namhaftesten Halbleiteranbieter ohne eigene Fertigung als Kunden gewonnen. Welche Chips Intel genau fertigen wird und wann die Produktion startet, ließ der Konzern allerdings offen.

Zudem übergibt der Cloud-Anbieter Amazon Web Services seine Serverchips künftig Intel, damit sie dort verpackt werden können. Der amerikanische Onlinekonzern Amazon betreibt weltweit riesige Rechenzentren und designt dafür eigene Halbleiter.
Gelsinger braucht die Technikoffensive. Denn Produktionsprobleme plagen Intel schon lange. Bereits im vergangenen Sommer hatte Gelsingers Vorgänger Bob Swan einräumen müssen, dass der Umstieg auf die Sieben-Nanometer-Technologie spät im Jahr 2022 oder sogar erst 2023 erfolge. Intel konnte das neue Verfahren nicht wie geplant einsetzen, weil es nicht zuverlässig genug war: Zu viele Chips waren fehlerhaft.

Gelsinger steht darüber hinaus unter Druck, weil der gewaltige Boom der Chipindustrie ausgerechnet an dem einst unangreifbaren Branchenführer vorbeigeht. Der Branchenverband WSTS rechnet für das laufende Jahr mit einem weltweiten Umsatzplus von rund einem Fünftel. Die Erlöse von Intel sind im abgelaufenen Quartal aber lediglich um zwei Prozent auf 18,5 Milliarden Dollar geklettert. Der Gewinn ist um sechs Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar gestiegen.

Intel geht auch unter die Auftragsfertiger. Quelle: dpa
Intel

Intel geht auch unter die Auftragsfertiger.

(Foto: dpa)

Wachstum hinkt der Konkurrenz hinterher

Das ist wenig im Vergleich zu den Konkurrenten. Der Umsatz des Rivalen Nvidia ist im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahrs um 84 Prozent auf 5,7 Milliarden Dollar in die Höhe geschossen. Die Einnahmen von TSMC sind im zweiten Quartal um ein Fünftel auf 13,3 Milliarden Dollar geklettert. Auch der US-Wettbewerber Texas Instruments zeigte sich mit einem Umsatzplus von 41 Prozent im zweiten Quartal viel dynamischer als Intel.

Das liegt auch an schweren Versäumnissen des früheren Managements bei Intel. Im vergangenen Sommer hatte Gelsingers Vorgänger Bob Swan einräumen müssen, dass der Umstieg auf die Sieben-Nanometer-Technologie spät im Jahr 2022 oder sogar erst 2023 erfolge. Intel konnte das neue Verfahren nicht wie geplant einsetzen, weil es nicht zuverlässig genug war: Zu viele Chips waren fehlerhaft. TSMC fährt unterdessen bereits die Produktion auf drei Nanometer hoch und will damit nächstes Jahr in Serie gehen.

Von den technischen Revolutionen bei Intel könnte in den nächsten Jahren auch Europa profitieren. Zunächst werde der Konzern die Werke im US-Bundesstaat Oregon aufrüsten, sagte Manager Natarajan. Doch Gelsinger will auch in der EU investieren und mehrere Fabriken bauen.

Allerdings feilscht der Konzernherr noch um staatliche Subventionen. Sollte es zu einer Einigung kommen, könnte die erste Intel-Fabrik auf dem europäischen Festland mit den innovativeren Verfahren an den Start gehen.
Für Anleger sei die Ankündigung nicht besonders beruhigend gewesen, so Analyst Matt Bryson von Wedbush Securities. Die Neuigkeiten dienten als Erinnerung daran, wie viel Zeit und Geld der Comeback-Plan in Anspruch nehmen werde, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Im vorbörslichen Handel in New York ist der Aktienkurs am Dienstag um knapp zwei Prozent auf gut 53 Dollar gefallen. Zuvor hatten die Papiere seit Jahresbeginn etwa neun Prozent zugelegt.

Mehr: Intels Fehler in der Vergangenheit rächen sich – der technologische Wandel ist alternativlos

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