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IT-Industrie Gegen den Chipmangel: Kunden finanzieren Fabrikausbau von Globalfoundries

Der Auftragsfertiger expandiert in Dresden mithilfe seiner Abnehmer. Das war bislang nicht üblich – ist aber für beide Seiten sinnvoll.
12.04.2021 - 12:15 Uhr Kommentieren
Die Kunden des Auftragsfertigers Globalfoundries beteiligen sich finanziell am Ausbau der Werke des US-Konzerns. Quelle: Bloomberg
Chipfabrik von Globalfoundries

Die Kunden des Auftragsfertigers Globalfoundries beteiligen sich finanziell am Ausbau der Werke des US-Konzerns.

(Foto: Bloomberg)

München Es ist ein unerwarteter Boom: Jahrelang mussten die Chipwerke von Globalfoundries in Dresden um jeden Auftrag kämpfen. Inzwischen kommt der US-Konzern mit den Lieferungen nicht mehr nach.

Die Fabriken sind komplett ausgelastet. Die Kunden sind so verzweifelt, dass sie nun die Erweiterung mitfinanzieren. „Die Abnehmer gehen in Vorleistung, um sich Kapazitäten zu sichern“, sagte Vorstandschef Thomas Caulfield dem Handelsblatt.

„Unter normalen Umständen wäre die Nachfrage nicht so schnell und so stark gestiegen“, betonte der Manager. Durch die Pandemie aber sei die Digitalisierung in einem Jahr so kräftig vorangekommen wie sonst in einer Dekade. Seit Monaten ist die Halbleiterindustrie am Limit. Weltweit stehen Autofabriken still, weil die Bauteile fehlen.

„Wir müssen unsere Ausbaupläne beschleunigen“, unterstrich Caulfield. Dieses Jahr wird der Auftragsfertiger rund 450 Millionen Dollar in Dresden investieren. Ein Drittel davon sollen Kunden aufbringen, Chiphersteller wie Infineon, NXP oder Bosch, die in einigen Bereichen auf eine eigene Fertigung verzichten.

Bislang war das nicht üblich in der Industrie. „Wir verfolgen jetzt ganz neue Ansätze, um mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten“, sagte Caulfield. Das könnte Schule machen, denn es hilft beiden Seiten. Der Auftragsfertiger kann mehr investieren, der Auftraggeber bekommt eine Liefergarantie.

Globalfoundries ist der Kleinste unter den Großen

Es ist kein Zufall, dass gerade Globalfoundries diesen Weg geht. Globalfoundries ist der kleinste unter den großen Auftragsfertigern, den sogenannten Foundries. Der Konzern ging einst aus den Chipwerken von AMD hervor und erzielte vergangenes Jahr einen Umsatz von 5,7 Milliarden Dollar. Er gehört der Advanced Technology Investment Company aus Abu Dhabi. Zum Vergleich: Branchenprimus TSMC verbuchte allein im ersten Quartal einen Umsatz von 12,7 Milliarden Dollar.

TSMC und Samsung, die Nummer zwei bei den Foundries, spielen finanziell und technologisch in einer ganz anderen Liga. Sie sind die einzigen Hersteller, die mit der sogenannten Fünf-Nanometer-Technologie produzieren. Niemand sonst ist in der Lage, so feine Strukturen auf den Leiterplatten abzubilden. Das kostet enorm viel: In den nächsten drei Jahren will TSMC 100 Milliarden Dollar in neue Fabriken stecken.

Dagegen sind die Investitionen von Globalfoundries bescheiden. Insgesamt will Globalfoundries dieses Jahr weltweit 1,4 Milliarden Dollar für den Ausbau seiner Fabriken ausgeben. Das liegt nicht zuletzt daran, dass deren 22-Nanometer-Technologie wesentlich günstiger ist.

Trotzdem ist die Foundry gerade für europäische Chiphersteller wie Infineon, NXP oder Bosch hochinteressant. Einerseits weil sie meist gar nicht jene hochgezüchteten Chips brauchen, wie sie etwa der iPhone-Produzent Apple bei TSMC ordert.

Die Werke von Globalfoundries sind nah bei den Kunden

Andererseits haben sie mit Globalfoundries einen Lieferanten vor der Haustür. Sie müssen nicht in Asien bestellen. Das ist in diesen Tagen so wichtig wie nie, die Lieferketten sind brüchig. „Die Folgen der Blockade des Suezkanals verschärfen die ohnehin schon angespannte Lage mit der Chipbelieferung zusätzlich“, heißt es beim Autozulieferer ZF, einem großen Kunden der Halbleiterhersteller. Das Containerschiff „Ever Given“ hatte sich Ende März quergestellt und blockierte den Kanal so über sechs Tage komplett.

Allerdings: Ohne Chips aus Fernost geht es in Europa nicht. Auf dem Kontinent werden nur neun Prozent aller Halbleiter weltweit produziert, aber 20 Prozent verbraucht.

Nach den Worten von Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung hat die EU bei Weitem die geringste Fertigungskapazität im Vergleich zu anderen wichtigen Regionen in der Halbleiter-Wertschöpfungskette wie Japan, Südkorea, Taiwan, USA oder China. Der Rest der Welt habe Europa abgehängt, so der Experte. 2003 seien auf den Kontinent noch fast zwölf Prozent aller Umsätze mit Halbleiter-Equipment entfallen. Vergangenes Jahr seien es nur noch drei Prozent gewesen.

Auf Siliziumscheiben, den sogenannten Wafern, entstehen Chips. Die Produktion ist aufwendig und teuer, daher bittet Globalfoundries jetzt seine Kunden um Unterstützung beim Fabrikausbau. Quelle: Bloomberg
Wafer

Auf Siliziumscheiben, den sogenannten Wafern, entstehen Chips. Die Produktion ist aufwendig und teuer, daher bittet Globalfoundries jetzt seine Kunden um Unterstützung beim Fabrikausbau.

(Foto: Bloomberg)

Die führenden europäischen Chipkonzerne Infineon, NXP und ST Microelectronics verfolgen ein sogenanntes „Fab-Light“-Modell. Das heißt: Sie betreiben eigene Fabriken, lagern aber einen Teil der Fertigung aus. Der Beratungsgesellschaft BCG zufolge produzieren Foundries wie TSMC, Samsung und Globalfoundries jeden dritten Chip weltweit. Bleiben die von sehr wenigen, großen Anbietern gefertigten Speicherchips außen vor, stamme jeder zweite Halbleiter aus Foundries. Diese befinden sich größtenteils in Fernost. Globalfoundries mit Werken unter anderem in den USA und Deutschland ist die große Ausnahme.

Deutschlands bedeutendster Chipkonzern, Infineon, beteiligt seine Abnehmer zwar nicht an den Kosten für Neubauten oder Maschinen. Doch auch der Dax-Konzern holt die Auftraggeber inzwischen ins Boot. „Mit Industriekunden gibt es zum Beispiel Vereinbarungen zur Teilung der Kosten im Falle einer Unterauslastung“, sagte Vorstandschef Reinhard Ploss der „NZZ“. „Dadurch können wir Kapazitäten vorhalten und bei steigender Nachfrage sofort liefern.“

Infineon verbuchte mehr als eine halbe Milliarde Euro an Leerstandskosten

Es hat seinen Grund, dass die Halbleiterhersteller versuchen, die Kunden stärker einzubinden. Die Fixkosten sind hoch, das belastet die Firmen, wenn es nicht so gut läuft. So verbuchte Infineon in dem am 30. September beendeten Geschäftsjahr sogenannte Leerstandskosten von 600 Millionen Euro. Der Gewinn betrug 368 Millionen Euro.

Zu den Details der Vereinbarungen mit den Kunden hält sich Globalfoundries-Chef Caulfield bedeckt. Der Amerikaner nennt keine Namen. Die Abnehmer könnten sowohl Vorauszahlungen leisten und sich damit Kapazitäten reservieren als auch direkt in Produktionslinien investieren. Nicht ausgeschlossen sei zudem, dass sich künftig auch die Endabnehmer bei Globalfoundries engagieren. Das könnten zum Beispiel Automarken sein, die darunter leiden, dass ihnen Bauteile fehlen.

Bald wird sich Globalfoundries womöglich auch Geld vom Kapitalmarkt besorgen können. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge bereitet der arabische Eigentümer einen Börsengang vor, bei dem der Konzern mit 20 Milliarden Dollar bewertet werde. Bislang hatte Caulfield die Emission für 2022 in Aussicht gestellt. Nun sieht es so aus, als könnte es schneller gehen.

Mehr: Lieferengpässe bei Chips verschärfen sich – Autobauer müssen Produktion drosseln

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