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Carmen Hijosa Die vegane Alternative zu Leder: Eine Spanierin will mit Ananasblättern den Planeten schützen

Konzerne wie H&M, Hugo Boss und Hilton ordern die Leder-Alternative bei Ananas Anam. Die preisgekrönte Gründerin arbeitet jetzt an Lösungen für die Autobranche.
07.07.2021 - 08:41 Uhr Kommentieren
Diese werden anschließend gewaschen und getrocknet und dann in Spanien verarbeitet – zu Piñatex, dem patentierten Material. Quelle: Ananas Anam
Gewinnung von Ananasblättern auf den Philippinen

Diese werden anschließend gewaschen und getrocknet und dann in Spanien verarbeitet – zu Piñatex, dem patentierten Material.

(Foto: Ananas Anam)

Madrid Wenn man Eigenschaften sucht, um den Charakter von Carmen Hijosa passend zu beschreiben, dann landet man schnell bei Entschlossenheit – und Überzeugung. Die Spanierin hat 2010 Ananas Anam mit Sitz in London gegründet, um aus den Fasern von Ananasblättern eine nachhaltige Alternative zu Leder zu entwickeln. Als die Investoren skeptisch waren, nahm sie eine Hypothek auf ihr Haus auf, um weiterzumachen.

Inzwischen lässt sich erahnen, dass sich der Einsatz gelohnt hat. Ihr kleines Unternehmen mit lediglich 55 Mitarbeitern hat über 3000 Kunden aus 80 Ländern der Welt – darunter Luxuskonzerne wie Hugo Boss, das Hilton Hotel in London oder den Fast-Fashion-Riesen H&M. Sie eint das Ziel, auf den wachsenden Trend zu mehr Nachhaltigkeit zu reagieren.

Ananas Anam war nach Angaben von Hijosa die erste vegane Alternative zu Leder und hat von Anfang an auf die Massenproduktion abgestellt. Das Potenzial ist riesig: Das Volumen des weltweiten Ledermarkts lag im vergangenen Jahr nach Angaben der Marktforscher von Grand View Research bei 394 Milliarden US-Dollar (331 Milliarden Euro).

„Unsere Zeit ist gekommen“, sagt Hijosa im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Die Leute wollen eine Alternative zu tierischen Produkten.“ Sie selbst ist seit Jahren Vegetarierin, verkaufte vor der Gründung von Ananas Anam Leder-Accessoires.

Als sie jedoch in einer Gerberei auf den Philippinen zum ersten Mal mit eigenen Augen sah, wie zum Teil gefährliche Chemikalien und Gase freigesetzt werden, wollte sie nach einer Alternative suchen. In Europa regeln inzwischen strenge Vorschriften das Gerben. Doch das ist laut Hijosa längst nicht überall auf der Welt so.

Vorbild Tradition: Philippinische Weber fertigen Hemden aus den Fasern von Ananas

Ebenfalls auf den Philippinen, wo sie zunächst als Beraterin für den Export von lokalen Lederwaren tätig war, fand sie schließlich eine nachhaltige Alternative. Die traditionellen Hemden – Barong Tagalog genannt – stellen die Weber aus den Fasern von Ananasblättern her. Die Materialexpertin war begeistert, wie leicht, flexibel und gleichzeitig stark das Material war.

Hijosa wollte die Fasern industriell verarbeiten lassen und weltweit vermarkten. „Zuerst musste ich zurück auf die Schulbank“, sagt die heute 69-Jährige. „Ich kannte mich mit natürlichen Fasern nicht aus.“ Sie extrahiert auf den Philippinen die Fasern der Ananasblätter und lässt sie dann in spanischen Fabriken zu Piñatex verarbeiten – ihrem patentierten Material. „Piña“ ist das spanische Wort für „Ananas“. Der Sitz des Unternehmens aber ist London, wo die Kreative bereits vorher zwei Firmen gegründet hatte.

Ihr kleines Unternehmen hat inzwischen über 3000 Kunden aus 80 Ländern der Welt. Die schwierige Anfangszeit hat die Gründerin aber nicht vergessen. Quelle: Ananas Anam
Carmen Hijosa

Ihr kleines Unternehmen hat inzwischen über 3000 Kunden aus 80 Ländern der Welt. Die schwierige Anfangszeit hat die Gründerin aber nicht vergessen.

(Foto: Ananas Anam)

80 Prozent der Produktion werden derzeit zu Schuhen und Taschen verarbeitet. Die Optik ähnelt der von Lederwaren, das Material ist wasserabweisend und atmungsaktiv. Für den ökologischen Footprint ist besonders wichtig, dass die Ananasblätter ein Abfallprodukt der Ernte sind. Piñatex benötigt deshalb kein zusätzliches Wasser, Düngemittel oder Pestizide.

Inzwischen ist sie längst nicht mehr allein auf dem Markt. Es gibt Leder-Alternativen aus Äpfeln, Pilzen oder Kakteen. Hijosa stört das nicht. „Wir erobern gemeinsam einen neuen Markt“, sagt sie. „Mich stört nur, dass es da viel Greenwashing gibt.“ So basierten einige Alternativen zu 40 Prozent auf Öl, während es bei Piñatex nur fünf Prozent seien. Die Tierschutzorganisation Peta führt Piñatex unter den zehn besten Alternativen zu Leder an erster Stelle.

Hijosa hat mehrere Auszeichnungen für ihre Idee erhalten

Hijosa ist für ihr Engagement bereits ausgezeichnet worden. In diesem Jahr war sie in der Endrunde für den europäischen Erfinderpreis. 2017 hat sie den Preis für britische innovative Frauen gewonnen, ein Jahr zuvor einen Preis für Materialinnovationen des von der britischen Regierung finanzierten Arts Council.

„Carmen ist eine innovationsgetriebene, passionierte Gründerin“, sagt Nadia Danhash, die das Gründerzentrum an der renommierten Kunst- und Design-Hochschule Royal College of Arts in London leitet. Hijosa hat dort mit dem Fallbeispiel Piñatex zur Designentwicklung eines neuen Materials promoviert und parallel Ananas Anam gegründet.

Inzwischen gibt es mehrere Leder-Alternativen auf dem Markt, etwa aus Äpfeln oder Kakteen. Quelle: Ananas Anam
Verarbeitung zu Lederwaren

Inzwischen gibt es mehrere Leder-Alternativen auf dem Markt, etwa aus Äpfeln oder Kakteen.

(Foto: Ananas Anam)

Eines der größten Probleme war die Suche nach Investoren. „Inzwischen gibt es in Großbritannien eine gut entwickelte Szene von Early-Stage-Investoren. 2010 war das noch nicht so“, sagt Danhash. „Aber Carmen ist hartnäckig geblieben, obwohl es damals als Frau noch schwieriger war als heute, an eine gute Bewertung und entsprechende Finanzierung zu kommen.“

Es sei jedoch genau diese Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit, betont Danhash, die den Unterschied ausmachten zwischen einem kreativen Gründer und einem erfolgreichen Unternehmer. „Es ist etwas anderes, eine App zu entwickeln, für die man nur einen Computer braucht. Ein neues Material muss im Labor getestet werden und benötigt ein Patent, das teuer ist“, erklärt die Expertin.

Die Coronakrise beflügelt mittlerweile das Geschäft

Hijosa hat deshalb zwischenzeitlich eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen, um ihr Projekt am Leben zu halten. „Ich habe alles riskiert“, sagt sie. Als die Spanierin aber in Barcelona einen Hersteller fand, der einen Prototyp für sie produzierte, wurde die Sache einfacher. „Da haben die Leute das Potenzial der Idee gesehen“, sagt sie.

Konkrete Geschäftszahlen will sie mit Blick auf die derzeit laufende Finanzierungsrunde nicht nennen. Nur so viel: Der Umsatz hat sich seit 2016 in jedem Jahr verdoppelt. Die Geschäftspläne sehen zudem vor, dass sich die Produktionskapazität in den kommenden zwei Jahren verzehnfacht.

Die Pandemie allerdings hat zunächst auch Ananas Anam hart getroffen. Die Produktion stand still, Aufträge konnten nicht bearbeitet werden. Inzwischen sieht es so aus, als könnte die Pandemie für die quirlige Gründerin ein Segen sein: Zahlreiche Experten gehen davon aus, dass sie weltweit das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz gefördert hat – ein Effekt, den Hijosa bereits spürt: „Die Pandemie hat unsere Aufträge in die Höhe getrieben. Wir haben Probleme, alle zu erfüllen.“

Ein neuer Auftraggeber hat eine ungewöhnliche Herkunft: Er stammt aus der Automobilbranche. Hijosa arbeitet mit einem Zulieferer an einer leichten Alternative für die Leder-Innenverkleidung und die Sitze. Den Trend hat der E-Auto-Hersteller Tesla bereits gesetzt: Das Model 3 hat im Innenraum kein Leder mehr, sondern synthetisches Material. Womöglich besteht das bei den kommenden Modellen ja aus umweltfreundlichen Ananasfasern.

Mehr: Diese Gründerin will mit KI die Modebranche nachhaltiger machen

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