Fußball Nach Kartellamt-Kritik: Drei Investoren-Klubs kündigen in Brandbrief Widerstand an

Beim Fußballklub Bayer Leverkusen hat der Chemiekonzern Bayer die Mehrheit.
München Ein solches Schreiben hat es seit Längerem nicht gegeben. Gemeinsam wenden sich drei Fußball-Profiklubs an die Bundesliga, drei Vereinswappen zieren nebeneinander den Briefkopf. TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg zeigen sich höchst alarmiert über Widerstände beim Bundeskartellamt, die sie aus dem Spielbetrieb herauskatapultieren könnten: „Solche Konsequenzen sind für uns verständlicherweise inakzeptabel.“
Hier kämpfen drei Klubs, die im vereinsgeprägten Ligabetrieb mit einer Ausnahmegenehmigung spielen. Denn nicht Vereinsmitglieder und damit die „Muttervereine“ haben hier – wie eigentlich vorgesehen – die Mehrheit, sondern ein Investor: der Chemiekonzern Bayer in Leverkusen, Autobauer Volkswagen in Wolfsburg, SAP-Mitgründer Dietmar Hopp in Hoffenheim.
Die Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL) hatte das ganze Konstrukt vor drei Jahren der wettbewerblichen Prüfung übergeben, nachdem ihre 36 Profiklubs mehrheitlich eine seit 1999 existierende „50+1“-Regel für die Zukunft bestätigt hatten.
Die Klausel zementiert, dass Vereinsmitglieder letztendlich das Sagen haben – eine Praxis, die die Kartellbeamten im Mai überraschenderweise generell bejahten. Begründung: „ethisch-soziale Zielsetzungen“.
Jedoch würden die drei Ausnahmen für Investorenklubs für Ungerechtigkeit sorgen – deshalb müsse man das Ganze untersagen, wenn sich nichts ändert, so der Tenor. Das Ziel der Vereinsprägung werde offenbar „nicht mehr einheitlich, sondern nur noch partiell durchgesetzt“, schrieb das Kartellamt dem DFL-Präsidium, es entstünden Zweifel an der Eignung für einen „sportlich fairen, vereinsgeprägten Wettbewerb“. In der Not würde ein Investor Fehlbeträge halt einfach ausgleichen. Öffentlich bekannte Kartellamtspräsident Andreas Mundt Zweifel an der „Kombination mit der derzeitigen Förderausnahme“ für Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim.
Und so bemühen sich jetzt insgesamt sechs Geschäftsführer der drei Klubs um die Solidarität der anderen 15 Vereine. Ein Riss geht durch den Spitzenfußball. Man bitte, heißt es in dem Schreiben ans DFL-Präsidium, „intensiv“ in weitere Beratungen eingebunden zu werden. Es gehe darum, „den Bestand der Regel oder mindestens in Modifizierung unter Beibehaltung der mit ihr verbundenen Grundideen und unter Wahrung des Bestandsschutzes für unsere Klubs zu erhalten“.
Im „Sinne der Integrität der Bundesliga“, heißt es weiter, müsse es „jetzt unser aller gemeinsames Interesse sein, diese schwierige Situation zielgerichtet und mit diplomatischem Geschick zu bewältigen“.
Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim wollen sich äußern
Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung will sich die DFL im Juli mit der 50+1-Regel befassen. Zuletzt bat die Ligavereinigung das Kartellamt schon mal „um eine angemessene Verlängerung der Frist für eine Stellungnahme“. Die drei Klubs Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim erklären auf Anfrage, sich jetzt nicht zum Sachverhalt äußern zu wollen. Man sei im Gespräch mit der DFL, und die werde sich im Juli äußern.
Wo aber liegt die Lösung in der Causa Kartellamt? „Die DFL steht jetzt in der Pflicht, eine konstruktive Lösung im Sinne der Mitglieder zu finden. Und die Mehrheit der Klubs steht klar hinter der 50+1-Regel“, sagt Andreas Rettig, von 2013 bis 2015 Geschäftsführer der DFL und heute Manager beim Drittligisten Viktoria Köln.
Alle Satzungen würden hierauf fußen, das sei „keine rechtliche, sondern eine sportpolitische Angelegenheit“. Ideal wäre eine Rückabwicklung der Ausnahmeregelungen für Wolfsburg und Co., findet Rettig: „Andernfalls sollte ein Weg gefunden werden, dass die Investorenklubs ihren Wettbewerbsvorteil finanziell ausgleichen.“ Das könnte, so der Ex-DFL-Chef, über einen Malus bei der Verteilung der Fernsehgelder passieren: „Wer 50+1 praktiziert, erhält hier einfach einen Zuschlag. Auch über eine Deckelung der zugeführten Investorengelder sollte nachgedacht werden.“
Der Fußball ist mittendrin in einem neuen Drama. Schon jetzt hat die Bundesliga mit schweren Einbußen durch Corona zu kämpfen. Sie werde in der Saison 2020/21 „voraussichtlich etwa ein Viertel weniger Umsatz machen“, verkündete DFL-Geschäftsführer Christian Seifert.
In der vorherigen Spielzeit baute sich für die 18 Erstligavereine bereits ein Gesamtverlust von 155,6 Millionen Euro auf. Es fehlen Zuschauer, die Einnahmen aus TV-Vermarktung und Sponsoring sind leicht rückläufig. Da wirken Probleme mit dem Kartellamt krisenverschärfend.
Zumal die Behörde erkennbar auch die Verhältnisse beim Topklub RB Leipzig kritisiert, wo der Red-Bull-Konzern de facto die Macht mit wenigen Vertretern bei einem bestehenden Verein übernahm. Es bestünden Hinweise, schrieb das Kartellamt der DFL, „dass in der Vergangenheit auch eine Lizenzvergabe an Klubs erfolgt ist, die nicht im Sinne des klassischen Sportvereins offen für stimmberechtigte Neumitglieder sind“. In diesem Falle erschiene das Regelwerk „lückenhaft“.
Kritik am Kartellamt vonseiten der Investorenklubs
Elf wichtige Punkte führen die Manager der drei Investorenklubs in ihrem Brandbrief aus. Darin sparen sie nicht mit Kritik am Kartellamt, das sich „wohl auch nicht ansatzweise“ mit den DFL-Leitlinien von 2014 befasst habe. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob „rechtlich haltbare Schlüsse“ daraus gezogen worden seien.
Die Behörde übernehme „weitgehend unreflektiert die Ausführungen der DFL insbesondere zur sogenannten ,Vereinsprägung‘ der Bundesliga“. Die aufgeschreckten Chefs der drei Klubs fragen sich, „ob die Durchführung eines vereinsgeprägten Sportwettbewerbs Zweck des Spielbetriebs der professionellen Fußball-Bundesliga ist – jedenfalls aus Sicht der Unterzeichner nicht, denn sie nehmen ja an diesem Wettbewerb in legitimer Weise teil“.
Hält sich das deutsche Sondermodell, das die Einheit von Profis und Amateuren hochhält? Oder setzt sich mehr Marktradikalität durch, so wie in England, Spanien und Italien? Dort sind die Stadien zum Tummelplatz für spanische Baulöwen, chinesische Konzerne, arabische Staatsfonds, russische Oligarchen und amerikanische Milliardäre geworden. Andererseits zeigt der FC Bayern München, wie man auch mit der 50+1-Regel reüssiert. Der deutsche Rekordmeister – Minderheitsgesellschafter: Adidas, Allianz, Audi – machte selbst 2019/20 unter dem Strich fast zehn Millionen Gewinn.
Experte Rettig: „Wir müssen verhindern, dass alle Schleusen für einen exzessiven Kapitaleinsatz im deutschen Fußball geöffnet werden. Wer will hier schon englische Verhältnisse haben?“
Gegen Ende enthält der Brief von Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim auch offensichtliche Drohpassagen. Würde sich das Kartellamt durchsetzen und die DFL eine 50+1-Regel ohne Ausnahme beschließen, „sind wir dazu gezwungen, dem entgegenzutreten, denn dann steht unser Teilnahmerecht, mithin unsere Existenz, infrage“.
Und das könne womöglich dazu führen, „dass wir künftig gar keine 50+1-Regel mehr im deutschen Fußball haben werden“. Man sei jetzt aufgefordert, „gemeinsam einen Weg zu finden, der uns und unser Existenzrecht schützt“. Dieser Weg müsse zu einem Ergebnis führen, „das jede Form von Streit bestmöglich vermeidet und Schaden von der Bundesliga abwendet“. Der Schaden ist bereits da.
Mehr: Die 50+1-Regel soll den Einfluss externer Investoren auf Bundesligaklubs begrenzen
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