Profilfußball Die neue Bundesliga-Saison ist wirtschaftlich herausfordernd wie nie

Sein Klub machte zuletzt 73 Millionen Euro Verlust.
Düsseldorf, München Die jüngsten Nachrichten aus Paris haben bei deutschen Fußballklubs nur Kopfschütteln ausgelöst: Nach dem Zugang des argentinischen Megastars Lionel Messi vom FC Barcelona verdient allein der Drei-Mann-Sturm von Paris Saint-Germain, zu dem noch Neymar und Kylian Mbappé gehören, jährlich mehr als 200 Millionen Euro brutto. Die Vermögenskonten des Eigentümers, des Emirats Katar mit seinem Staatsfonds, machen es möglich.
In der heimischen Bundesliga dagegen liegt der gesamte Personalaufwand aller Topvereine jeweils unter dem Pariser Stürmersalär – FC Bayern und Dortmund ausgenommen.
Mit einer Mischung aus Demut, neuer Bescheidenheit, aber auch Reformwillen startet die Bundesliga an diesem Freitag in die neue Saison. Ökonomisch ist sie herausgefordert wie noch nie seit Gründung 1963. Die fetten Jahre waren im Grunde schon 2019 vorbei, dann kamen Corona mit Geisterspielen sowie die Institutionenkrise des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) mit seinem Führungschaos.
Im „Wirtschaftsreport 2021“ weist die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die Vereinigung der 36 Profiklubs, einen Umsatzrückgang von 5,7 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro aus. Nettoverlust für die 18 Erstligisten: 155,6 Millionen Euro. Diese Zahlen für die Saison 2019/20 fallen für die Spielzeit 2020/21 noch dramatischer aus: ein Umsatzminus von 25 Prozent.
Hatten schon 2019/20 nur fünf Erstligisten Gewinn ausgewiesen, so heißt es jetzt bei allen Klubs: SOS. Selbst Borussia Dortmund, das es bis ins Viertelfinale der gut dotierten Champions League brachte, meldet 73 Millionen Euro Gesamtverlust. Allenfalls Rekordmeister Bayern München könnte es geschafft haben, nach zehn Millionen Euro Gewinn zuvor wieder in den schwarzen Zahlen gelandet zu sein.
In diesen harten Zeiten sucht der Fußball nach neuen Regeln, Rezepten – und einer Neuerfindung. Überall gelten die Zwänge des Krisenmanagements. So prescht der Erstligist 1. FC Köln in der Corona-Frage mit der Idee vor, nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion zu lassen.
Klubs setzen auf Reformen
„Der Wunsch nach Zuschauern in unseren Sportstätten betrifft nicht nur den Profifußball“, sagt Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Sie selbst tendiere zur 2G-Regelung wie in Köln. Dass Borussia Dortmund auch 1000 Kinder und Jugendliche ins Stadion lassen will, erscheint ihr als „gute Lösung im Sinne der Familien“ und als verantwortbarer Anreiz für nicht geimpfte Fans, „ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken“.
Der 1. FC Köln, zuletzt Abstiegskandidat, gehört zu den Klubs, die auf Reformen setzen. Man entwickelte einen „Matchplan“, um in die Top Ten aufzusteigen. Das gezielte Bearbeiten von zehn „Spielfeldern“ soll jährliche Mehrerlöse von 30 Millionen Euro für den Spielerkader bringen. Kein Thema ist – anders als in vielen Klubs – der Verkauf von Anteilen an Investoren.
„Manche Bundesligaklubs können in der Frage professioneller Strukturen sicherlich zulegen, da läuft viel über Gefühl“, sagt Vizepräsident Carsten Wettich. Die Liga sei mittlerweile eine „Zweiklassengesellschaft“: Oben spielten ein paar Vereine die internationalen Startplätze aus, „dahinter beginnt der Abstiegskampf“.
Um mehr Wettbewerbsgerechtigkeit geht es derzeit auch in den vielen Gesprächen rund um die „50+1“-Regel: Sie garantiert im deutschen Profifußball eine Stimmenmehrheit der Vereinsmitglieder. Das Bundeskartellamt toleriert diese Norm, stört sich aber daran, dass für die Investorenklubs VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und TSG Hoffenheim Ausnahmen gemacht wurden.
Am Ende könnte sogar das Aus für „50+1“ stehen, eines „Erfolgsfaktors der Bundesliga“ laut Manager Wettich. Die Liga müsse „solidarisch eine Übergangsregelung finden“.

Aufsteiger Bochum ist erstmals seit 2010 wieder erstklassig. Die Klubs sind dringend auf Zuschauereinnahmen angewiesen.
Der deutsche Fußball steche international heraus, weil die Leute begeistert ihrem Verein folgen, sagt Thomas Röttgermann, Chef des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf: „50+1 muss bleiben“. Nach dem Abstieg der Traditionsklubs Schalke 04 und Werder Bremen aus dem Oberhaus bietet die Zweite Liga jetzt etliche „Superspiele“ früherer Meister.
Das könnte spannungsreicher als die erste Liga sein, wo München zum zehnten Mal hintereinander Meister werden könnte. Auch hier beschränkt man sich und holte „nur“ Dayot Upamecano für 42,5 Millionen Euro aus Leipzig.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ligen stehe die Bundesliga finanziell auch nach anderthalb Jahren Pandemie gut da, sagen Stephan Althoff und Jana Bernhard. Der Vorstandschef und die Geschäftsführerin der Sponsorenvereinigung S20 (unter anderem Adidas, Telekom, SAP) kennen das Problem, dass leere Ränge fehlende Stimmung und Erlöse bedeuten.
„Doch die Sponsoren haben den Klubs weiterhin die Treue gehalten, fehlende Leistungen aus dem Ticketing wurden häufig im digitalen Bereich kompensiert, etwa über die Social-Media-Kanäle der Klubs“, sagt Althoff. Die digitalen Kanäle der Klubs hätten im Lockdown an Bedeutung gewonnen.
Klubs sollen nachhaltiger und glaubwürdiger agieren
Die Sponsorenvereinigung S20 publiziert an diesem Freitag ein „Whitepaper“, mit dem sie die Profivereine in Sachen Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit stärker in die Pflicht nimmt. „Ökonomisches Wirtschaften, Good Governance, Klimaschutz, aber auch Inklusion und Frauenförderung, das alles sind Themen, die in Firmen längst zum Standard gehören. Der Sport hat da Nachholbedarf“, sagt Althoff. Wenn der Ruf eines Klubs oder eines Verbands leide, schade es dem Sponsor.
Immerhin noch 1,1 Milliarden Euro jährlich erlöst die Liga aus der TV-Vermarktung. Neben Daueranbieter Sky, früher Premiere, darf jetzt der Streamingdienst Dazn die Livespiele am Freitag und Sonntag exklusiv zeigen.
Doch das TV-Geld reicht nicht, Cost Cutting ist das Gebot der Stunde. „Alle Klubs schauen, wie sie bei den Personalkosten gegensteuern“, sagt Ex-DFL-Chef Andreas Rettig, heute Manager des Drittligisten Viktoria Köln. 30-Mann-Spielerkader seien passé, jetzt plane man mit 22 festen Kräften und fülle mit Nachwuchsspielern auf.
Angesichts der Pandemie sei „weiterhin ein äußerst wirtschaftliches Handeln zwingend erforderlich“, sagt Christian Seifert, DFL-Chef auf dem Absprung. Sein Elan nutzte sich im permanenten Zwist mit dem DFB ab. Und in der DFL-Mitgliederversammlung scheiterte der Plan, Private-Equity-Firmen wie CVC oder KKR für eine halbe Milliarde Euro an der eigenen Auslands-Vermarktungstochter zu beteiligen.
Als Nachfolger Seiferts wurde von „Bild“ bereits die frühere Verlagschefin des Boulevardblatts, Donata Hopfen, genannt. Andere Wunschkandidaten sagten ab. Fußball ist derzeit ein harter Job – man kämpft nicht nur um Punkte, sondern gegen die Pleite.
Mehr: Fortuna-Düsseldorf-Chefs: „Wir brauchen einen Neuanfang beim DFB“
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