Mutmaßlicher Millionenbetrug Hendrik Holt: Staatsanwaltschaft erhebt weitere Anklage im Fall des mutmaßlichen Windkraftbetrügers

Der Angeklagte soll mit fingierten Windparkprojekten Investitionen in Millionenhöhe eingesammelt haben.
Berlin, Düsseldorf Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat im Falle des mutmaßlichen Windkraftbetrügers Hendrik Holt eine weitere Anklage erhoben. Das bestätigte ein Sprecher dem Handelsblatt am Donnerstag. Die Anklage richtet sich gegen den 31-jährigen Holt, seine Mutter, seine Schwester, seinen Bruder und Heinz L., den ehemaligen Finanzdirektor der Holt Holding.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, Tschechiens staatlichem Energieversorger CEZ Windparkprojekte verkauft zu haben, die nur auf dem Papier existierten. Der Schaden soll sich auf 4,4 Millionen Euro belaufen. Zu den Geschädigten gehört auch die deutsche Tochtergesellschaft der WEB-Gruppe aus Österreich. Auf sie soll jedoch lediglich ein Schaden von 90.000 Euro entfallen.
Die Staatsanwaltschaft hatte Mitte April eine erste Anklage im „Verfahrenskomplex Windpark“ erhoben. Dabei ging es um Projekte, die Holt dem italienischen Energiekonzern Enel und dem schottischen Versorger SSE verkauft hatte und die teilweise sogar identisch waren. CEZ eingerechnet, beläuft sich der Schaden auf mehr als zehn Millionen Euro. Es handelt sich um den wohl größten Betrugsversuch, den die Branche in den vergangenen Jahren erlebt hat.
383 Seiten dicke Anklageschrift
Eine Sprecherin des Landgerichts Osnabrück teilte mit, dass die 383 Seiten lange Anklageschrift zunächst zugestellt werden müsse, „bevor über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden werden kann.“ Sollte das Verfahren eröffnet werden, sei geplant, beide Anklagen gemeinsam zu verhandeln. Mit einem Prozess ist nicht vor Mitte August zu rechnen.
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Hendrik Holt war noch keine 30 Jahre alt, als er erstmals in der Windenenergiebranche Geschäfte einfädelte. Der Emsländer präsentierte sich als erfolgreicher Jungunternehmer, der mit Windkraftprojekten ein Vermögen verdiente. Er trug Rolex, fuhr Bentley und ließ sich in Pressemeldungen seiner PR-Agentur zu angeblichen Projekten in Andorra und Simbabwe mit einem falschen Doktortitel zitieren.
Dann flog der mutmaßliche Schwindel auf. Eine mehr als 20 Mann starke Ermittlungsgruppe hat in den vergangenen Monaten mehr als 1000 gefälschte Unterschriften entdeckt, unter anderem auf Pachtverträgen und Gemeindeschreiben. Im April 2020 schlug die Staatsanwaltschaft zu. Polizisten nahmen Holt im Berliner Nobelhotel Adlon fest.

Die Polizeibeamten beschlagnahmten bei der Familie Holt zahlreiche Luxusautos, teure Uhren, Schmuck und Bargeld.
Zeitgleich verhafteten sie bei Razzien in vier weiteren Bundesländern seine Mutter, seine Schwester und seinen Bruder. Finanzdirektor Heinz L. konnte sich in die libanesische Hauptstadt Beirut absetzen. Die Behörden lieferten ihn jedoch im September aus. Er sitzt genauso wie Holt in Untersuchungshaft.
Hendrik Holt hat die Vorwürfe des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs laut Staatsanwaltschaft Ende November vollumfänglich eingeräumt. Auch seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder hätten Geständnisse abgelegt. Holts Verteidiger Maximilian Pancic aus Hamburg wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Vermögen im siebenstelligen Bereich gefunden
Seit Donnerstag ist auch bekannt, an wen sich die Gläubiger von Hendrik Holt wenden können. Im Rahmen der „Kriminalinsolvenz“ habe das Amtsgericht Oldenburg das zentrale Insolvenzverfahren am 28. Juni eröffnet, teilte die Kanzlei WillmerKöster mit. Zum Insolvenzverwalter habe das Gericht Malte Köster aus Bremen bestellt. Auch bei weiteren Mitgliedern der Familie Holt ist Köster – je nach Verfahrensstadium – als Insolvenzverwalter oder vorläufiger Insolvenzverwalter im Einsatz.
Köster rekonstruiert seit September 2020 die Vermögensposten der Holts und damit verbundene internationale Transaktionen. Bislang hätte sein Team mehr als 35.000 Seiten an Unterlagen digitalisiert, sagte der Insolvenzverwalter. „Insgesamt werten wir aus den forensischen Datensicherungen Material aus, das rund 24 Terabyte an Speicherkapazitäten umfasst.“
Dabei sei es gelungen, Vermögenswerte im niedrigen siebenstelligen Bereich zu ermitteln, teilte Köster mit. Demgegenüber stehen derzeit Verbindlichkeiten von mehr als zehn Millionen Euro. Die Suche nach Holts Vermögen ist noch nicht abgeschlossen. Köster analysiert auch Finanzströme in „einschlägig bekannten Steueroasen“, in denen der Emsländer Gelder geparkt haben soll.
Köster hat noch viele offene Fragen. Er setzt auf die Kooperation des Angeklagten, der zurzeit in der JVA in Oldenburg auf seinen Prozess wartet. „Wir hoffen hierzu in den weiteren anstehenden, persönlichen Gesprächen mit Herrn Holt auf nähere Hinweise, um den Weg der Gelder nachvollziehen zu können.“
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