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Adidas-Chef Rorsted im Interview „Lieber Sport als nachts in die Bar“

Kasper Rorsted feiert mit Adidas das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte. Im Gespräch erklärt der Chef des Sportkonzerns, warum Morgengymnastik vor Skandalen schützt, wie er Schuhe in den Läden produzieren will und wieso der US-Markt so zentral ist.
17.11.2017 - 06:00 Uhr Kommentieren
Der Adidas-Chef verspricht in spätestens fünf Jahren individuell gefertigte Schuhe aus den Sportläden. Quelle: Sebastian Widmann
Kasper Rorsted

Der Adidas-Chef verspricht in spätestens fünf Jahren individuell gefertigte Schuhe aus den Sportläden.

(Foto: Sebastian Widmann)

Herzogenaurach Es läuft gerade – nicht nur für Kasper Rorsted persönlich, sondern auch für sein Unternehmen – und sogar sein Land: Die Fußball-Elf seiner dänischen Heimat hat sich am Abend vor dem Interview 5:1 gegen Irland durchgesetzt und ist damit bei der Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Russland dabei. Außerdem kann Adidas unter Rorsteds Ägide dieses Jahr das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte feiern. Der Umsatz wird zwischen 17 und 19 Prozent zulegen. Und dann hatte er auch noch direkt vor dem Besuch der Handelsblatt-Redakteure einen seiner Werbe-Weltstars zu Besuch in seinem Herzogenauracher Büro: Kris Bryant von den Chicago Cubs ¬ womit wir direkt beim Thema wären: dem ebenso gewinnträchtigen wie anstrengenden US-Markt.

Herr Rorsted, die USA steht für ein Drittel des Weltsportmarktes. Im Adidas-Umsatz ist das Land bislang aber nur mit 20 Prozent vertreten. Wie wollen Sie die Lücke schließen?
Im Gegensatz zu unseren Wettbewerbern wachsen wir dort seit zwei Jahren sehr stark. In den ersten neun Monaten hatten wir mit adidas in Nordamerika ein Plus von 33 Prozent. Unser Marktanteil ist also schon enorm gewachsen. Und das bauen wir weiter aus, während die anderen verlieren. Unser Angriff kommt dabei über zwei Flanken: einerseits über Disziplinen wie etwa Running oder Fußball, der auch in Übersee wächst, andererseits über die traditionellen US-Sportarten wie Basketball, Football und Baseball.

Dafür braucht man als Werbeträger auch Stars wie Kris Bryant, der gerade hier war…
… und daneben braucht es natürlich auch tolle Produkte. Beides ist notwendig.

Adidas steht glänzend da, Ihre US-Tochterfirma Reebok hingegen kommt nicht vom Fleck. Warum verkaufen Sie nicht?
Ich sehe das anders: Reebok hat in punkto Profitabilität schon große Fortschritte gemacht. Nun muss die Marke auch wieder in Amerika wachsen. Das wird nächstes Jahr geschehen.

Reebok gehört immerhin seit elf Jahren zum Konzern.
Eben. Die Probleme kamen nicht in einem Jahr, und sie sind auch nicht in einem zu lösen. Ich bin aber überzeugt, dass Reebok zukünftig zum Erfolg unseres Unternehmens beitragen wird. Was anderes war es mit dem Golf-Geschäft. Das passte einfach nicht zu Adidas. Deshalb trennten wir uns davon.

Wie nachhaltig sind die hohen Wachstumsraten von Adidas in den USA wirklich?
Wir sind heute viel breiter aufgestellt als je zuvor, auch wenn ein 30-prozentiges Plus sicher nicht langfristig durchzuhalten ist. Aber Basketball zum Beispiel macht bislang nur 1,7 Prozent unserer globalen Umsätze aus. Da geht also noch was. In den US-Paradesportarten wollen wir schon bei der Nachwuchsförderung anfangen. In den USA läuft das ja ganz anders, über die Highschools und Colleges. Unseren Einfluss dort haben wir in den vergangenen fünf Jahren deutlich erweitert.

Ausgerechnet Adidas ist gerade in eine Bestechungs-Affäre rund um die College-Basketball-Liga verwickelt. Haben Sie schon Erkenntnisse darüber, wie Ihre Leute da reingeraten konnten?
Ich kann nur sagen, dass wir mit den US-Behörden voll umfänglich zusammenarbeiten.

Laut FBI soll ein Adidas-Mitarbeiter der Familie eines jungen Basketball-Talents 100.000 Dollar zugeschoben haben, obwohl die jungen Sportler offiziell nichts verdienen dürfen. Es geht gar um Geldwäsche und Verschwörung.
Wir sind entschlossen, diese Angelegenheit vollständig aufzuklären. Für uns untersucht ein externe Rechtsanwaltskanzlei nun alle Vorgänge. Ich werde jeden Tag über die Fortschritte informiert.

Haben Sie Ihren amerikanischen Kollegen vielleicht derart hohe Ziele aufgegeben, dass die ohne Schmiergelder gar nicht zu erreichen sind?
Nein. Es gibt keine direkte finanzielle Entlohnung für den Abschluss individueller Partnerschaften.

Täuscht der Eindruck, oder interessiert zumindest die Kunden der Skandal gar nicht?
Diese Geschichte belastet unsere Expansion jedenfalls nicht. Wir hatten ein großartiges Jahr mit adidas in Nordamerika und wir erwarten nicht, dass diese Situation Einfluss auf unser Geschäft hat.

Eine andere Debatte, die in den USA ihren Ausgang nahm, schlägt dagegen globale Wellen: die Affäre um die sexuellen Belästigungen des einstigen Star-Produzenten Harvey Weinstein. Mittlerweile werden auch Filmstars, Silicon-Valley-Größen und das halbe britische Parlament sexueller Übergriffe beschuldigt. Nur noch eine Frage der Zeit, bis das Thema den Sport erreicht?
Zwei Milliarden Menschen treiben weltweit Sport, hunderttausende fungieren dafür auch als Leistungs- und Werbeträger. Da will ich nicht für jeden Athleten die Hand ins Feuer legen, dass er sich immer auch ordentlich benommen hat. Es wäre naiv, ganze Branchen freisprechen zu wollen oder andersrum ein pauschales Urteil zu fällen.

Es vergeht kaum noch ein Tag ohne neue Täter und Anklägerinnen.
Und ich will nichts beschönigen. Auch im Sport dürfte es schlechte Beispiele geben. Wie im Journalismus vielleicht auch? Genauso will ich aber niemanden unter Generalverdacht stellen. Die Vereinigten Staaten neigen da bisweilen zu gewissen Extremen: Mal ist man ein Gott, mal der Teufel. Das Filmgeschäft ist da vielleicht ohnehin noch ein bisschen anfälliger als unseres.

Sie haben nicht nur Athleten als Werbepartner, sondern zum Beispiel auch Musiker wie Kanye West. Rapper leben geradezu von ihrem Ruf als böse Jungs. Muss man sich da mitunter Sorgen machen als CEO, was das Image angeht?
Kreative Menschen ticken anders, deshalb finden wir sie ja auch toll. Wenn wir als Adidas nur auf Nummer Sicher spielen würden, hätten wir zum Beispiel nie in China expandiert. Und um wieder zu Kanye West zu kommen: Diese Partnerschaft hat uns bisher sehr bereichert.

Ab welchem Skandal-Niveau landen die Eskapaden einer Werbe-Ikone auf Ihrem Schreibtisch?
In meinen 16 Monaten hier habe ich keinen Ärger erlebt.

Was wäre schlimmer für einen Konzern wie Ihren: ein Sportler, der dopt, oder einer, der Frauen belästigt?
Mit solchen Fragen beschäftige ich mich keine Sekunde. Sport ist zunächst mal ein sehr positiv besetzter Begriff. Es ist unser Job, dass dies so bleibt.

Auch Trainer gerieten in diversen Disziplinen schon früher öfter mal ins Gerede, weil sie Schutzbefohlene missbraucht haben sollen…
… was auch nichts mit uns zu tun hat.

Aber vielleicht spürt Ihr Unternehmen ja doch eine Verantwortung mitzuhelfen, dass der Sport so sauber bleibt, wie wir alle ihn gerne hätten.
Das Thema Diversity treibt Adidas wie auch mich ganz persönlich seit Jahren um und hat einen hohen Stellenwert im Unternehmen. Diversity unter anderem im Sinne von Hautfarbe, Geschlecht, Alter und Nationalität. Zu all dem gibt es bei uns auch Initiativen und Workshops. Als global operierendes Unternehmen müssen und wollen wir diese unterschiedlichsten Kulturen und Sichtweisen ja in unseren eigenen Wertekanon einbauen…

… den es demnach gibt.

Natürlich: Werte, Führungsverhalten, Bewertungssystem, Compliance. Wer Teil der Adidas-Familie sein will, muss gewisse Grundregeln akzeptieren. Das gilt auch für das Verhalten der Geschlechter zueinander.

Adidas hat sicher eine der jüngsten Belegschaften von Konzernen Ihrer Größenordnung.
Das Durchschnittsalter der Adidas-Mitarbeiter liegt bei 31. Dass die Herausforderungen aber beim Einrichten gemischter Teams nicht aufhören, sondern überhaupt erst beginnen, hat nichts mit dem Alter zu tun. In einem global operierenden Konzern wie Adidas können sich manchmal sehr unterschiedliche Sichtweisen gegenüberstehen.

Wir ahnen, dass ihre Kollegen und Kolleginnen etwa aus Russland oder dem arabischen Raum unter anderen Wertvorstellungen erzogen wurden.
Und da muss vieles im täglichen Miteinander immer neu verhandelt werden. Aber wir wollen nun mal in Russland russische und in China chinesische Mitarbeiter haben. Andererseits sollten wir uns davor hüten, mit unseren westlichen Standards unbedingt immer den Rest der Welt beglücken zu wollen. In Peking zum Beispiel ist der Führungsstil ein anderer als in Herzogenaurach. Und das hat nicht mal mit Genderfragen zu tun. Wir dürfen nicht nur die Gemeinsamkeiten sehen und pflegen, sondern müssen auch die Unterschiede akzeptieren.

Sie haben gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit hier gesagt, Sie wollen Frauen fördern. Wie läuft’s?
Wir haben schon ein paar Prozentpunkte zugelegt, was weibliche Führungskräfte angeht. Dennoch dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass die meisten großen Unternehmen da noch Defizite haben. Auch wir. Die Reise hat gerade erst begonnen. Ich selbst bin Mentor von drei Kolleginnen aus China, den USA und Deutschland. Jeden Monat setzen wir uns zusammen. Für uns alle sind die Debatten und das Feedback da spannend.

Haben Sie in dieser Runde auch schon über Weinstein und die Folgen gesprochen?
Nein, und das ist hier auch kein Kantinenthema, würde ich behaupten. Wissen Sie, was da als Prophylaxe schon hilft?

Na?
Dass man nicht nachts noch an der Bar rumhängt, sondern sich lieber morgens um sechs Uhr beim Sport trifft. Es ist eine Frage der Unternehmenskultur.

Sie haben Karen Parkin als Personalchefin in den Vorstand geholt. Was ist deren Ziel?
Karens Ziel ist es, Mitarbeiter zu finden und weiterzuentwickeln, die zu unserer Unternehmenskultur passen und uns dabei helfen, das beste Sportartikelunternehmen zu werden. Und natürlich wollen wir mehr Frauen in Führungspositionen haben.

Adidas ist seit Jahrzehnten Sponsor des skandalträchtigen Weltfußballverbandes Fifa. Drücken Sie da beide Augen zu, weil der Fußball einfach zu wichtig fürs Geschäft ist?
Nein, für die Fifa gelten die gleichen Regeln wie für alle unsere Partner. Es hat sich auch schon einiges zum Positiven gewendet. Schade ist nur, dass die WM so groß geworden ist mit bald 48 Teams . Das haben wir der Fifa auch gesagt.

2018 findet die Fußball-WM in Russland statt, 2022 dann in Katar. Sind Sie glücklich mit solchen Nationen als Austragungsort?
Ob ich das gut oder schlecht finde, ist egal. Wir müssen das so hinnehmen. Persönlich bin ich seit 15 Jahren sehr gerne in Russland. In jedem Fall werde ich zum Eröffnungsspiel fahren und mir auch viele andere Partien anschauen. Ich bin mir sicher, dass es eine gut organisierte Veranstaltung wird.

Ihr Geschäft in Russland schrumpft seit Jahren. Wird die WM das ändern?
Dass es nicht gut läuft in Russland, hat zwei Gründe: den niedrigen Ölpreis und die Wirtschaftssanktionen. Andererseits ist Russland natürlich nach wie vor attraktiv, das Land hat fast doppelt so viele Einwohner wie Deutschland, steht aber aktuell nur für 2,8 Prozent unseres Umsatzes.

Adidas ist zuletzt im Laufbereich gewachsen, bei Outdoor sowie in der Sportmode. Fußball hingegen ist geschrumpft. Nimmt die Bedeutung für Sie ab?
Nein, Fußball gehört zum Kern von Adidas. Kein Sport ist so global, fast alle Menschen haben doch irgendwann einmal Fußball gespielt. Aber klar, wenn unser Fußballgeschäft stagniert und der Rest kräftig wächst, nimmt der prozentuale Anteil ab. Dass es im Fußball dieses Jahr bislang nicht so schnell voranging, lag nicht zuletzt daran, dass es kein großes Turnier gab. Das ändert sich auch wieder. Wir sind klarer Marktführer, im Schuh-Bereich wachsen wir, das Geschäft mit den WM-Trikots der Nationalmannschaften geht gerade wieder los, und auch die Bälle sind nun im Handel.

Wachsen wollen Sie vor allem im Online-Geschäft, dem Sie bis 2020 eine Zielvorgabe von vier Milliarden Euro Umsatz gesetzt haben. Das ist das Vierfache des letzten Jahres. Wie soll das zu schaffen sein?
Was sich Online tut, ist schlicht gigantisch. Wir haben allein am 11. November, dem „Singles‘ Day“ in China und zugleich wichtigsten Online-Shoppingtag weltweit, mehr als 100 Millionen Euro Umsatz erzielt. An einem einzigen Tag! In einem einzigen Land! Das zeigt die riesigen Online-Möglichkeiten für uns. Daher haben wir auf diesem Feld dieses Jahr auch 200 Mitarbeitern zusätzlich eingestellt.

Digital verkaufen können Sie also. Doch in Ihren Turnschuhen und Kleidern findet sich praktisch keine Elektronik. Fällt Ihnen da nichts ein?
Sensoren einbauen, das können wir schon lange. Der Durchbruch wird aber erst mit einer App kommen, die deutlich mehr bietet als heutige Sportuhren oder Smartphones. Bislang ist da noch nichts in Sicht. Technisch viel bedeutender ist für uns derzeit der 3D-Druck.

Warum das?
Dieses Jahr produzieren wir 5.000 Paar Schuhe mit individualisierten Sohlen aus dem 3D-Drucker. Nächstes Jahr werden es mehr als hunderttausend Paar sein. Das ist schon ein Durchbruch, denn da bekommt der Konsument ein maßgeschneidertes Produkt. Doch das ist noch nicht alles.

An was denken Sie noch?
Die Produktion lässt sich bald schon in die Shops verlagern. Dann wird das noch viel interessanter, weil ein Marktsegment entsteht, das es jetzt noch gar nicht gibt. Für diese Schuhe werden die Leute bereit sein, wesentlich mehr zu bezahlen.

Das dauert aber noch, oder?
In drei bis fünf Jahren wird es soweit sein, dass die Kunden ihre maßgefertigten Schuhe direkt im Laden mitnehmen können.

Herr Rorsted, vielen Dank für das Interview.

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