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Deutsche Bahn „Das ist nicht zu schlichten“: GDL-Chef Weselsky eskaliert Streit mit der Bahn – Streik ab Samstag

Fünf Tage lang sollen die Züge stehen, zunächst im Güterverkehr, ab Montag auch im Personenverkehr. Firmen fürchten Lieferengpässe.
20.08.2021 Update: 20.08.2021 - 13:50 Uhr 6 Kommentare
Der GDL-Chef kündigte am Freitag neue Streiks an. Quelle: Reuters
Claus Weselsky

Der GDL-Chef kündigte am Freitag neue Streiks an.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Die Lokführergewerkschaft GDL holt im festgefahrenen Tarifstreik eine erste Bazooka heraus. Zum zweiten Mal ruft sie die Gewerkschaftsmitglieder zu einem Streik auf – gleich für gut vier Tage. Ab Samstag 17 Uhr soll zunächst der Güterverkehr bestreikt werden, ab Montagfrüh treffe es dann auch den Personenverkehr, sagte Gewerkschaftschef Claus Weselsky am Freitag in Berlin. Enden soll der Ausstand am Mittwoch um 2 Uhr.

Sollte sich das Bahn-Management nicht bewegen, werde der nächste Streik noch heftiger werden, drohte der GDL-Chef: „Wir haben erneut Rücksicht auf das vor uns liegende Reisewochenende genommen. Das werden wir in Zukunft nicht mehr gewährleisten können.“

Reisende und Unternehmen müssen sich damit erneut auf heftige Verwerfungen einstellen. Beim ersten, gut zweitägigen Streik in der vergangenen Woche hatte die GDL große Teile des Bahnverkehrs lahmgelegt. 300 Güterwagen waren vorübergehend stehen geblieben.

Vor allem die Branchen Chemie, Stahl und Auto hängen stark am Schienengüterverkehr. In Erwartung neuer Streiks haben sie sich bereits Zugriff auf alternative Transportmittel gesichert – Lkws und private Anbieter auf der Schiene. Doch auf der Straße sind die Kapazitäten begrenzt. Im privaten Schienengüterverkehr wiederum sind viele Anbieter an lang laufende Verträge gebunden, haben also auch nicht unbegrenzt Möglichkeiten, einzuspringen.

Hinzu kommt: Die GDL hat nicht nur Mitglieder in den Loks und Triebwagen. Auch Bahner, die in der Infrastruktur arbeiten, etwa in den Stellwerken, haben sich für die GDL als Arbeitnehmervertretung entschieden. „9000 Eisenbahner aus allen Berufen sind beim letzten Streik dabei gewesen“, sagte Weselsky. Legen sie alle erneut ihre Arbeit nieder, könnte es an einigen Netzknoten zu Störungen kommen, von denen auch die privaten Bahnen betroffen wären.

Treibt der Streik die Infektionszahlen?

„Eine Unterbrechung der Lieferketten durch längere Streiks im Güterverkehr setzt die wirtschaftliche Erholung nach Corona aufs Spiel“, mahnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm: „In der Industrie sind empfindliche Produktionsausfälle zu erwarten.“

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Die Deutsche Bahn kritisiert in einem ersten Statement die erneuten Arbeitsniederlegungen als „völlig überflüssige Belastung unserer Reisenden und unserer Kunden im Güterverkehr“. „Statt den Mut zu haben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, treibt die GDL-Führung ihren gewerkschaftspolitischen Kampf um Ausweitung und Einfluss auf dem Rücken der Bahn-Kunden auf die Spitze“, sagte Personalvorstand Martin Seiler.

Wie schon beim ersten Streik will die Bahn in einem Ersatzfahrplan rund ein Viertel des Fernverkehrs aufrechterhalten. Auf zentralen Strecken etwa zwischen Berlin-Köln, Hamburg-Köln, Hamburg-Frankfurt oder München-Stuttgart sollen die Fernzüge im Zwei-Stunden-Takt fahren. Zwischen München und Berlin sagt der Konzern mehrere Fahrten am Tag zu, gleiches gilt für die Strecke Berlin-Frankfurt. Im Nahverkehr sollen 40 Prozent der Züge fahren sein.

Sichtlich erbost reagierte GDL-Chef Weselsky auf Äußerungen des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Der hatte prognostiziert, dass die Bahn-Streiks wegen der prall gefüllten Züge die Infektionszahlen in die Höhe treiben werden. „Herr Lauterbach ringt sich dazu auf, die Rechte der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner mit Füßen zu treten. Das lässt tief blicken, wie Sozialdemokratie in diesen Zeiten funktioniert“, wetterte Weselsky.

Mit der Ankündigung neuer Arbeitsniederlegungen wächst der Druck auf das Bahn-Management, die festgefahrenen Tarifverhandlungen mit einem neuen Angebot wieder in Schwung zu bringen. Das aktuelle bezeichnet Weselsky als nicht verhandelbar. Die GDL werde sich nicht auf einen Tarifvertrag einlassen, wie er für die krisengebeutelten Flughäfen ausgehandelt worden sei. Weselsky verlangt mindestens ein Angebot wie im öffentlichen Dienst – ohne Krisenabschläge wie bei den Flughäfen.

Tatsächlich scheint in den Konflikt ohne ein nachgebessertes Angebot keine Bewegung zu kommen. Auch eine Schlichtung unter Leitung eines neutralen Moderators ist keine Möglichkeit. Sie wird von Weselsky kategorisch abgelehnt – unter Verweis auf den gescheiterten Schlichtungsversuch Ende vergangenen Jahres. „Was hier stattfindet, ist nicht zu schlichten“, so der GDL-Chef.

Auf Bahnreisende kommen wieder größere Einschränkungen zu. Quelle: dpa
Hauptbahnhof Frankfurt

Auf Bahnreisende kommen wieder größere Einschränkungen zu.

(Foto: dpa)

Auf den ersten Blick liegen die beiden Tarifpartner gar nicht weit auseinander. Der von Weselsky geforderte Tarifabschluss im öffentlichen Dienst sieht eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent vor. Das bietet die Bahn auch, allerdings über einen längeren Zeitraum gestaffelt. Das ist der GDL zu wenig, in der ersten Stufe sei das angesichts aktueller Inflationszahlen eine Nullrunde, wird argumentiert. Auch wolle die Bahn die Betriebsrenten kürzen, was aber wiederum vom Unternehmen bestritten wird.

Der Tarifstreit sorgt immer stärker für Konflikte und Auseinandersetzungen innerhalb der Bahn-Belegschaft. Klaus-Dieter Hommel, Chef der Gewerkschaft EVG, beklagte zuletzt mehrfach persönliche Angriffe gegenüber Mitgliedern der EVG. Die größere Gewerkschaft hatte mit der Bahn im vergangenen Jahr einen Krisentarifabschluss vereinbart.

GDL-Chef Weselsky wirft der EVG deshalb vor, zu wenig für die Mitarbeiter zu tun – auch in der Hoffnung, von dort Mitglieder zur GDL rüberziehen zu können.

Lokführer kündigen Streik im Personenverkehr ab Montag an

Denn der Konflikt wird von einem anderen Thema überlagert: der Sorge der GDL vor einem Bedeutungsverlust. Schuld ist das Tarifeinheitsgesetz. Es besagt, dass die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb den Tarifvertrag aushandeln darf. In den allermeisten der 300 Bahn-Betrieben ist das die größere EVG. Je länger der Konflikt dauern wird, desto größer ist die Gefahr einer Spaltung der Bahn-Belegschaft, die nur schwer zu heilen sein dürfte.

Spaltung im Gewerkschaftslager

Auch in der Gewerkschaftslandschaft zeichnet sich eine wachsende Spaltung ab. Während sich der Deutsche Beamtenbund (DBB) – die GDL ist hier Mitglied – mit der Lokführer-Gewerkschaft solidarisierte, sprach DGB-Chef Reiner Hoffmann der GDL gegenüber dem „Spiegel“ das Mandat für die Streiks ab. Sie habe in den allermeisten Betrieben der Bahn keine oder kaum Mitglieder. Der DGB ist die Dachorganisation der EVG.

Die EVG wiederum fühlt sich mittlerweile genötigt, gegenüber den Mitgliedern zu zeigen, dass auch sie im Zweifel mit Härte für die Bahner kämpfen wird. Gewerkschaftschef Hommel verweist mit Nachdruck auf die Klausel im bestehenden Krisentarifvertrag, wonach die EVG nachverhandeln kann, sollte die GDL an einigen Stellen mehr herausholen. Dieses Recht werde man zur Not auch mit Arbeitskämpfen durchsetzen.

Wegen des kaum lösbaren Konflikts werden Forderungen lauter, das Tarifeinheitsgesetz zu ändern. Doch auch das wäre keine schnelle Lösung, wie Enak Ferlemann, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, vor wenigen Tagen klarmachte: „Das Tarifeinheitsgesetz aufheben kann frühestens in der nächsten Legislaturperiode geschehen. Will man denn so lange einen Bahn-Streik haben? Das kann doch nicht sein.“

Mehr: Halten die Lieferketten? So rüsten sich Unternehmen für weitere Bahn-Streiks

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6 Kommentare zu "Deutsche Bahn: „Das ist nicht zu schlichten“: GDL-Chef Weselsky eskaliert Streit mit der Bahn – Streik ab Samstag"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Aus der Zeit gefallen.

  • das dieser Mann die Annehmlichkeiten der deutschen Vereinigung in Anspruch nehmen konnte, ist eine Schande.....ich hätte den nach Russland geschickt, wo dieses Individuum hin gehört.

  • Lockführer, der Traumberuf aus Opas Kindheit... Wenn Deutschland nicht in so vielem so rückständig wäre, bräuchten wir die längst nicht mehr. Es wird Zeit, dass die Bahn gründlich modernisiert wird, im Sinne von Pünktlichkeit, Servicefreundlichkeit, Gesundheits- und Umweltschutz. Menschen, die in einer aussterbenden Branche (Lockführer, Stellwerker) ausschließlich an sich selbst denken und mit Streiks darauf aufmerksam machen, dass man schleunigst ohne sie auskommen sollte, gehen (hoffentlich) nur umso schneller unter.

  • @ H.C.T.

    Absolut richtig!
    Herr Weselsky denkt hier absolut kurzfristig (aber langfristig hat er seine eigenen Schäfchen ja dann längst im Trockenen).
    Autonomes Autofahren ist hochkomplex - aber es macht eben dennoch Fortschritte! Rechtliche Probleme wird es da natürlich auch noch zahlreiche zu lösen geben: Was passiert, wenn der Autopilot versagt und etwa ein kleines Kind totgefahren wird? Wer wird bestraft? Oder gibt es gar keine Strafe? Aber das würde die Gesellschaft bestimmt nicht akzeptieren usw. usf.
    Weitaus weniger komplex ist aber autonomes Bahnfahren - oder auch Busfahren auf immer gleichen, festgelegten Strecken. Und selbstverständlich werden die Chefs der Verkehrsbetriebe bei solchen Streiks nicht weniger über solche Automatisierungen nachdenken, sondern natürlich mehr!!

  • So eine Gewerkschaftsvertreter braucht das Land. Selbstdarsteller ohne Gleichen. Alle Jahre wieder auf den Rücken der Bahnkunden. So gelingt die Wende

  • Wenn es ein Verkehrsmittel gibt, das automatisiert bestens funktioniert, dann sind das schienengebundene Verkehrs im planmäßigen Einsatz. Daß die Bahn hier auf Nachkriegsnieveau betrieben wird, zeigt einmal mehr die Verschleuderung volkswirschaftlich sinnvoller benötigter und einsetzbarer Mittel. Es muß schleunigst aufhören, daß Mininteressengruppen Mehrheiten in Geiselhaft und erpressen können. Zugführer werden kurzfristig nicht mehr gebraucht. Kann man in anderswo längst sehen. Bereits existierende KI ersetzt sie vollumfänglich, Signale müssen nicht physisch erkannt sondern, wie schon jetzt, digital übermittelt werden - zumal sie wie hinlänglich bekannt auch schon mal mit grauenhaften Folgen übersehen werden, als menschliche Fehlerkomponente. Warum das nicht gehen soll? Nun, keine höchstdotierten Versorungsjobs für ausrangierte Politiker, keine Signalanlagenbauer, usw. mehr, dafür pünktliche effiziente Mobilität zu erheblich günstigeren Preisen. Wer' s nicht will, alle die vom Eisenbahnmittelalter profitieren, politisch wir wirtschaftlich.

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