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Tarifkonflikt Halten die Lieferketten? So rüsten sich Unternehmen für weitere Bahn-Streiks

Ein neuer Ausstand der Lokführer könnte länger dauern. Autohersteller und Chemiekonzerne wie VW oder BASF suchen nach alternativen Transportmöglichkeiten. Einfach ist das nicht.
17.08.2021 - 16:38 Uhr Kommentieren
Der Chef der Lokführergewerkschaft Weselsky (rechts) am Dienstag bei der Kundgebung vor der Bahn-Zentrale: Weselsky droht mit erneuten Arbeitsniederlegungen bei der Deutschen Bahn. Quelle: Reuters
GDL-Chef Claus Weselsky

Der Chef der Lokführergewerkschaft Weselsky (rechts) am Dienstag bei der Kundgebung vor der Bahn-Zentrale: Weselsky droht mit erneuten Arbeitsniederlegungen bei der Deutschen Bahn.

(Foto: Reuters)

Düsseldorf, Frankfurt Es war eine überschaubare Zahl an Mitarbeitern, die am frühen Dienstagnachmittag vor dem Bahn-Tower in Berlin ihren Unmut kundtaten. Doch das machten sie lautstark. Die Lokführergewerkschaft GDL wollte mit dem Protest vor der Zentrale der Deutschen Bahn eine letzte Warnung an das Management des Staatskonzerns senden, bevor erneut gestreikt wird.

„Ihr wisst, dass wir dieses letzte Mittel wieder zum Einsatz bringen müssen, wenn das Management, unterstützt vom Eigentümer, sich weiter so verhält“, erneuerte GDL-Chef Claus Weselsky seine Streikdrohung, allerdings ohne einen neuen Streiktermin zu nennen. Am Nachmittag legte er im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ nach: „Wir werden die Streiks ausweiten“, kündigte Weselsky an. Die Bahn könne das nur noch mit einem raschen neuen Tarifangebot verhindern.

Für Fahrgäste und Unternehmen heißt das: Sie müssen sich erneut auf Störungen im Personen- und Güterverkehr einstellen – womöglich schon sehr bald. „Der Volkswagen-Konzern wird die weitere Entwicklung des GDL-Streiks genau beobachten und mit unseren Logistikpartnern entsprechende Anpassungen vornehmen beziehungsweise Alternativen umsetzen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Damit wolle man sowohl Produktion als auch Auslieferungen in den kommenden Wochen wie bisher sichern. Ähnlich ist die Situation bei Daimler: „Wir beobachten und evaluieren die Situation kontinuierlich in enger Abstimmung mit unseren Transportdienstleistern.“

Auch in der Chemie-Industrie rüsten sich die Verantwortlichen für einen neuen Ausstand der Lokführer. BASF etwa beobachtet die Lage bei der Bahn derzeit intensiv und lotet für den Fall weiterer Lokführer-Streiks Alternativen aus. Dazu gehört die Verlagerung der Logistik auf Lkw-Transporte und der Einsatz alternativer Bahnunternehmen, die nicht vom Streik betroffen sind.

BASF wickelt rund ein Drittel seiner Logistik über die Güterbahn ab. Am nördlichen Ende des riesigen Verbundstandorts in Ludwigshafen steht ein Kombiverkehrs-Terminal, über das Kunststoffe und Chemikalien auf Güterzüge verladen werden. Zwischen dem zentralen Standort und den großen Werken in Antwerpen sowie Schwarzheide nördlich von Dresden gibt es Direktverbindungen.

Ersatzkapazitäten in der Logistik sind begrenzt

Die erste Streikwelle in der zurückliegenden Woche hatte die Lieferketten noch nicht entscheidend gestört. „Aktuell hat die Situation keine Auswirkungen auf die Produktion“, sagte eine Sprecherin bei Daimler. Allenfalls von Verspätungen einiger Güterzüge ist in der Industrie die Rede. BASF rechnet auch in den kommenden Tagen wegen des bestehenden Rückstaus mit einigen Verzögerungen. Es habe bisher jedoch keine negativen Auswirkungen für das Unternehmen und dessen Kunden gegeben, sagte eine Sprecherin.

Doch bei einem erneuten und vor allem längeren Ausstand der GDL-Mitglieder könnte sich das schnell ändern. Dann wird es für die Logistikexperten in den Unternehmen nicht mehr so einfach, Alternativen zu DB Cargo, der Frachttochter der Bahn, zu finden.

Zwar hat DB Cargo im Schienengüterverkehr einen Marktanteil von rund 44 Prozent. Die privaten Anbieter sind also schon heute wichtige Dienstleister für viele Firmen, man ist nicht alleine auf die Deutsche Bahn angewiesen.

Doch bei den privaten Bahnen kurzfristig Zusatzkapazitäten in größerem Umfang zu buchen, dürfte nicht so einfach sein. Denn die sind an die bestehenden Verträge mit ihren Kunden gebunden. „So oder so gilt, dass Leistungen für die bisherigen Kunden Priorität haben“, macht Peter Westenberger vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), dem Verband der privaten Güterbahnen, deutlich.

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Auch die Verlagerung von der Schiene auf die Straße könnte sich für die Firmen als schwierig erweisen, weil die Kapazitäten der Lkw-Speditionen etwa für die hoch regulierten Chemietransporte knapp sind. Beim Chemieunternehmen Lanxess hat der jüngste Streik der Lokführer für Güter, die auf der Schiene unterwegs sind, zu durchschnittlich ein bis zwei Tagen längeren Lieferzeiten geführt.

„Die Kapazitäten im Straßentransport sind bereits sehr stark gefragt, sodass neue, mehrtägige Streiks die Situation deutlich verschärfen würden“, warnt man bei dem Konzern. Zwar will auch Lanxess alternative Bahnbetreiber nutzen. Die seien aber auch von den Streiks – zum Beispiel in Stellwerken – betroffen.

Tatsächlich hat die GDL in der ersten Streikwelle anders als beim letzten großen Streik 2014/2015 auch ihre Mitglieder in der Infrastruktur zum Ausstand aufgerufen. Fallen etwa in einem Stellwerk die Fahrdienstleiter aus, kann dort kein Zug rollen, auch keiner der privaten Güterbahnen.

In der vergangenen Woche waren im Netz noch keine massiven Störungen aufgetreten, was Westenberger vom NEE auch auf die Zurückhaltung der GDL in diesem Bereich zurückführt. Doch keiner weiß, wie lange die GDL diese Zurückhaltung beibehalten wird. GDL-Chef Weselsky ist bekannt dafür, seine Forderungen mit aller Macht durchzusetzen.

Störungen im Bahnnetz treffen auch Privatbahnen

In der ersten Streikwelle in der vergangenen Woche ist es den Unternehmen noch recht gut gelungen, sich Zugriff auf alternative Transporte etwa auf der Straße, aber auch der Schiene zu sichern. „Streikbedingt haben die Güterbahnen bereits einige zusätzliche Leistungen gefahren, die Nachfragen hielten sich aber in Grenzen“, berichtet Westenberger vom Privatbahnenverband NEE.

Das Chemieunternehmen Covestro verlagerte zudem Transporte von der Schiene auf die Straße. Die Logistik mit dem Lkw soll im Fall weiterer Streiks frühzeitig verstärkt werden, ebenso wie der Einsatz von Speditionen, die nicht dem DB-Streik unterliegen.

Die Unternehmen sorgen für einen erneuten Bahnstreik vor. Quelle: dpa
Alter Güterzug mit Logos von Volkswagen und Audi

Die Unternehmen sorgen für einen erneuten Bahnstreik vor.

(Foto: dpa)

Gleichwohl können Störungen im Warenverkehr nicht ausgeschlossen werden. Selbst Westenberger, der die Warnungen der Deutschen Bahn, es könne wegen der Streiks zu einem Reißen der Lieferketten kommen, für überzogen hält, räumt das ein. Ziehe sich die Tarifauseinandersetzung, könne es vor allem dort, wo es bis heute keinen Wettbewerb gebe, also im Einzelwagenverkehr oder bei einigen Grundstoffen, zu Verzögerungen kommen. Im Einzelwagenverkehr werden die Waggons abgeholt und erst in Rangierbahnhöfen zu Zügen zusammengestellt, anders als etwa der Kombiverkehr mit Direktverbindungen.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnte bereits in der vergangenen Woche davor, dass es bei einem längerfristigen Streik zu täglichen Schäden für die Wirtschaft von bis zu 100 Millionen Euro kommen könne. Schon die erste Streikwelle hatte signifikante Folgen. Zwischenzeitlich blieben bei DB Cargo rund 300 Güterzüge stehen. Auch habe man zum Teil Güterzüge aus den Nachbarländern nicht übernehmen können, so die Bahn.

Mittlerweile wurde dieser Stau zwar zu einem großen Teil abgearbeitet. Doch bei den Unternehmen will man lieber auf Nummer sicher gehen und sorgt vor. Etwa beim Essener Industriekonzern Thyssen-Krupp, der stark auf den Bahnverkehr angewiesen ist und über ein werkseigenes Bahnnetz verfügt, das größer ist als das der belgischen Staatsbahn. „Durch den Streik der GDL wurden einige unserer Transporte zeitlich verzögert durchgeführt, was aber dank der guten Kommunikation mit DB Cargo keine größeren Auswirkungen auf Lieferketten und Produktion hatte“, sagte ein Sprecher. Zur weiteren Absicherung der „Supplychain“ setze man Lkw-Transporte ein.

Mehr: Die Deutsche Bahn zerschlagen oder nicht? Verbände und Politik diskutieren die Zukunft des Konzerns

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