Mutmaßliche Scheingeschäfte Ehemalige Steinhoff-Manager werden wegen Bilanzmanipulation angeklagt

Vor drei Jahren hatte der Konzern eingeräumt, dass in der Bilanz mehr als sechs Milliarden Euro fehlten.
Düsseldorf Nach dem Fall Wirecard ist es der wohl spektakulärste und größte Bilanzskandal Deutschlands: der Komplex um den einst im MDax notierten Möbelhändler Steinhoff. Vor mehr als drei Jahren musste der Konzern einräumen, dass in der Bilanz mehr als sechs Milliarden Euro fehlten. Die Steinhoff-Aktie stürzte ab und verlor binnen Tagen über 90 Prozent an Wert.
Die Notiz im MDax ist längst Geschichte, bis heute hat sich das Unternehmen nicht richtig von dem Skandal erholt. Nun hat die Justiz eine entscheidende Etappe in der strafrechtlichen Aufarbeitung absolviert. Die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Oldenburg hat Anklage wegen unrichtiger Darstellung in Bilanzen erhoben, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte.
Insgesamt geht es laut Anklage um Bilanzmanipulationen durch Scheingeschäfte von mehr als 1,5 Milliarden Euro. Zudem sollen Immobilien 820 Millionen Euro zu hoch bewertet in den Büchern gestanden haben.
Vier Managern soll deshalb der Prozess gemacht werden, darunter dem früheren CEO des Konzerns, Markus Jooste. Mit ihm sollen auch der frühere Finanzchef für Europa und ein weiterer Ex-Finanzmanager wegen Bilanzmanipulation auf die Anklagebank. Ein ehemaliger Berater des Unternehmensmanagements, der für zwei in die Abwicklung der Scheingeschäfte eingebundene Firmen gearbeitet hatte, soll sich wegen Beihilfe zu den Manipulationen verantworten.
Ob das Hauptverfahren gegen die Manager eröffnet wird, muss das Landgericht Oldenburg entscheiden. Auf Bilanzmanipulation stehen bis zu drei Jahre Haft. Steinhoff hat seinen operativen Sitz zwar im südafrikanischen Stellenbosch bei Kapstadt, seine Wurzeln liegen aber in Westerstede bei Bremen.
In den Augen der Staatsanwaltschaft hat die ehemalige Führungsspitze des Konzerns, der an der Börse zeitweise mehr als 20 Milliarden Euro wert war, Umsätze durch Scheingeschäfte aufgebläht und so Verluste vertuscht. Die damaligen Manager sollen dafür verantwortlich sein, dass die Buchgewinne aus den Scheingeschäften in die Bilanzen eingeflossen sind.
Steinhoff-Töchter sollen immaterielle Güter und Firmenanteile für jeweils dreistellige Millionenbeträge an andere, Steinhoff nahestehende Firmen, verkauft haben. Wegen Beihilfe zur Bilanzmanipulation angeschuldigt ist auch ein vierter Manager, der für zwei in die Abwicklung der Scheingeschäfte eingebundene Firmen gearbeitet hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte darüber hinaus auch wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Diese Vorwürfe wurden nun aber nicht mit angeklagt.
Steinhoff war nach einer Sitzverlegung nach Südafrika über immer neue Zukäufe rasant gewachsen. Bis September 2016 stieg die Bilanzsumme so auf 32 Milliarden Euro. Zweifel an der angeblichen Erfolgsgeschichte gab es dabei schon länger. Ab 2015 gingen die deutschen Behörden dem Verdacht auf unrichtige Bilanzen nach. Im Dezember 2017 schließlich verweigerten die Wirtschaftsprüfer dem Konzern das Testat, und an der Börse folgte der brutale Absturz.
Jooste ist bereits zu Millionenstrafe verurteilt
Die neue Steinhoff-Führung arbeitet daran, die Finanzen zu ordnen und das Unternehmen auf seinen gesunden Kern zurückzuschneiden. Töchter in Europa wie die Beteiligungen an den deutschen Poco- Billigmöbelmärkten, den österreichischen Kika- und Leiner-Möbelhäusern sowie der französischen Möbelkette Conforama wurden bereits verkauft. In den Niederlanden hat ein Schutzschirmverfahren begonnen, über das sich die Steinhoff-Holding mit ihren Gläubigern einigen will.
Ex-Vorstandschef Jooste ist derweil Ende vergangenen Jahres wegen Insiderhandels von einer südafrikanischen Aufsichtsbehörde zu einer Strafe von umgerechnet mehr als 8,6 Millionen Euro verurteilt worden. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg soll Jooste vier Personen per SMS in den Tagen vor der Meldung über die Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungslegung im Dezember 2017 vor den schlechten Nachrichten des Konzerns gewarnt haben.
Sein deutscher Strafverteidiger Bernd Groß zeigt sich unterdessen mit Blick auf den möglichen Prozess in Deutschland optimistisch. Er sei zuversichtlich, die Vorwürfe zurückweisen zu können, sagte er dem Handelsblatt.
Aus Kreisen anderer Beschuldigter werden dagegen schwere Anschuldigungen gegen Jooste laut. Er sei der Strippenzieher gewesen, während die anderen Manager eher Marionetten waren, so eine mit dem Verfahren vertraute Person. Zumindest diese Sichtweise vertritt die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht, wie die aktuelle Anklage dokumentiert.
Als Beweismittel dürften dafür auch E-Mails dienen, über die bereits verschiedene Medien berichteten. Sie zeugen demnach von Diskussionen unter den Managern, wie fehlerhafte Posten aus früheren Bilanzen weiter versteckt werden können.
Mit Agenturmaterial
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