Venture-Capital Lakestar drängt ins Softwaregeschäft für den Reisemarkt

Die von Klaus Hommels geführte VC-Firma plant weitere Investments in der Touristik.
Foto: Hometogo
Berlin Nach dem Börsengang ihrer Portfoliofirma Hometogo sucht die von Klaus Hommels geführte Finanzfirma Lakestar erneut Investitionsziele in der Reisebranche. „Wir schauen uns aktuell Start-ups an, die technologiebasierte Infrastruktur für den Reisemarkt entwickeln“, sagte Christoph Schuh, Statthalter des Risikoinvestors in Berlin, dem Handelsblatt. Insbesondere am sogenannten „Dynamic Packaging“, einem aus Datenbanken zusammengestellten Last-Minute-Geschäft, zeige man hohes Interesse.
In der Reisebranche wie im Aktienmarkt hatte Lakestar zuletzt für erhebliches Aufsehen gesorgt. Am 22. September brachte die Finanzfirma ihre Minderheitsbeteiligung Hometogo, das weltgrößte Internetportal für Ferienwohnungen, in einem Schnellverfahren an die Frankfurter Börse: Statt für den Onlineanbieter einen IPO zu organisieren, verschmolz man ihn kurzerhand mit einer leeren Firmenhülle.
Sie hatte Lakestar ab Februar 2021 als „Special Purpose Acquisition Company“ (Spac) in Frankfurt notieren und mit mehr als 250 Millionen Euro Aktienkapital ausstatten lassen. Die Fusion bewertete den seit Jahren defizitären Wohnungsvermittler üppig mit 1,2 Milliarden Euro.
Auch der Reisevertrieb über Dynamic Packaging, nach dem Lakestar nun Ausschau hält, gilt in der Touristik als riskantes Geschäft. Anhand unterschiedlicher elektronischer Buchungssysteme stellen dort Reiseverkäufer über den Spotmarkt Urlaubspakete zusammen – und zwar erst in dem Moment der Kundenanfrage. Üblicherweise kombinieren sie dann binnen weniger Minuten Flüge mit Hotelübernachtungen, Verpflegung, Transfers und Ausflügen.
Anbieter gibt es in Deutschland zuhauf. Tui, FTI, Alltours und DER Touristik betreiben allesamt dieses minutenschnelle Brokergeschäft, ebenso Expedia und Opodo. Zu erkennen sind sie meist am „X“ im Markennamen wie bei Alltours-X, Big-Xtra oder LMX, doch in der Coronakrise wurde das Geschäftsmodell den meisten zum Verhängnis.
Treten Urlauber massenhaft zurück, bleiben Verkäufer auf ihren Kosten sitzen
Der Grund: Die am Computerterminal eingekauften Reiseleistungen müssen die Veranstalter meist umgehend bezahlen. Treten Urlauber anschließend massenhaft von ihren Buchungen zurück – wie beim ersten Lockdown 2020 –, bleiben Reiseverkäufer wie X-Tui oder XFTI auf ihren Kosten sitzen.
Um Risiken wie diese zu mindern, hat Hommels den Tourismussektor dem Hamburger Branchenexperten Christoph Schuh anvertraut. Der 57-Jährige, der schon vor 21 Jahren für Burda den Börsengang der Holidaycheck-Vorgängergesellschaft Tomorrow Internet AG organisierte, sitzt für den Investor gleich in mehreren Bei- und Aufsichtsräten prominenter Touristik-Start-ups.
Nicht nur beim Hotelvermittler Impala übernimmt er als Hommels‘ Gesandter im Board Verantwortung, auch im Gesellschafterkreis von Getyourguide, einem mit mehr als einer Milliarde Euro bewerteten Vermarkter von Ausflügen, vertritt er die Interessen des Mitinvestors Lakestar. Gleiches gilt für den europäischen Bahnticket-Verkäufer Omio und den Münchener Boardinghaus-Anbieter Limehome. Bei Hometogo führt Schuh seit dem Börsengang sogar den Aufsichtsrat.
Die Herausforderungen des Dynamic Packaging sind dem erfahrenen Touristiker daher bewusst. „Dynamic Packaging hat sich in Phasen der Pandemie als komplexes Produkt gezeigt, weil jedes Element eines Paketes für den Kunden einzeln storniert oder umgebucht werden muss.“ Unterschiedliche Stornoregeln kämen erschwerend hinzu.
„In jedem Fall aber passt das Geschäftsmodell in unsere Strategie“, verteidigt Schuh seinen Plan. Sie bestehe üblicherweise darin, einer kleinteiligen Anbieterschaft den Weg zum Kunden per Technologie zu ebnen. Das gelte bereits für Beteiligungen wie Getyourguide, Omio, Hometogo oder Impala.
Den schweren Schlag, den Corona der Urlaubsbranche seit März 2020 versetzte, sieht Schuh für seine Beteiligungsfirmen überwunden. Firmen wie Getyourguide, Hometogo oder Omio erlitten teilweise Umsatzrückgänge von bis zu 90 Prozent, sie seien inzwischen aber größtenteils wieder auf dem Niveau vor der Krise – Hometogo oder Limehome sogar deutlich darüber.
„Marketingeffizienz während der Pandemie verbessert“
In der Zwischenzeit hätten diese Anbieter zudem ihre Marketingeffizienz deutlich verbessert und sich unabhängiger von Vermittlern wie Google aufgestellt, indem sie systematisch eigene Kundendaten aufbauten und die Kaufraten von Stammkunden erhöhten. „Das hilft uns in Zukunft“, erwartet der Lakestar-Geschäftsführer.
Die von Zürich aus gesteuerte Firma ist nicht die einzige Venture-Capital-Gesellschaft, die ihre Hoffnung auf Start-ups in der Reiseszene setzt. Auch Softbank, KKR, HV Capital, M12 (Microsoft), Project-A und viele andere investierten zuletzt kräftig in die Reisebranche. Jeder fünfte Euro, den Finanzfirmen unmittelbar vor der Coronakrise verteilten, ging an ein solches Start-up.
In den zehn Jahren vor der Pandemie flossen so 2,9 Milliarden Dollar an Risikokapital in junge deutsche Touristikfirmen, wie eine Erhebung von Lufthansa Innovation Lab zeigt. Zusammen mit den Empfängern in Großbritannien, Frankreich und Spanien summierten sich die Zuwendungen sogar auf 6,5 Milliarden Dollar. Für manche ein lohnendes Geschäft, wie sich zeigt. Allein für die sieben größten europäischen Reise-Start-ups – darunter Firmen wie Flixbus, Blablacar, Omio und Getyourguide – ermittelte Travellandmobility einen gemeinsamen Marktwert von 12,4 Milliarden Dollar.
„Die Pandemie hat nur sehr kurzfristig die massiven Start-up-Investitionen im Reisebereich beeinflusst“, berichtet Schuh. Weltweit wurden nach Berechnungen der Lakestar-Analysten 2018 und 2019 jeweils rund zehn Milliarden Dollar in Reise-Start-ups investiert.
Im von Corona-Lockdowns geprägten Jahr 2020 waren es etwa fünf Milliarden, während schon 2021 wieder zehn Milliarden Dollar erwartet werden. „Auch die Aktienkurse der gelisteten Reise-Firmen sind bereits seit einigen Monaten zumeist wieder auf oder sogar über Pre-Corona-Niveau“, beobachtet der Risikokapitalgeber.
Bei Hometogo erfüllten sich die Börsenhoffnungen bislang allerdings nicht. Die Aktien, die zum Börsenstart Mitte September mit zehn Euro bewertet wurden, notieren aktuell nur noch bei 8,13 Euro.
Für Lakestar gibt es auch nach der Krise gute Gründe, massiv in die Touristik zu investieren. „Der Nachholbedarf nach der Pandemie ist enorm“, beobachtet Schuh – ein Eindruck, den Branchenexperten wie Tui-Chef Fritz Joussen, Dertour-Direktor Mike Lehmann oder Reiseverbandschef Norbert Fiebig mit ihm teilen. Durch die Pandemie wurden Reisen zudem deutlich individueller, frühzeitiger und vor allem stärker online geplant. „All diese Trends sind für uns positiv.“
So sammelten die drei größten Touristik-Beteiligungen des Finanzinvestors – Getyourguide, Hometogo und Omio – in der Pandemie bei Investoren weitere über 500 Millionen Euro ein. Der Lakestar VC selbst investierte im selben Zeitraum in der Pandemie über 30 Millionen Euro in Travel Start-ups.
Exit nach acht bis zehn Jahren
Die Anlagestrategie unterscheidet sich dabei nicht von Lakestar-Investments anderer Industriesektoren, zu denen in der Vergangenheit bereits Start-ups wie Spotify, Revolut, Opendoor und Sennder zählten. In der Frühphase beteilige man sich mit bis zu 20 Prozent, erklärt Schuh, bei späteren Einstiegen in Wachstumsfirmen mit bis zu fünf Prozent.
Einen Exit plane man spätestens nach acht bis maximal zehn Jahren, entsprechend der Laufzeit der Lakestar-Fonds. „In dieser Zeit helfen wir den Start-ups bei Themen von Recruiting, Technologie und Marketing bis zu Regulierungsfragen und Finanzierung weiterer Runden“, berichtet der Berliner Finanzexperte.
Ob es einen weiteren Exit per Spac geben wird, hat Lakestar noch nicht entschieden. Einerseits habe man Hometogo auf dem Kapitalmarkt einen zeitlichen Vorsprung von mindestens einem Jahr und 250 Millionen Euro zusätzliches Eigenkapital gesichert, hält Schuh diesen Schritt rückblickend für „goldrichtig“. Andererseits sei ein Spac mit erheblichem Aufwand verbunden. Dazu zählten ein zeitlich vorgelagerter Börsengang der Firmenhülle, eine Fusionsvereinbarung mit der Zielgesellschaft und die Gewinnung weiterer sogenannter „Pipe“-Investoren.
Zudem erscheint das Dasein von Touristik-Start-ups an der Börse endlich. Die Holidaycheck Group AG, die Schuh einst stolz aufs Parkett brachte, wird von Burda in diesen Tagen wieder aus dem Handel genommen. Gestartet war sie Mitte 2000 zum Kurs von 13,17 Euro, nach einem andauernden Abstieg bietet Burda den außenstehenden Aktionären nun für jedes Papier nur noch 2,70 Euro.
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