Diesel-Skandal Gericht trennt Betrugsprozess gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn ab

Der ehemalige VW-Chef hat bisher alle Vorwürfe von sich gewiesen.
Köln Nun ist es offiziell: Martin Winterkorn wird bei dem am Donnerstag kommender Woche beginnenden Strafprozess fehlen. Das Gericht hat das Verfahren gegen den langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Volkswagen-Konzerns aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Winterkorn laboriert an einem Hüftleiden. Eine Hüfte wurde bereits operiert, die Operation der zweiten Hüfte soll unaufschiebbar sein und in Kürze erfolgen.
Das Landgericht hat sich nach langer Prüfung nun dazu entschieden, die Verhandlung ohne Winterkorn stattfinden zu lassen. „Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn und bei ihm jüngst durchgeführten Operation hatte die Kammer über Konsequenzen hieraus für das Strafverfahren zu entscheiden“, teilte ein Gerichtssprecher mit.
Zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen habe die Kammer medizinische Gutachten eines in einem Universitätsklinikum tätigen Sachverständigen eingeholt. „Die bei dem Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn jüngst durchgeführte Operation hat danach aktuell dessen Verhandlungsunfähigkeit zur Folge“, sagte der Sprecher.
Weil für das Verfahren 133 Verhandlungstage angesetzt sind, kann der VW-Chef davon ausgehen, dass er sich frühestens ab Ende 2023 vor der Sechsten Großen Strafkammer verantworten muss. Sein Fall muss wie die nun ohne ihn stattfindende Verhandlung gegen vier weitere Angeklagte vor der gleichen Strafkammer stattfinden. Zivilrechtlich hatte sich Winterkorn jüngst mit seinem ehemaligen Arbeitgeber verglichen.
Winterkorn gehörte zu den ersten fünf Angeklagten in dem größten Fall von Wirtschaftskriminalität, den es in Deutschland je gab. Vor rund sechs Jahren war durch eine Mitteilung der amerikanischen Umweltbehörde EPA bekannt geworden, dass VW jahrelang Autos als „Green Diesel“ verkauft hatte, die viel dreckiger waren als erlaubt.
Die Motoren waren mit einer Software so manipuliert worden, dass sie auf dem Prüfstand die Stickoxid-Grenzwerte einhielten, auf der Straße dagegen nicht. Insgesamt elf Millionen Autos aus dem VW-Konzern waren betroffen. Der Skandal kostet die Wolfsburger bis dato mehr als 32 Milliarden Euro.
Jetzt auch Vorwurf der uneidlichen Falschaussage
Vor Gericht geht es nun darum, die strafrechtlichen Verantwortungen zu klären. In dem ersten Verfahren gehören neben Winterkorn vier weitere Volkswagen-Manager zu den Angeklagten. Während die Staatsanwaltschaft dem früheren VW-Chef bandenmäßigen Betrug vorwirft, geht es bei den vier weiteren Angeklagten zusätzlich um Steuerhinterziehung und strafbare, wettbewerbsverzerrende Werbung.
Winterkorn muss sich seit neuestem außerdem den Vorwurf der uneidlichen Falschaussage gefallen lassen, womöglich hat er vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags nicht die Wahrheit gesagt. Dort hatte Winterkorn gesagt, frühestens im September 2015 von möglichen Abgasmanipulationen gehört zu haben. Die Ermittler zweifeln daran, dass diese Aussage haltbar ist. Winterkorn hat bisher alle Vorwürfe von sich gewiesen.
Doch mit den mutmaßlichen Verfehlungen des erkrankten Martin Winterkorn muss sich das Gericht erst in fernerer Zukunft befassen. Zunächst wird die Strafkammer den Vorwürfen der vier anderen Angeklagten auf den Grund gehen.
Mit Heinz-Jakob Neußer trifft es einen ehemaligen Vorstand der Marke VW. Neußer soll laut Anklage früh in die Manipulationen der Diesel-Motoren mittels einer Spezialsoftware eingeweiht gewesen sein und sein Einverständnis erklärt haben.
Mitangeklagter wird von VW bislang geschont
Auf der Anklagebank sitzt auch Hanno Jelden. Dem früheren Leiter der Antriebselektronik wird ebenfalls Betrug vorgeworfen. Jelden soll unter anderem für die Software zuständig gewesen sein, die Volkswagens Dieselmotoren steuerte. Womöglich wusste er von den illegalen Funktionen, die die Abschaltung der Abgasreinigung bewirkten.
Von Volkwagen wird Jelden bisher geschont: Weil er sich früh bereit erklärte, mit seinem Know-How bei der Aufklärung des Skandals mitzuwirken, verzichtete das Unternehmen auf arbeitsrechtliche Maßnahmen und sicherte ihm zu, keine finanziellen Ansprüche zu stellen.
Bei den beiden weiteren Angeklagten handelt es sich um eine ehemalige Führungskraft, die von 2007 bis 2011 die Aggregate-Entwicklung bei VW verantwortete, sowie einen Abteilungsleiter. Letzterer hatte gegenüber den Ermittlern frühzeitig ausgesagt und einen Beitrag zur Aufklärung des Skandals geleistet. Beobachter gehen davon aus, dass er diese Strategie in der anstehenden Hauptverhandlung beibehält.
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