Familienunternehmern Autozulieferer Hella steht vor Eigentümerwechsel

Die Hueck-Familie hält seit 1923 die Mehrheit am 1899 gegründeten Autozulieferer, der 2014 an die Börse gegangen war und aktuell im MDax notiert ist.
Frankfurt, Düsseldorf Beim familiengeführten Autozulieferer Hella zeichnet sich ein Eigentümerwechsel ab. Finanzkreisen zufolge erwägt die Industriellenfamilie Hueck den Verkauf ihrer Hella-Anteile. Zusammen mit der Familie Röpke hält die Hueck-Familie rund 60 Prozent der Anteile am Zulieferer aus Lippstadt.
Als erstes hatte das „Manager-Magazin“ über den möglichen Verkauf berichtet. Demnach habe die Hueck-Familie die Investmentbank Rothschild damit beauftragt, Gespräche mit möglichen Käufern zu führen. Die Hueck-Familie hält seit 1923 die Mehrheit am 1899 gegründeten Autozulieferer, der 2014 an die Börse gegangen war und aktuell im MDax notiert ist.
Die Anteile der Gesellschafterfamilie sind allerdings noch mindestens bis 2024 durch eine Poolvereinbarung gebunden. Das heißt, alle 60 Mitglieder des Gesellschaftskreises müssen einigen. Laut dem „Manager-Magazin“ hat hier der langjährig persönlich haftende Gesellschafter der Familie Hueck, Jürgen Behrend, die Verhandlungsführung.
An der Börse kamen die Übernahmespekulationen gut an. Die Aktie stieg am Dienstag zeitweise um mehr als elf Prozent. Kein Wunder. Denn laut Poolvereinbarung müsste ein potenzieller Käufer der 60-prozentigen Hella-Anteile auch den übrigen Anteilseignern das gleiche Übernahmeangebot unterbreiten.
Das Unternehmen wollte sich vorerst nicht zu den Spekulationen äußern: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir weder Kapitalmarktgerüchte kommentieren noch Stellung zu Themen beziehen, welche unsere Aktionäre betreffen“, hieß es auf Nachfrage des Handelsblatts.
Informierten Kreisen zufolge würden sich die Gespräche noch in einem sehr frühen Stadium befinden. Es sei auch noch nicht entschieden, dass die Familie ihre Anteile final verkauft. Das wird von den Geboten der interessierten Käufer abhängen.

Der 58-Jährige ist seit 2004 Chef des Autozulieferers.
Allerdings dürften die nicht allzu gering ausfallen. Hella befindet sich trotz Corona auf Erfolgskurs. Mitte April veröffentlichte das Unternehmen seine Neun-Monatszahlen. Demnach konnte der Zulieferer bei einem leicht gesunkenen Umsatz die Gewinnmarge von 6,4 auf 6,7 Prozent erhöhen.
Der Zulieferer steht zudem auf einer soliden finanziellen Basis. Die Eigenkapitalquote ist mit 39 Prozent ein für die Branche überdurchschnittlicher Wert. Darüber hinaus hat der Zulieferer liquide Mittel in Höhe von knapp einer Milliarde Euro zur Verfügung.
Möglich war das dank eines konsequenten Kosten- und aktiven Portfoliomanagement – das Spezialgebiet von Konzernchef Rolf Breidenbach, der vor seiner Zeit bei Hella bei der Unternehmensberatung McKinsey beschäftigt war.
Realistische Planung statt Visionen
Mit seiner rationalen Strategie ist Breidenbach bislang gut gefahren. Seit 17 Jahren ist der 58-Jährige Chef des nordrhein-westfälischen Zulieferers. In der Autozuliefererbranche gibt es nur wenige Vorstände, die sich solange an der Spitze eines Konzerns halten konnten.
Hella zählt nicht zu den schillerndsten Zulieferern und Breidenbach auch nicht zu den extrovertiertesten Managern. Der MDax-Konzern pflegt ein Image, das seiner nordrhein-westfälischen Herkunft entspricht: bodenständig und realistisch.
Hella und der Eigentümerfamilie geht es weniger um Visionen, die angeblich Voraussetzung sind, um in einem wandelnden Marktumfeld bestehen zu können. „Hella als Familienunternehmen hat die Tradition sich nicht zu überschätzen. Auch die schiere Größe an sich hat für Hella keinen Wert“, sagt Breidenbach dem Handelsblatt. „Wir versuchen Wachstum und Profitabilität so gut es geht in Balance zu bringen. Das ist eine Grundphilosophie der Hueck-Familie.“
Das führt mitunter dazu, dass sich der Zulieferer sogar von vermeintlich lukrativen Zukunftsgeschäften trennt. So zum Beispiel vom Geschäft mit der Frontkamerasoftware, das Hella vergangenes Jahr für über 120 Millionen Euro an Volkswagen verkauft hat. Beim automatisierten Fahren spielt diese Art von Software eine zentrale Rolle.
„Stringentes Portfoliomanagement“ nennt Breidenbach das. Dahinter steckt die Idee sich von Geschäftsteilen zu trennen, bei denen der Zulieferer nicht davon ausgeht eine marktrelevante Position besetzen zu können. Hätte das Unternehmen an dem Geschäft festgehalten und versucht, diese Position zu erlangen, wäre es Hella zufolge mit erheblichen Investitionen verbunden gewesen.
Auch beim Lidar-Engagement hat das Unternehmen einen Rückzieher gemacht, anstatt weiter stur in die teure Entwicklung zu investieren. Beim hochautomatisierten Fahren werden Lidar-Sensoren eine Kernkomponente sein, aber die Entwicklung ist teuer und der Konkurrenzdruck immens.
Wichtiger als in lukrative Geschäfte einzusteigen ist es für Hella in lukrative Nischen vorzustoßen, in denen der Konkurrenzdruck nicht so groß ist. So zählt Hella beispielsweise zu den führenden Herstellern von 24-Gigahertz-Radaren, die Autobauer für ihre Fahrerassistenzsysteme benötigen.
Stellenabbau in Deutschland
Ein weiterer Kern von Breidenbachs Strategie: Hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Seit Jahren gibt Hella über neun Prozent seines Umsatz für Forschung und Entwicklung aus – ein Spitzenwert in der Branche.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Hellas Widerstandsfähigkeit nicht ohne Schmerzen erreicht wurde. Denn Voraussetzung für den Erfolg ist eine strenge Kostendisziplin – und die geht derzeit vor allem auf Kosten der Mitarbeiter in Deutschland.
Hierzulande wird Hella rund 900 Arbeitsplätze abbauen. Das sind etwa zehn Prozent aller Stellen in Deutschland. Der Großteil der Stellen wird in der Konzernzentrale im nordrhein-westfälischen Lippstadt wegfallen. Für die Aktionäre ist Hella eine Erfolgsgeschichte. Für die eigenen Mitarbeiter gilt das nur bedingt.
Breidenbach macht dabei auch nicht vor dem Herzstück von Hella in Deutschland halt: den Entwicklungsabteilungen. Auch hier werden Stellen gestrichen und ins Ausland verlagert.
Konzernbetriebsrat Heinz Bölter sieht darin ein Risiko. Denn das jahrzehntelang aufgebaute Wissen könne nicht so schnell an Mitarbeiter in Osteuropa oder China weitergegeben werden. „Wenn das nicht funktioniert, haben alle weltweit Beschäftigten von Hella ein Riesenproblem“, sagte Bölter vergangenes Jahr dem WDR.
Vom Stellenabbau, der zunächst 240 Millionen Euro Kosten verursacht, erhofft sich Hella im kommenden Jahr jährliche Einsparungen in Höhe von 140 Millionen Euro.
Hella schafft es allerdings im Gegensatz zu vielen anderen Konkurrenten, beispielsweise ZF oder Continental, seinen Personalabbau praktisch geräuschlos zu vollziehen. Das liegt sicherlich zum einen an der geringeren absoluten Zahl des Stellenabbaus. Zum anderen dürfte aber auch der Verzicht auf eine Dividendenausschüttung 2020 – trotz Gewinn im vorausgegangenen Geschäftsjahr – verhindert haben, dass die Stimmung bei der Belegschaft kippt.
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