Interview Knorr-Bremse-Chefaufseher Klaus Mangold: „Alphatiere kann man nie genug haben“

Der ehemalige Daimler-Manager soll bei Knorr-Bremse für weitere zwei Jahre Aufsichtsratschef bleiben.
Stuttgart Nach dem Tod von Firmenpatriarch Heinz Hermann Thiele besetzt der Münchener Zulieferer Knorr-Bremse den Aufsichtsrat neu. Ex-ZF-Chef Stefan Sommer rückt in das Gremium auf. Der ehemalige Daimler-Manager Klaus Mangold soll für weitere zwei Jahre Aufsichtsratschef bleiben. Damit will das Unternehmen für Kontinuität in dem Gremium sorgen.
Mangold ist damit eine weitere hochkarätige Neuverpflichtung für den Bremsenhersteller gelungen. „Herr Sommer ist eine große Bereicherung. Für uns ist er mit seiner Expertise vor allem für unser zweites Standbein, die Nutzfahrzeugdivision, sehr wichtig“, sagte Mangold dem Handelsblatt am Mittwoch.
Neben Sommer ist der Aufsichtsrat auch mit Ex-Airbus-Chef Tom Enders und Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer industriell und strategisch stark besetzt. Die Sorge, es könnten zu viele „Alphatiere“ im Aufsichtsrat sein, hat Mangold nicht. „Davon können Sie nie genug haben“, erklärte der Manager.
Aber die Personalie Sommer ist brisant: Bis vor dreieinhalb Jahren führte der 58-Jährige den weit größeren Konkurrenten ZF. Kern seiner Strategie war es damals, das Geschäft mit Lkw-Bremsen zu erobern und damit einen Frontalangriff auf eines der beiden Kerngeschäfte von Knorr-Bremse zu starten. Jetzt ist er auf der Gegenseite.
Mangold sieht das Unternehmen mit den Übernahmen des US-Lenkungsherstellers Sheppard und eines Unternehmensbereichs von Hitachi gut aufgestellt. „Wir werden unsere Weltmarktposition verteidigen und ausbauen“, kündigte er an.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Herr Mangold, mit Ex-ZF-Chef Stefan Sommer als neuem Aufsichtsratsmitglied haben Sie einen Überraschungscoup gelandet und den Mann geholt, der die Konkurrenz kennt wie kein anderer. Wer hat ihn denn gewinnen können?
Natürlich war ich da aktiv. Herr Sommer ist eine große Bereicherung. Er kennt sowohl die Zuliefererseite wie auch durch seine letzte Tätigkeit als Einkaufschef von Volkswagen die Lieferantenperspektive der Automobilhersteller. Für uns ist er mit seiner Expertise vor allem für unser zweites Standbein, die Nutzfahrzeug-Division, sehr wichtig.
Bis vor drei Jahren führte er Ihren inzwischen größten Konkurrenten bei Nutzfahrzeugbremsen. Ist das nicht ein gewisses Problem?
Für uns nicht, da gibt es ja auch eine gewisse Historie im Austausch mit ZF. Mit meinem Vorgänger Hans-Georg Härter hatten wir einen ehemaligen ZF-Vorstandsvorsitzenden ja sogar auf dem Chefposten im Aufsichtsrat.
Mit Ex-Airbus-Chef Tom Enders und jetzt Stefan Sommer haben Sie ja durchaus Leute in ihren Reihen, die auch den Aufsichtsrat führen können. Und der Chef der Deutschen Börse, Theodor Weimer, wird Ihr Stellvertreter und rückt ins Präsidium. Warum machen Sie weiter?
Nach dem plötzlichen Tod von Heinz Herrmann Thiele werde ich noch bis zu zwei Jahre die Übergangsphase begleiten. Für das Unternehmen und die Anteilseigner ist jetzt nach dem Tode von Herrn Thiele Kontinuität im Aufsichtsrat wichtig, um die weitere Entwicklung mit einem tiefen Verständnis für Märkte und Produkte zu begleiten. Dafür steht der gesamte Aufsichtsrat mit seiner großen Erfahrung in den unterschiedlichen Feldern. Die endgültige Ausgestaltung der Familienstiftung wird noch bis mindestens Ende des Jahres dauern.
Haben Sie darauf Einfluss?
Knorr-Bremse ist zu jeder Zeit handlungsfähig. Es gibt einen engen Austausch mit allen Beteiligten: dem Testamentsvollstrecker Robin Brühmüller, Herrn Thieles Frau Nadia und seiner Tochter Julia Thiele-Schürhoff, die über die zu gründende Stiftung 59 Prozent an Knorr-Bremse halten. Frau Thiele-Schürhoff ist bereits seit einigen Jahren im Aufsichtsrat und vertritt die Interessen der Familie. Das funktioniert gut, wie beispielsweise bei den jetzigen Entscheidungen in Strategie und operativem Geschäft.
Aber sind da nicht zu viele Alphatiere im Aufsichtsrat?
Davon können Sie nie genug haben. Jeder ist für uns wichtig, zum Beispiel Herr Enders mit seiner ausgewiesenen China-Expertise aus seiner Airbus-Zeit, Herr Weimer mit seiner Kapitalmarktexpertise und Herr Sommer mit seinem Brancheneinblick. Und nicht zu vergessen Kathrin Dahnke mit ihrer Finanzerfahrung in Familienunternehmen.

„Wir werden so schnell wie möglich versuchen, an das Wachstum vor der Corona-Pandemie wieder anzuknüpfen.“
Seit Jahresanfang haben Sie mit Jan Mrosik einen neuen CEO. In den vergangenen Jahren gab es häufige Wechsel auf diesem Posten. Wird da jetzt mehr Ruhe einkehren?
Ja, die Wechsel sind Geschichte. Auch mit der Schaffung des neuen Ressorts Integrität und Recht und der Verpflichtung von Claudia Mayfeld von Innogy haben wir eine starke Persönlichkeit gewinnen können. Wir haben jetzt ein starkes und stabiles Team.
Was sind die größten Herausforderungen für Knorr-Bremse?
Wir werden so schnell wie möglich versuchen, an das Wachstum vor der Corona-Pandemie wieder anzuknüpfen. Da sind wir auf einem guten Weg, wie wir im vierten Quartal 2020 gezeigt haben.
Das wird nicht einfach. ZF greift mit dem Lkw-Bremsenhersteller Wabco zentral Ihr zweites Kerngeschäftsfeld neben Bahnbremsen an. Das bedroht doch das Unternehmen stärker als je zuvor?
Wabco war auch schon vorher ein starker Wettbewerber und wird mit ZF sicher nicht schwächer. Aber wir sind mit den Übernahmen des Lenkungsherstellers Sheppard in den USA und dem Unternehmensbereich von Hitachi in Japan nicht um eine Antwort verlegen und werden unsere Weltmarktposition verteidigen und ausbauen.
Was wird denn ohne Herrn Thiele jetzt bei Knorr-Bremse anders?
Eine solche Unternehmerpersönlichkeit ist nicht zu ersetzen. Aber der Geist von Herrn Thiele ist über seinen Tod hinaus virtuell im Unternehmen spürbar und wird weiterhin auch von Frau Thiele-Schürhoff verkörpert. Dafür wird die Familienstiftung sorgen. Er selbst hat noch das jetzt verabschiedete Mitarbeiterbeteiligungs-Programm mit Aktien initiiert. Er wollte damit die jahrzehntelange Leistung der Mitarbeiter anerkennen. Deshalb trägt es seinen Namen. Es wird die Bindung der Beschäftigten zum Unternehmen über Herrn Thieles Tod hinaus erhöhen.
Herr Mangold, vielen Dank für das Interview.
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