25 Jahre Quittenbaum Kunstauktionen: Der Markt für Design – Immer in Bewegung

Die Kunststoff-Bodenleuchten von Cesare Casati und Carlo Emanuele Ponzio sind Klassiker des italienischen Designs.
München. Es muss nicht immer Bauhaus sein. Das weiß auch Designspezialist Askan Quittenbaum, Inhaber des gleichnamigen Auktionshauses in München. Als Highlight seiner Auktion „Schools of Design“ am 27. Juni nennt er nach Henry van de Veldes auf 15.000 Euro taxierten „Havana“-Stuhl von 1897 erstaunlicherweise gleich ein Paar mintgrüne, surreal-vegetativ anmutende „W.W. Hocker“ von Philippe Starck. Die Taxe für die fantasievollen Hocker liegt bei 6000 bis 7000 Euro.
„Das Design der 1990er-Jahre ist derzeit im Kommen“, sagt der Auktionator im Gespräch mit dem Handelsblatt. Zwischen Gaetano Pesces radikal antiästhetischem „Pratt Chair“ von 1984 und Serge Mouilles Fünfzigerjahre-Lampe „Trépied“ zur Taxe von 6000 Euro sind die W.W. Hocker von 1990 nicht das einzige Angebot aus diesem originalitätssüchtigen und kreativen Jahrzehnt.
Der Münchener Versteigerer ist heute mit seinen Design-Offerten aber auch mit den Murano-Glas-Auktionen in Deutschland führend auf diesem Gebiet. Rund sechs Millionen Euro Jahresumsatz verbucht das Haus heute. Als der damals 27-Jährige das Auktionshaus vor 25 Jahren gründete, lag der Fokus noch auf Jugendstil.
Die Begeisterung fürs Design löste ein Jahr später die Versteigerung der Privatsammlung des Kunsthistorikers Tilman Buddensieg mit 400 Bauhaus-Objekten aus. Für die Entwürfe von Ludwig Mies van der Rohe oder Erich Dieckmann, für Metall-Arbeiten von Marianne Brandt oder Hans Pschyrembel ist Quittenbaum bis heute für Sammler und Museen eine der wenigen Quellen.
Wohl nur 26-mal soll der gewagt konstruktivistische „Lattenstuhl“ Marcel Breuers von 1924/25 hergestellt worden sein. Fünf davon versteigerte Quittenbaum in den letzten Jahren. Den Spitzenpreis erzielte 2021 mit brutto 142.400 Euro (alle Ergebnisse inkl. Aufgeld) eines der ersten aus Vierkanthölzern produzierten Exemplare.

Schon die Mutter des Auktionators handelte mit Kunst. Er startete mit Jugendstil.
Die preisbildenden Faktoren für Bauhaus-Objekte ähneln dem geheimen Wissen von Alchemisten. Es geht um Schrauben, Durchmesser und Lackierungen. Die Preise für frühe Ausführungen von Mies van der Rohes Freischwinger durch das Berliner Metall-Gewerbe Joseph Müller etwa liegen höher als die späteren von Thonet.
Als Inkunabeln des Designs gelten die Prototypen. 2019 zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum konnte Quittenbaum die Urversion von Mies’ Stuhl „MR 20“ anbieten und erlöste brutto 10.500 Euro. Als im Jahr darauf die Sammlung Florian Hufnagel, ehemaliger Direktors der Münchener Neuen Sammlung, versteigert wurde, erzielte dessen Thonet-Exemplar des „MR 20“ lediglich 3100 Euro. Hochpreise sind beide Erlöse nicht. Askan Quittenbaums Interpretation: „Da ist noch Potenzial drin.“
Mit dem Titel „Schools of Design“ hat Quittenbaum das Angebot der Jubiläumsauktion verbreitert. Da ist Platz für alle Trends, Hypes und Seitenwege. Und vor allem für die Meisterwerke der Design-Geschichte. Verner Pantons wie eine aufgesägte Sitzkabine aussehender „Living Tower“ von 1970/1975 ging hier 2022 für rund 11.000 Euro in neue Hände. Jean Prouvés mit dem Charme eines Kasernenmöbels ausgestatteter Armlehnsessel „Visiteur Kangourou“ von 1948 erzielte vor zehn Jahren 33.000 Euro.
Der Begriff Design ist ein Entwurfsurteil und keine Zeitbegrenzung, erläutert Quittenbaum. Manchmal liegen zwischen Produktion und Sekundärmarkt nur wenige Jahre wie bei Zaha Hadids dekonstruktivistischem Sofa „Morain“. Anfang der 2000er-Jahre in Kleinstauflage produziert, wurde das Avantgarde-Möbel schon 2011 hier für rund 20.000 Euro versteigert.
Internationale Trends spiegeln sich auch bei Quittenbaum. Das italienische Design etwa hat stark aufgeholt. Gino Sarfattis im Detail magere, aber in ihrer Reduktion verblüffende Tischleuchte 611 P e G von 1973 ging vor drei Jahren für knapp 9000 Euro mit Aufgeld in neue Hände. Piero Fornasettis Kommode „Palladio“ mit dem grafischen Aufdruck eines klassischen Säulen-Portikus erzielte 50.000 Euro. Mittlerweile widmet Quittenbaum den Designikonen aus Italien einen eigenen Katalog.

Ein eleganter Hingucker aus Kunststoff: Bei 12.000 Euro liegt die untere Taxe für die 1967 entstandene italienische Polyester-Liege.
Seit Jahren sind skandinavische Entwürfe begehrte Stücke. In der kommenden Auktion wird mit Hans J. Wegners „Ox Chair“ zur unteren Taxe von 8000 Euro ein Klassiker des Nordens aufgerufen. Dass es für das gediegene Mid-Century-Design aus Dänemark und Schweden keinen Extrakatalog gibt, hat auch mit Paris zu tun. Der internationale Designmarkt hat sich an die Seine verlagert. Und Skandinavien ist momentan sehr en vogue.
Auch in diesem Markt kommen Fälschungen vor, aber selten. Erst kürzlich wurde dem Chef des Hauses für eine seiner Spezialauktionen mit Art-Déco-Gläsern von René Lalique ein angeblich frühes Exemplar mit einer falschen Signatur angeboten. Davor schützen nur Expertise, Erfahrung und eine gesunde Skepsis.
Ein Abflauen des Designmarkts sieht Askan Quittenbaum übrigens nicht. Dieser Markt ist immer in Bewegung, so sein Argument. „Wenn die derzeit so begehrten Entwürfe von Jean Prouvé und Charlotte Perriand noch weiter klettern, weichen Sammler auf andere Gebiete aus.“
Das Neuorientieren kann Quittenbaum an seiner Kundschaft beobachten. Wurden vor 25 Jahren Art-Déco-Objekte und Jugendstil-Keramik gesammelt, so sind es heute Lampen von Ingo Maurer, Originelles von Ettore Sottsass oder Elitäres aus Stahl von Ron Arad. Die drei Designer sind natürlich auch in der Jubiläumsauktion vertreten.






