Ankaufspolitik in England: 50 Millionen Pfund für das Porträt eines Südseeinsulaners

Das 1776 gemalte Porträt des jungen Polynesiers Mai (Omai) sorgt in Großbritannien heute für Diskussionen.
London. 1774 reiste der junge Polynesier ‚Mai‘ aus dem Südpazifik mit dem Entdecker James Cook nach London. Dort blieb er drei Jahre, bevor er wieder in seine Heimat zurückkehrte. Dass wir etwas von ihm wissen, haben wir vor allem Sir Joshua Reynolds zu verdanken. Der britische Porträtist verewigte den damals zu einer Sensation in der Londoner Gesellschaft gewordenen Eingeborenen in einem lebensgroßen Porträt. Es wurde erst aus seinem Nachlass heraus verkauft.
Seither befand sich das Bild in Privatbesitz, erst über Generationen hinweg in der Sammlung der Earls von Carlisle, dann nach einem Auktionsverkauf durch Sotheby’s London seit 2001 im Besitz des irischen Wirtschaftsmagnaten John Magnier. Die damals mit Gebühren erzielten 10,3 Millionen Pfund sind der höchste je auf einer Auktion erzielte Preis für ein Werk von Reynolds.
Jetzt verkaufte Magnier das Bild, nun für stolze 50 Millionen britische Pfund. Eine mehrmals verlängerte Ausfuhrsperre sollte es der National Portrait Gallery, die an dem Porträt Interesse bekundete, ermöglichen, das Bild anzukaufen.
Alle sind sich einig, wie wichtig das Gemälde für den britischen Staat ist. Der britische Historiker David Olusoga brachte es in der Irish Times auf den Punkt: „Dies ist vielleicht das beste Werk des besten britischen Porträtkünstlers und das allererste großformatige Porträt eines nicht-weißen Menschen.“
In der Tat ist es laut Experten eines der bedeutendsten frühen Vollporträts eines Südseeinsulaners. Politisch und kulturell steht es für Zweierlei: Einerseits signalisiert es ein neues Bewusstsein für den kolonialistischen Hintergrund der Welterkundung. Andererseits spiegelt es die Bemühungen heutiger Museen, ihre Sammlungen zu diversifizieren und nicht nur Porträts von weißen Herrschern und Herrscherinnen auszustellen.
Für die National Portrait Gallery, die gerade aufwendig renoviert wird und im Juni wiedereröffnet, wäre es einer der bedeutendsten Ankäufe seiner Geschichte. Aber das Museum konnte die Gelder nicht einwerben. In letzter Sekunde fand sich nun eine Rettung. Der amerikanische Getty Trust war bereit, die Hälfte der Kosten zu tragen und das Bild gemeinsam mit der National Portrait Gallery anzukaufen.
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In einer neuartigen und bisher einzigartigen Partnerschaft haben die beiden Institutionen – die eine öffentlich, die andere eine private Stiftung – das Bild gemeinsam angekauft. Ab Ende Juni wird es für drei Jahre in der frisch renovierten Galerie in London zu sehen sein, bevor es 2026 nach Los Angeles umzieht. Langfristig soll das Bild zu gleichen Teilen in London und im J. Paul Getty Museum zu sehen sein.
In einer Zeit, in der öffentliche Museen immer weniger Ankaufsgelder haben, ist dieser Gemeinschaftsankauf ein ausgezeichnetes Modell, wie auch über Kontinente hinweg historisch bedeutsame Objekte für die größtmögliche Öffentlichkeit gerettet werden können.

Debatte um Kolonialschuld
Einen kleinen Dämpfer versetzt allerdings die hohe Summe, die ein Kunstschätzer als Preis ansetzte. Denn noch immer markieren die 10,3 Millionen Pfund, die 2001 für das gleiche Bild bezahlt wurden, einen Rekordpreis für Reynolds. Es gibt also keine Vergleichszahlen. Die 50 Millionen Pfund erscheinen unangemessen hoch.
Magnier erzielte knapp 40 Millionen Pfund Gewinn aus der Transaktion, von der weder Mai als Porträtierter, noch die Nachfahren in Französisch-Polynesien profitieren. So lobenswert es ist, dass dieses Bild nun der Öffentlichkeit zugänglich ist, so hinterlässt diese Erfolgsgeschichte doch auch eine schalen Nachgeschmack.
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