Antiquitäten in London: Eine Schallplatte würzt die Auktionen

Versteigert wird die erste Studioaufnahme von Bob Dylans Lied „Blowing in the Wind“ seit der originalen Fassung von 1962.
London. 250 Pfund Gebühren musste das Auktionshaus Christie’s entrichten, um eine Gruppe indischer Stühlen und ein Sofa legal versteigern zu dürfen. Soviel kostet es, um bei der britischen „Animal and Plant Health Agency (APHA)“ ein vor 1918 entstandenes Objekt aus Elfenbein von dem fast totalen Bann auf das kostbare Material befreien zu lassen.
Grund dafür? Der „außergewöhnlich hohe künstlerische, kulturelle und historische Wert des Ensembles“ – so der Gesetzestext. Geschaffen wurde das Ensemble um 1785 in der Hochphase des britischen Weltreichs. Die Witwe des Nawab von Bengalen, einem von der britisch-ostindische Handelsgesellschaft abhängigen Herrschers, gab die Sitzmöbel in Auftrag. Sie waren als Geschenk an General Warren Hastings und seiner Frau gedacht, und tatsächlich erreichten sie England vor 1800.
Stilistisch vereinigt die für den westlichen Gebrauch geschaffene Suite Motive chinesischer Kunst, kombiniert mit der Technik und dem Material lokaler bengalischer Handwerker. Zu Recht stellt sie ein handwerkliches und künstlerisches Meisterwerk dar, versinnbildlicht zugleich aber auch die Geschichte britischer Kolonialherrschaft.
Die Suite war ursprünglich viel größer. Teile befinden sich heute im Victoria & Albert Museum und anderen Sammlungen. Zuletzt wurden die hier angeboten Stühle 2012 für 1,2 Millionen Pfund ebenfalls bei Sotheby‘s in Einzelteilen verkauft. Nun wurden sie von erst drei und dann zwei im Wettbewerb miteinander stehenden Bietern am Telefon in einem mehr als zehnminütigen Pingpongspiel letztlich für 3,1 Millionen Pfund verkauft.
Die ursprüngliche Schätzung war 400.000 bis 600.000 Pfund. Das Ergebnis ist ein Zeichen für den Erfolg, den historische Ausnahmen von dem Bann an Elfenbeinprodukten erzielen können, um Kulturerbe nicht nur zu erhalten, sondern auch in Umlauf zu bringen. Wer der glückliche Käufer ist, ist eine spannende Frage, kann man Elfenbein doch nicht in die EU einführen.

Das um 1785 gefertigte Ensemble wurde von der Witwe des Nawab von Bengalen in Auftrag gegeben. Sie waren ein Geschenk für den englischen General Warren Hastings und seine Frau. Die Stühle erzielten nach hartnäckigem Bietkampf 3,1 Millionen Pfund.
Die Versteigerung von Kunstschätzen bei Christie’s und Sotheby’s stellt eine zeitgemäße Form eklektischen Sammelns vor, bringt sie doch „wunderbare Objekte“ aus mehreren Jahrtausenden zusammen. Dem Fokus auf Qualität in Sammelsparten ist ein Sammelsurium von interessanten Objekten gewichen, die von Antiken über Möbel, Silber, Porzellan und Waffen bis hin zu technischen Entwicklungen reichen.
Während es zu beklagen ist, dass oftmals spezifische Abteilungen geschlossen werden, weil der Markt insgesamt klein ist, so zeigt der Erfolg der Auktionen zumindest bei Christie‘s auch an, dass man heutige Sammler einfach nicht in Kategorien einordnen kann. Der Geschmackswandel führt dazu, dass man keine Trends mehr ausmachen kann. Außer vielleicht, wie interessiert der globalisierte Markt an Objekten aus der ganzen Welt ist.
1,5 Millionen Pfund für Bob Dylan-Lied
Bei Christie’s war der Höhepunkt der Auktion eine Statue aus Ägypten aus der Zeit von 2400 bis 2300 v. Chr. Ursprünglich mit Preis auf Anfrage gesehen, meldete sich vor der Auktion ein Garant für die Arbeit und die öffentliche Schätzung betrug nun 5 bis 8 Millionen Pfund. Am unteren Schätzwert zugeschlagen brachte sie mit Aufgeld 6 Millionen Pfund. Auch diese Arbeit spricht von Austausch der Länder, kam sie doch in britischen Besitz als Geschenk des britischen Botschafters in Konstantinopel an König Georg III.
Erstaunlich erfolgreich war das neueste Objekt in der Auktion, eine erst im letzten Jahr neu aufgenommen Studioaufnahme von Bob Dylan’s „Blowing in the Wind“ in einer Auflage von 1/1 als besondere Schallplatte gepresst. Das besondere an der Aufnahme ist für Musikliebhaber die Qualität des ikonischen Liedes, das heute von einem alten Mann gesungen, eine ungekannte Brüchigkeit in die Aufnahme bringt.

Detail aus einer aufgeklappten Gebetsnuss aus Buchsbaum, die bei Sotheby's für 605.000 Pfund versteigert wurde, zum Zehnfachen der Taxe.
Es ist die erste Studioaufnahme seit der originalen Fassung von 1962. Für Technikfans ist das Besondere, dass ein neues Verfahren die Platte fast unzerstörbar macht. Ein dünner Film schützt sie vor der Abnutzung beim Abspielen. Die Marketingkampagne war erfolgreich genug, den schon hohen Schätzpreis von 600,000 bis 1 Millionen Pfund auf 1,5 Millionen Pfund in die Höhe zu treiben.
Für die, die jedoch an den Massenaspekt von Popmusik glauben, stellt sich natürlich die Frage, warum nun auch noch eine Musikaufnahme zum teuren Einzelobjekt werden muss und warum nur ein Besitzer dieses Klangspektakel erleben darf. Aber vielleicht ist es auch kein Zufall, das Dylan gerade eine UK-Tour bekannt gab; da wird das Lied sicher nicht fehlen und mehr Fans können dabei sein und die ganz besondere Livestimmung erleben.
Harte Konkurrenz um Gebetsnuss
Aber zurück in die Geschichte. Auch europäisches Kunsthandwerk hält weiterhin seine Position. Ein gotischer flämischer Gobelin von ca. 1490 bis 1510 übersteigt weit die Schätzung und erzielte 504.000 Pfund. Acht vergoldete Silberleuchter aus Dresden aus dem 18. Jahrhundert verdoppelten die untere Schätzung von 300.000 Pfund und erbrachten 693.000 Pfund. Und Porzellan ist weiterhin begehrt – mit Chinoiserien und ohne.
Sotheby’s stellte seine Auktion anders auf. Auf die „Treasures“-Auktion folgte noch eine medienübergreifende Auktion mit Meisterwerken der Skulptur. Hier stich vor allem eine Gebetsnuss aus dem 16. Jahrhundert hervor, deren biblische Szenen detailgetreu ins Buchsbaumholz geschnitzt wurden.
Schwache Verkaufsquote für „Treasures“
Diversen Bietern war die beschnitzte Nuss so viel Wert, dass sie auf das zehnfache der Taxe anstieg und 605.000 Pfund brachte. Auch eine Adam und Eva Holzgruppe von Leonhard Karen betörte die Augen und vervierfachte die mittlere Schätzung zu 918.000 Pfund.
Bei der eigentlichen ‚Treasures‘ Auktion fällt die schwache Verkaufsrate auf. Von 28 Losen verkauften sich nur zwölf. Damit lag die Verkaufsrate bei desaströsen 43 Prozent. Vielleicht hätte das Haus doch alle Preziosen hier versammeln sollen.
Christie’s lag im Vergleich bei 71 Prozent für 42 Lose. Kann das Haus die Schwäche im Bereich der Alten Meister mit Verweis auf die „Jubilee Auction“ noch wegerklären, so gelingt das hier nicht. Vielleicht ein Grund, warum es keine Pressetexte zu diesen Auktionen mehr gibt?
Zurück ging ein Silberkrug aus Augsburg von 1710, der im 19. Jahrhundert von den Londoner Goldschmieden Rundell, Bridge und Rundell mit neueren Verzierungen verschönt wurde. Die Schätzung lag bei 80.000 bis 120.000 Pfund. Ebenfalls zurückgereicht wurde die Mehrzahl des englischen Silbers aus dem 18. Jahrhundert, das zwar nicht mehr den Wert wie noch vor zehn Jahren hat, aber eigentlich noch immer in Großbritannien gesammelt wird.
Eine Auktion, die eigentlich auf das Besondere hinzielt, kommt eben mit traditionellem Silber nicht weit. Der unabhängige Kunsthandwerk- und Antiquitätenberater William Iselin aus London bewertet die Situation wie folgt: „Es war wie der Roman „Eine Geschichte aus zwei Städten“ von Charles Dickens, aber bei den Auktionen: Christie’s hatte die richtige Mischung an Objekten, die den eklektischen Geschmack heutiger Sammler ansprach. Sotheby’s Auktion hingegen scheiterte durch die viel weniger ansprechenden Lose mit einer Überzahl an Silber.“

Auf dem 1915 datierten Anhänger ist ein rotes Kreuz aus Rubinen appliziert. Er erzielte unerwartete 214.000 Pfund.
Dabei habe Marktfrische noch nicht einmal eine große Rolle gespielt. Christie’s habe ein Paar wunderbarer neoklassischer Vasen für einen hohen Preis verkauft. Diese seien erst kürzlich in einer englischen Provinzauktion erschienen.
Erfolgreich war hingegen ein dekoratives Genfer Dominospiel aus Emaille von 1804 bis 1808. Es spielte 302.000 Pfund, lag damit innerhalb der Schätzung von 250.000 bis 400.000 Pfund.

Dass auch russische Kunst die heutigen Konflikte überstehen kann, zeigt eine filigrane Kette mit Bleikristallanhänger aus dem Hause Fabergé von 1915, auf der ein rotes Kreuz aus Rubinen appliziert ist. Statt der erwarteten 40.000 bis 60.000 Pfund brachte die Arbeit 214.000 Pfund. Die Kette war der Krankenschwester Signe Zander von Marta Nobel-Oleinikoff geschenkt worden, in Anerkennung ihrer Arbeit für das Rote Kreuz im ersten Weltkrieg. Jetzt kommt sie von den Nachkommen in den Handel. Ein Zeichen für den Frieden.
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