Auktionen: Sotheby's in New York: Der überhitzte Kunstmarkt hat sich leicht abgekühlt

Das Großformat, das den jüngsten Stilwandel des Künstlers belegt, wurde mit 11,9 Millionen Dollar Toplos des Abends (Ausschnitt).
New York. Nach Christie‘s Sensationsumsatz von 1,6 Milliarden Dollar für die Paul Allen-Sammlung konnte auch Sotheby’s zufrieden sein. An zwei Abenden spielten in New York 117 Werke von Moderne bis in die Gegenwart 706,1 Millionen Dollar ein. Trotz den Allen-Erfolgs wurde in dieser Woche deutlich, dass sich der überhitzte Kunstmarkt leicht abgekühlt hat. „Das Überschäumende ist weg“, bemerkte Stephen Brooks, CEO von Phillips.
Immer noch begeistern hervorragende Qualität und Provenienz. Aber Sammler waren nicht leicht aus der Reserve zu locken. Das teuerste Los dieser Woche wurde Andy Warhols Großformat „White Disaster [White Car Crash 19 Times]“ aus der nicht eben gefälligen Serie „Death and Disaster“ von 1963 konnte zwar zugewiesen werden. Doch das Hochformat blieb beim Zuschlag von 74 Millionen Dollar (mit Aufgeld 85,4 Millionen Dollar) unter den avisierten, unveröffentlichten 80 Millionen Dollar.
Der legendäre Schweizer Händler Thomas Ammann, in dessen Sammlung sich das Bild knapp zehn Jahre lang befand, hatte im Mai 1987 in New York noch 660.000 Dollar gezahlt. Die Taxe für das schwarzweiße, zu wenig kommerzielle Bild sei zu hoch gegriffen, sagte ein Marktteilnehmer. Im Jahr 2013 hatte „Silver Car Crash (Double Disaster)“ den Rekord von 105 Millionen Dollar eingespielt.
Auch Francis Bacons Triptychon „Three Studies for Portrait of Lucian Freud“, vom europäischen Einlieferer 2011 in London zu 23 Millionen Pfund aus der prominenten Genfer Sammlung George Kostalitz ersteigert, landete bei 30 Millionen Dollar inklusive Aufgeld knapp unter der niedrigen Erwartung. Nach Angaben des Hauses wird es wieder gen Großbritannien, in eine wichtige, noch nicht genannte Privatsammlung ziehen.
Zu den Toplosen gehörten auch drei von den Enkelinnen eingelieferte imposante Gemälde Willem de Koonings. Dank aggressiver Taxen fanden sie kaum Interesse und endeten im Besitz der Garantiegeber. Die besonders seltene Landschaft von etwa 1979, die von der Familie mit dem Spitznamen „der Monet“ versehen wurde, wechselte zur unteren Taxe von 30 Millionen Dollar netto die Hände. Das sind 34,8 Millionen Dollar mit Aufgeld.

Das Hochformat aus der nicht eben gefälligen Serie „Death and Disaster” von 1963 blieb beim Zuschlag von 74 Millionen Dollar (mit Aufgeld 85,4 Millionen Dollar) unter den avisierten, unveröffentlichten 80 Millionen Dollar.
Auf lebhaftes internationales Interesse stieß hingegen am selben Abend wieder die eigentlich für ganz junge Künstler konzipierte Plattform „The Now“. Manche Lose zogen allein zehn bis zwölf Telefonbieter an. Sämtliche 22 Werke wurden weitergegeben; die Einnahmen von 45,8 Millionen Dollar landeten mitten in den Erwartungen, es fielen fünf Rekorde.
>> Lesen Sie hier: Sotheby's Auktionen in Paris: Inventar aus dem Haus Al Thani – Impulse für Luxusdekor aus dem 18. Jahrhundert
Zum ersten Mal bot die Auswahl außer heißen jungen Stars wie Louis Fratino, Salman Toor oder Julien Nguyen, auch älteren und unterbewerteten Künstlern Raum. Mindestens sechs Bieter verfolgten das „Ω:)“ betitelte Großformat der New Yorker Malerin Jacqueline Humphries, die auf der Biennale von Venedig vertreten ist. Bei 650.000 Dollar waren noch drei Bieter am Ball, erst bei beim Rekord von 850.500 Dollar brutto fiel der Hammer. Die Schätzung belief sich auf 300.000 bis 400.000 Dollar.
Toplos des Abends wurde Yoshitomo Naras beeindruckendes Großformat „Light Haze Days / Study“, das den jüngsten Stilwandel belegt. Hier griff Wendy Lin, Sotheby’s Managing Director in Taipei, taxgerecht bei 11,9 Millionen Dollar zu. Asiatische Sammler, die sich stets besonders für die ganz junge Kunst engagierten, waren am Mittwochabend mit einem Großaufgebot vertreten. Käufer aus dem asiatischen Raum sicherten sich 56 Prozent des Angebots nach Wert.
Am Montag hatte Sotheby’s „Modern Evening“ mit marktfrischen Werken aus den legendären Sammlungen von William S. Paley, Gründer von CBS, und David M. Solinger, Anwalt und Präsident des Whitney Museum of Art, aufgetrumpft. „Leute lieben Nachlässe“, bestätigte Privathändler Howard Shaw.

Das düstere Aquarell aus der Sammlung Solinger wurde mit 2,3 Millionen Dollar bewertet.
Die Erben des bereits 1996 verstorbenen Solinger ließen eine erste Tranche von 23 Werken aus seinem umfangreichen Nachlass versteigern. Mit sicherem Auge hatte Solinger vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren junge, ungetestete Talente in New Yorker und Pariser Galerien erspäht; viele sind heute Marktgiganten.
Bestes Beispiel ist Willem de Kooning, den Solinger 1948 in seiner ersten Soloshow entdeckte. Die farbenfrohe „Collage“, eine Papierarbeit in handlicher Größe aus dem Jahr 1950 führte die Riege an. Sotheby’s hatte sie mit 18 bis 25 Millionen Dollar bewertet. Sie wurde von mindestens fünf Bietern bis zu starken 33,6 Millionen Dollar mit Aufgeld verfolgt.
Ebenfalls begehrt war Alberto Giacomettis in Paris erworbene kleine Skulpturengruppe „Trois hommes qui marchent (grand plateau)“, die der Künstler auf Solingers Vorschlag hin farbig gefasst hatte. Sie inspirierte ein sieben Minuten langes Duell, aus dem der New Yorker Händler Jeffrey Deitch beim Zuschlag von 26 Millionen Dollar siegreich hervorging. Mit Aufgeld zahlte er 30,2 Millionen Dollar.
>> Lesen Sie hier: Auktion bei Sotheby's – Der Anwalt und die Kunst, Liebe auf den ersten Blick
Nur einen Interessenten sah dagegen Pablo Picassos düsteres Bild „Femme dans un fauteuil“, das ein Beobachter als „Albtraum“ interpretierte. Hier fiel der Hammer schon bei 8,4 Millionen Dollar, weit unter der unteren Taxe von 15 Millionen Dollar.


Ungewöhnlich beim heutigen Marktklima: die von Gagosian Art Advisory vertretene Solinger-Familie hatte auf die mittlerweile üblichen Garantien verzichtet. Angeblich sicherte sie sich jedoch einen beträchtlichen Anteil am Aufgeld. Das Risiko zahlte sich aus: Am 14. November wurden weit über den Erwartungen 137,9 Millionen Dollar eingehämmert.
Vom Höhepunkt des Abends, Piet Mondrians „Composition No. II“, trennte sich der Londoner Mode-Unternehmer Peter Simon gegen eine unveröffentlichte Erwartung von 50 Millionen Dollar. Trotz geduldiger Bemühungen des Starauktionators Oliver Barker sauste sein Hammer bereits bei 48 Millionen Dollar nieder; inklusive Aufgeld sind das 51 Millionen Dollar, ein sehr knapper neuer Rekord für den Künstler. Käufer und Unterbieter kommen aus Asien.
Mehr: Christie's Versteigerungen von Paul Allens Kunstsammlung wird zum spektakulären Erfolg






