Auktionsnachbericht: Überraschungen mit Wermutstropfen

Wien. Vergangenes Jahr erreichten die globalen Auktionsumsätze bei den Alten Meistern ein 15-Jahres-Tief, wie der von Clare McAndrew verantwortete Art Market Report von Art Basel und UBS jüngst feststellte – was laut McAndrew auch daran lag, dass weniger sehr Hochpreisiges verkauft wurde.
Diesen Trend spiegelte die vergangene Altmeister-Auktion des Dorotheums wider – das Wiener Haus zählt laut Art Market Report nach Christie’s und Sotheby’s gemeinsam mit Kornfeld und Bonhams zu den fünf wichtigsten internationalen Playern des Sektors. Nur bei wenigen Losen lagen die Schätzwerte im sechsstelligen Bereich.
Doch die Sensation des Abends ließ nicht lange auf sich warten. Gleich das erste Los, das mit einer Taxe von 100.000 bis 150.000 Euro in der oberen Preisrange lag, vervielfachte die Erwartungen. Es handelte sich um eine Tuschezeichnung auf Holz von einem „Salvator Mundi“, die dem Spanier Fernando Llanos, einem Werkstattgehilfen von Leonardo da Vinci, zugeschrieben ist. Das Werk wurde rasant auf 400.000 Euro gehoben und von dort aus langsamer bis zum Hammerpreis von 500.000 Euro gesteigert – inklusive Aufgeld kommt es damit auf 650.000.
Spielte bei diesem Ergebnis vielleicht ein wenig die Hoffnung mit, dass sich der Anteil Leonardos eines Tages als höher entpuppen könnte? Im Katalog erinnerte das Dorotheum jedenfalls vorsorglich an dessen „Praxis, die Ausführung seiner Werke seinen Schülern anzuvertrauen, bevor er sie selbst noch einmal überarbeitete und veränderte, wodurch die Rollen in der Werkstatt oft verschwimmen“ – und wies darauf hin, dass einige Haarsträhnen am Haupt Christi eher typisch für Leonardo denn für seinen Mitarbeiter Llanos seien.
Keine zehn Minuten später zog Herri met de Bles’ „Landschaft mit der Vision der Apokalypse des Johannes auf Patmos“ nach. Das mit 80.000 bis 120.000 Euro veranschlagte Werk des Antwerpeners kletterte auf 270.000 Euro; der Bruttopreis liegt bei 351.000 Euro.
„König Salomon und die Königin von Saba“ von Erasmus Quellinus II., einem einstigen Werkstattmitarbeiter von Rubens, erzielte mit 201.500 Euro ebenfalls einen hervorragenden Preis. Das auf 50.000 bis 70.000 Euro geschätzte Werk hatte sich einst in einer deutschen Privatsammlung befunden. Es ist auf 1650 datiert und war bis vor Kurzem unbekannt. Man weiß von vier ähnlichen Kompositionen des Flamen, eine davon befindet sich in der Staatlichen Gemäldegalerie Kassel.
Auch das „Gruppenporträt einer Familie vor einer Architekturkulisse, traditionell identifiziert als die Mitglieder der Familie Janssen“ von François Duchatel, über den die Forschung nur wenig weiß, sorgte mit einem Ergebnis von 83.200 Euro für Freude. Ebenso das Porträt der österreichischen Kaiserin Maria Theresia als Königin von Ungarn, das 84.500 Euro brachte. Es stammt von ihrem Hofmaler Martin van Meytens und ist ein für ihn sehr typisches Werk. Beide letztgenannten Lose waren auf 15.000 bis 20.000 Euro taxiert.

Allerdings gab es auch bittere Wermutstropfen: Ausgerechnet die am höchsten taxierten Werke fanden keine Abnehmer – womit das Dorotheum, wie oben erwähnt, im Trend liegt. Ein wunderschöner Jahreszeiten-Zyklus von Joos de Momper II. und Jan Brueghel I., der Seltenheitswert besitzt und um 1615 datiert wurde, blieb liegen. Er war auf 600.000 bis 800.000 Euro geschätzt.
Dasselbe Schicksal ereilte ein wiederentdecktes, wahrscheinlich aus der Sammlung von Rudolf II. stammendes Gemälde des Genuesers Luca Cambiaso mit „Diana und Callisto“, das mit derselben Taxe ins Rennen gegangen war. Auch für eine „Winterlandschaft mit vergnügtem Treiben auf dem Eis“ von Hendrick Avercamp und einem Werkstattgehilfen schien es zunächst kein Gebot zu geben; jedoch rief der Auktionator Rafael Schwarz das Gemälde während der Versteigerung erneut auf – es hatte sich doch noch jemand gefunden, der das Werk nun für 110.500 Euro erwirbt.
Das letzte Los, die Nummer 187, sollte offensichtlich einen kräftigen Schlusspunkt setzen – eine nur sieben mal 5,6 Zentimeter große, unregelmäßig beschnittene Tuscheskizze von Raffael. Sie zeigt den leicht geneigten, nachdenklich scheinenden Lockenkopf eines jungen Mannes fast im Profil. Raffael-Experte Paul Joannides, der die Echtheit bestätigte, datiert das Blatt auf 1507.
Auch hier sah es zunächst wieder so aus, als würde das Werk liegen bleiben. Nachdem sich der Auktionator schon beim Publikum bedankt hatte, tröpfelten aber doch noch Gebote ein und kämpften sich halbwegs zum unteren Schätzwert von 120.000 Euro vor; letztlich erzielte die kleine Papierarbeit 149.500 Euro.

In Summe kamen nur acht Lose in den sechsstelligen Bereich – ein Tiefstand, verglichen mit den großen Altmeister-Auktionen des Dorotheums in den vergangenen Jahren. Die Verkaufsquote lag bei rund der Hälfte, der Gesamtumsatz bei 5,32 Millionen Euro. Angesichts der gegenwärtig nicht ganz einfachen Marktsituation kann sich dieses Ergebnis aber dennoch sehen lassen, das allerdings auch der für Dorotheum-Auktionen in der Altmeister-Sparte überdurchschnittlich hohen Loszahl zu verdanken ist.
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