Auktionsbericht: Große Überraschungen und enttäuschte Hoffnungen

Wien. Das Beste kommt zum Schluss: Nach diesem Motto lief die Altmeister-Auktion im Wiener Dorotheum am 23. Oktober. Das Porträt von Francisco José de Goya y Lucientes – mit vollem Titel „Brustbild des jungen Don José Álvarez de Toledo Osorio y Gonzaga, Herzog von Alba und 11. Marquis von Villafranca“ (um 1783) – wurde dann tatsächlich das Toplos: Bei einem moderaten Schätzwert von 400.000 bis 600.000 Euro erzielte es letztlich 520.000 Euro, Aufgeld und Steuern inklusive. Erst kürzlich wiederentdeckt, ist die Zuschreibung an Goya bisher nicht allgemein anerkannt.
Tendenziell lagen die versteigerten Lose eher am oder über dem oberen Schätzwert. Wobei die Verkaufsquote – bei Alten Meistern häufig – niedrig war: 116 Lose fanden Abnehmer, 98 nicht. Die größte Überraschung bereitete ein „Ungläubiger Thomas“ aus dem Caravaggio-Umkreis, der seinen oberen Schätzwert mit 292.500 Euro fast verzehnfachte.

Die Erwartungen übertrafen auch Giovanni Paolo Panninis „Darbringung eines Opfers an Asklepius (Äskulap) auf der Tiberinsel in Rom“ von 1734 für 395.500 Euro, eine Regatta am Canal Grande von Luigi Querena für 339.000 Euro, ein „Herbst“ von Francesco Bassano für 62.000 Euro, ein Duo aus „Kreuzigung“ und „Pietá“ des Sassoferrato, das mit 84.750 Euro den oberen Schätzwert verdoppelte, sowie ein Erzengel Michael von Francesco Botticini für 71.500 Euro. Auch Angelika Kauffmanns „Porträt der Lady Anne Simpson“ schlug sich gut und erreichte mit 28.250 Euro fast die obere Taxe.
Weiters fiel auf, dass unbekannte Meister (oder Meisterinnen?) besonders häufig über die Erwartungen hinausschossen: Das Bildnis eines Habsburger Hofmalers um 1700 verdoppelte mit 23.400 Euro den oberen Schätzwert, ein Hieronymus aus der römischen Schule des 17. Jahrhunderts verdreifachte die Taxe mit 22.100 Euro beinahe, die Flusslandschaft eines anonymen Nachfolgers von Brueghel d. Ä. kletterte gar auf 28.600 Euro bei einer Schätzung von 6000 bis 8000 Euro.

Allerdings blieb gerade jenes Werk von unbekannter Hand, in das die größten Hoffnungen gesetzt waren, unverkauft: Das wunderschöne spanische Stillleben „Mirabellen und Früchte des Erdbeerbaums auf Porzellantellern flankieren einen Korb mit gelben Granatäpfeln auf einem Steinsims“, das mit Meistern wie Francisco de Zurbarán in Verbindung stehen soll, fand keine Abnehmer. Den Schätzwert „auf Anfrage“ hatte das Dorotheum mit 800.000 bis 1,2 Millionen Euro angesetzt, offenbar zu hoch. Ein Stillleben Jan Brueghels d. J. (120.000 bis 180.000 Euro) ereilte dasselbe Schicksal, ebenso wie das Los von Sebastiano del Piombo (300.000 bis 500.000 Euro). Insgesamt setzte das Dorotheum mit der Altmeister-Auktion über 5,5 Millionen Euro um.
Das Pendant zu Goyas Bildnis war bei der Auktion von Gemälden des 19. Jahrhunderts am Tag zuvor Ferdinand Georg Waldmüllers „Hansl’s erste Ausfahrt“. Geschätzt auf ebenfalls 400.000 bis 600.000 Euro, erzielte es ebenfalls 520.000 Euro. Das 1938 seiner jüdischen Eigentümerin geraubte Bild hatte schon Monate zuvor mediale Aufmerksamkeit erhalten, war es doch aus dem Museum Wiesbaden restituiert worden. Auf dem Gemälde zieht ein Knabe mit einem Handkarren ein Mädchen und einen kleinen Buben: das Bild eines Aufbruchs. Einen solchen zeigt auch Józef von Brandts „Übergang über den Don“, das mit 331.500 Euro die Taxe weit überflügelte.

Interessanterweise finden sich unter den fünf Toplosen dieser Auktion drei mit Männern auf Pferden, darunter auch Alfred von Wierusz-Kowalskis „Erfolgreiche Fuchsjagd“ (105.900 Euro) sowie Franz Roubauds „Kosakenreiter bei einer Flussüberquerung“ (104.000 Euro). Erfolgreich war auch Juan Luna y Novicios „Dame in rotem Kleid mit einem Manila-Schal (Una Manola)“, das 273.000 Euro kostete.
Zu den Heldinnen des Abends zählten einmal mehr die österreichischen Stimmungsimpressionistinnen, deren Lose allesamt Abnehmer fanden – Olga Wisinger-Florians prachtvolles Wiesenstück aus einem Jahreszyklus, den sie selbst als persönliches Meisterwerk betrachtete, zu 91.000 Euro, zwei weitere Gemälde von ihr für 23.400 und 26.000 Euro. Gemälde von Marie Egner erzielten 28.600 sowie 26.000, ein Kleinformat von Tina Blau 4680 Euro.

Gut verkaufte sich auch das Bild „Kunstblumenbinderinnen“ von Johann Hamza, ein Einblick in eine Manufaktur, in der ausschließlich Frauen arbeiten, für 37.700 Euro. Der Ort ist durch einen Ausblick aus dem Fenster genau zu lokalisieren, nämlich an der Ecke Mariahilfer Straße/Amerlingstraße in Wien. Ihr Namensgeber, der Wiener Biedermeiermaler Friedrich von Amerling, war bei dieser Auktion allerdings weniger beliebt: Sein „Bildnis Ârif Mehmed Efend“ blieb mit 16.900 Euro am unteren Schätzwert hängen, zwei Porträts gingen zurück – ebenso wie ein fast übertrieben idyllisches „Mutterglück“ von Waldmüller.
Etwas überraschend scheint, dass die beiden mystischen Landschaften von Karl Wilhelm Diefenbach auf keinerlei Interesse stießen, zählt der Symbolist doch zu den Stars der international rezipierten aktuellen Ausstellung „Verborgene Moderne“ im Leopold Museum. Insgesamt verkauften sich 62 Prozent der Lose, mit denen das Dorotheum rund 3,3 Millionen Euro umsetzte: ein vergleichsweise respektables Ergebnis angesichts der Tatsache, dass das 19. Jahrhundert schon seit Längerem etwas schwächelt.





