Auktion im Dorotheum: Steigende Kauflaune in Wien
Wien. Vor zehn Jahren zeigte die österreichische Malerin Martha Jungwirth eine lang überfällige Retrospektive in der Kunsthalle Krems, rund 80 Kilometer von Wien entfernt. Dass die damals 74-Jährige noch am Anfang einer steilen Karriere am Auktionsmarkt stand, wird erst im Nachhinein bewusst. Denn mittlerweile entdeckt auch der internationale Kunstbetrieb die gestisch-abstrakte Malerei der 1940 geborenen Künstlerin.
Ihre jüngste Retrospektive im Guggenheim-Museum in Bilbao dürfte ihren Aufstieg ebenso vorangetrieben haben wie die Tatsache, dass Stargalerist Thaddaeus Ropac sie seit 2021 vertritt.
Nun setzte sie einen neuen Rekord: Am 20. November versteigerte das Wiener Dorotheum in der ersten Tranche seiner Zeitgenossen-Auktion ein Ölgemälde Jungwirths aus dem Jahr 2015. Mit dem Preis von 520.000 Euro – Zuschläge und Steuern inklusive – übertrumpfte Los 214 die Taxe von 180.000 bis 280.000 Euro bei Weitem. Nun ist es das teuerste je von dieser Künstlerin versteigerte Werk.
Eine andere Papierarbeit Jungwirths im mittleren Preisbereich blieb allerdings liegen. Eine kleinere erzielte anderntags im zweiten, ausschließlich online abgehaltenen Contemporary-Teil 16.900 Euro.
Jungwirths Preise ziehen jenen der teuersten österreichischen Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart nach, beispielsweise Arnulf Rainer und Maria Lassnig. Auch von ihnen fanden sich Lose in der Offerte. Rainers „Blaue Übermalung“ aus dem Jahr 1956 erzielte 254.250, ein Ölgemälde Lassnigs 208.000 Euro.
Ansonsten stachen eher internationale Positionen hervor. Ein Porträt Marcel Prousts von Andy Warhol für 383.500 Euro, ein dreiteiliges Werk von Imi Knoebel zu 136.500 Euro, eine großformatige Wandinstallation von Nobuo Sekine für 117.000 Euro und Rebecca Horns Installation mit 71.500 Euro kamen weit über die oberen Schätzwerte.

Auf Desinteresse stießen dagegen drei Gemälde von Heinz Mack, ebenso Lose von Thomas Houseago und der kürzlich mehrfach in Österreich gezeigten Chiharu Shiota. Startete Martha Jungwirth im höheren Alter durch, so erlebte der 1984 in Ghana geborene Amoako Boafo schon jung einen Hype. Der Höhepunkt war 2021, als Christie’s eines seiner großformatigen Ganzkörperporträts, die Schwarze Identität und Diversität feiern, für gut drei Millionen Euro versteigerte. Sechsstellige Summen sind für Boafos Werke längst keine Seltenheit.
Boafo studierte an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Dort zeigte er im Showroom für Studierende noch 2018 sein Gemälde „Teju“. Jetzt kostete es im Dorotheum 98.800 Euro. Wie eine große Schau im Wiener Belvedere gerade verdeutlicht, reflektiert Boafo die Porträtkunst Egon Schieles und Gustav Klimts.
In der Moderne-Auktion tags zuvor, am 19. November, waren Lose dieser beiden Wiener Heroen, Schiele und Klimt, zum Aufruf gekommen. Zwei Klimt-Zeichnungen blieben im niedrigen sechsstelligen Bereich; eine weitere kostete 31.200 Euro, zwei blieben liegen.
Hohe 700.000 Euro für eines der seltenen Selbstporträts Max Oppenheimers
Eine Überraschung dagegen bot Schieles „Sitzendes Mädchen mit Haarschleife“ von 1917, eine Aktfigur, die keusch ihr Bein anzieht, um so „den privaten Bereich zu verbergen“, wie es im Katalog gewunden heißt. Die Papierarbeit kostete 737.500 Euro bei einer Taxe von 240.000 bis 400.000 Euro.
Das war nur wenig mehr als der Preis für das Selbstporträt von Max (Mopp) Oppenheimer. Um 1933 entstanden, war Los 5 Gegenstand einer Restitution gewesen. Mit 700.000 Euro erzielte es nun einen Weltrekord für diesen Künstler. Der Wiener Maler ist bekannt für Bildnisse von Orchestern und Musikern, für die er einen charakteristischen, kristallin gebrochenen Stil entwickelte. Selbstbildnisse haben Seltenheitswert in diesem Oeuvre, das eine extensive Gesamtschau des Wiener Leopold-Museums 2023 vorstellte.

Ebendort war schon 2018 eine Retrospektive des Slowenen Zoran Mušič zu sehen. Von ihm kamen nun im Dorotheum fünf Lose zum Aufruf, die allesamt Abnehmer fanden. Das ist insofern bemerkenswert, als Mušičs Kunst teils schwere Kost ist. Ein 1991 entstandener „Uomo“ stellt einen sich Krümmenden dar und kostete 62.400 Euro, weit über dem oberen Schätzwert von 35.000 Euro. Einige Papierarbeiten lagen im vierstelligen Bereich. Das Aquarell „Wir sind nicht die Letzten“ zeigt einen Leichenhaufen und verarbeitet die traumatischen Erfahrungen des Künstlers im KZ Dachau. Es kam auf 6500 Euro.
Tendenziell war sowohl bei der zeitgenössischen Kunst als auch bei der Moderne zu beobachten, dass sich viele Lose an den oberen Schätzwerten bewegten oder diese übertrafen, nicht selten zumindest verdoppelten. Letzteres betraf auch Gemälde des Tiroler Bergmalers Alfons Walde, die 416.000 Euro und 299.000 Euro erzielten, aber auch Carl Molls „Wintersonne in Algier“ zu 234.000 Euro und Francis Picabias „Thalassa“ für 208.000 Euro. Die Kauflaune scheint also zu steigen.
Eigenen Angaben zufolge verkaufte das Dorotheum bei der Moderne beachtliche 81,5 Prozent der Lose, bei den Contemporary-Auktionen bescheidenere 68,4 Prozent für die erste Tranche und 65,4 Prozent für die zweite. Der Umsatz belief sich auf 7,2 Millionen bei der modernen und 8,4 Millionen Euro bei der zeitgenössischen Kunst.
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