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MesseberichtLaszive Blumen, bemalte Schränke und ein exklusiver Herrenklub

Die Viennacontemporary, Wiens wichtigste Messe für Gegenwartskunst, baut ihren CEE-Schwerpunkt aus und präsentiert eine gelungene Mischung aus ganz neuen und etablierten Galerien.Nina Schedlmayer 11.09.2025 - 15:50 Uhr Artikel anhören
Nona Inescu: Die junge Künstlerin zeigt am Stand von Catinca Tabacaru aus Bukarest unter anderem Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen sie sich in Steine in der Landschaft schmiegt. Foto: Catinca Tabacaru, Bukarest

Wien. Die vergangenen Jahre waren einigermaßen turbulent für die Viennacontemporary, Wiens wichtigste internationale Messe für Gegenwartskunst: der Wechsel von künstlerischen Leitungen und im Team, der Rückzug eines Eigentümers, die damit verbundenen Schulden sowie die allgemein nicht besonders rosige Lage am Kunstmarkt stellten die etablierte Veranstaltung vor ziemliche Herausforderungen. Erst im April dieses Jahres verließ die künstlerische Leiterin Francesca Gavin die Messe. Es übernahm Abaseh Mirvali, die zuvor in zahlreichen Institutionen, etwa der Fundación/Collección Jumex in Mexico City, in Führungspositionen tätig war.

Nun, einen Tag vor Eröffnung der Viennacontemporary, sitzt sie in der Halle D der Messe Wien, in jenem Bereich, der für Talks reserviert ist. Sie sprüht vor Energie, trotz eines aktuellen Arbeitspensums von täglich 15 Stunden – und schwärmt: von der luftigen Architektur der Messestände, von den Kuratoren und Kuratorinnen, die verschiedene Sektionen gestaltet haben, von der Leiterin der Tourguides, die ihr in der Wiener Albertina auffiel. Und sie scheint schon längerfristig zu denken.

Die finanziellen Turbulenzen sind freilich noch nicht ausgestanden. Mirvali und Geschäftsführer Markus Huber hoffen für 2026 auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt Wien. Ansonsten, so deutete Huber in der Tageszeitung „Der Standard“ an, stehe gar die Existenz der Messe auf dem Spiel. Jedoch sei man in „konstruktiven Gesprächen“ mit den Stellen der Stadt, sagt er.

In der aktuellen Ausgabe der Messe sind 97 Galerien versammelt, davon 38 aus Ost- und Südosteuropa – einer Region, die bei der Messe seit jeher besonders im Fokus steht, diesmal aber besonders stark vertreten ist. Aus Bukarest etwa ist Catinca Tabacaru angereist. An ihrem Stand zeigt die junge Künstlerin Nona Inescu in Metall gefasste Flusskiesel sowie Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen sich die Künstlerin in Steine in der Landschaft schmiegt. Sie sind für je 3800 Euro zu haben, das gesamte Ensemble kommt auf 10.000 Euro – wie auch die im Folgenden angeführten Summen sind dies Nettopreise.

Magdalena Lazars metallene Gebilde, die anschmiegsame Glasformen und digitale Fotografien bergen, springen bei der Galerie Bliss Warsaw ins Auge – zu sehen „Two Stories About Communal Living“ von 2023. Foto: Foto Patryk Ogorzałek

Bliss Warsaw, ein Viennacontemporary-Erstling, eröffnete erst im März. Nach vier Ausstellungen in den eigenen Räumlichkeiten in Warschau wagt sie sich nun erstmals auf eine Messe. An diesem Stand springen die Skulpturen der 1986 in Polen geborenen Magdalena Lazar ins Auge: metallene Gebilde, die anschmiegsame Glasformen und digitale Fotografien bergen oder sich als überdimensionale Blumen fast lasziv nach hinten beugen. Die Arbeiten kosten zwischen 2500 und 12.000 Euro. Auf der Viennacontemporary erwartet das junge Leitungsduo Katarzyna Piskorz und Lukasz Sinicyn eine aufgeschlossenere Sammlerschaft als in Polen, wo man beim Kunstkauf sehr auf Malerei fokussiert sei, wie sie sagen.

Zahlreiche Galerien nehmen erstmals an der Viennacontemporary teil, auch solche aus den österreichischen Bundesländern außerhalb Wiens – worauf Abaseh Mirvali, wie sie sagt, dezidiert geachtet habe. Zeynep Brugger aus Klaus in Vorarlberg etwa wurde von der Viennacontemporary eingeladen. Sie hat drei Objekte von Melanie Ebenhoch versammelt: Schränke, deren Rückseiten malerisch oder skulptural gestaltet sind, etwa mit einem Bild der berühmten „Frankfurter Küche“ in einer Alltagssituation – die Preise reichen von 17.000 bis 20.000 Euro. Die Galerie Brugger ist Teil der Zone 1 für junge Kunst mit Österreichkontext, der traditionellen Nachwuchsschiene. Neben Melanie Ebenhoch finden sich hier die Muschel-Bilderrahmen-Assemblagen von Hélène Fauquet bei Meyer Kainer, überdimensionale Reißverschlüsse und Zeitungshalter von Tobias Izsó bei der Christine König Galerie – und vieles mehr.

Die kuratierten Sektionen neben der „Zone 1“ heißen „Statements“, „VC Vault“ und „Context“. Für Letztere wählte Kuratorin Samantha Ozer Werke, die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Dafür fanden sich ausschließlich männliche Positionen, etwa der Wiener Aktionist Hermann Nitsch bei Zimmermann Kratochwill oder Hubert Schmalix bei Smolka Contemporary. Dieser exklusive Herrenklub erstaunt, vor allem angesichts der Tatsache, dass gerade Künstlerinnen dieser Generation neu bewertet werden.

Eine solche ist Greta Schödl, eine in Italien lebende, gebürtige Österreicherin Jahrgang 1929, die im Vorjahr bei der Biennale Venedig einen internationalen Auftritt hatte. Ihre Arbeiten zeigt die Londoner Galerie Richard Saltoun, die im Vorjahr der Messe ferngeblieben war. Nun möchte man Schödl – der eine der wenigen Einzelpräsentationen außerhalb der kuratierten Sektionen gewidmet ist – nachdrücklicher bei Sammlern und Institutionen positionieren. „Für Greta ist es ein wichtiger Moment in ihrer Karriere“, sagt Galeriedirektorin Valentina Costa. Die Preise der feinen Schriftzeichnungen und Marmorskulpturen reichen von rund 3500 bis 53.000 Euro.

Brigitte Kowanz: Ein Lichtobjekt von 2013 der Künstlerin gibt es bei der Wiener Galerie Krinzinger. Foto: Courtesy Galerie Krinzinger / Foto Anna Lott Donadel
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Die Wiener Galerien kamen so gut wie geschlossen; für sie ist die Viennacontemporary weiterhin die Nummer eins in ihrer Heimatstadt, auch wenn in den vergangenen Jahren immer mehr andere Messen hinzugekommen sind. Ursula Krinzinger und Rosemarie Schwarzwälder, die langjährigen Flaggschiffe des Wiener Galeriebetriebs, zeigen Überblicksausstellungen mit internationalen wie österreichischen Positionen. Erstere punktet mit einer Fotoarbeit von Marina Abramovic, die für etwa 79.650 Euro zu haben ist, einem Lichtobjekt von Brigitte Kowanz für rund 59.300 Euro sowie einer Papierarbeit für 101.800 Euro von Martha Jungwirth, die in den vergangenen zehn Jahren einen raketenhaften Aufstieg hingelegt hat. An Schwarzwälders Stand hängen großformatige Malereien, etwa von Herbert Brandl für 126.000 Euro und Katharina Grosse für 300.000 Euro. Bei der Standgestaltung sticht die Salzburger Galerie Sophia Vonier hervor, die sichtlich auf die Farbe Rot gesetzt hat, etwa mit einem prachtvollen Gemälde von Marianne Vlaschits, das etwa 8300 Euro kostet, und Soft-Skulpturen von Julia Haugeneder, die es ab circa 6800 Euro gibt.

Abaseh Mirvali holte eine Reihe an Galerien neu nach Wien. Im Gespräch mit dem Handelsblatt betont sie ihr Augenmerk auf die Messearchitektur, das Programm, die künstlerische Qualität. Bisweilen rät sie Galerien sogar, das eine oder andere Gemälde aus ästhetischen Gründen abzuhängen. Um die Kauflust macht sie sich keine Sorgen: „Wenn man dieses Niveau hat, dann reagieren auch die Sammler darauf.“ Das bleibt zu hoffen.

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