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AusstellungDem Vergessen entrissen: Die Pionierarbeit der Kunsthändlerin Grete Ring

Grete Ring war auf vielen Gebieten innovativ: als Studentin der Kunstgeschichte, als Wissenschaftlerin und Kunsthändlerin. Die Liebermann Villa beleuchtet die Stationen ihrer Lebensgeschichte.Christian Herchenröder 01.11.2023 - 14:30 Uhr Artikel anhören

Die Ausstellung in der Berliner Liebermann Villa am Wannsee widmet sich dem Lebenswerk der 1887 in Berlin geborenen und 1952 in London gestorbenen Kunsthändlerin Grete Ring.

Foto: Thomas Lingens

Berlin. Frauen als Kunstmarkt-Akteure waren lange systematisch unterbewertet, und das, obwohl sie vor allem im 20. Jahrhundert eine starke Rolle spielten. Man denke an Galeristinnen wie Aenne Abels, Jeanne Bucher, Iris Clert, Jane Kallir, Denise Rene, Berthe Weil, um nur einige zu nennen. Weibliche Auktionatoren prägten seit den 1980er-Jahren die angelsächsischen Kunstauktionen. Aus den Versteigerungen in aller Welt sind sie heute nicht mehr wegzudenken.

Und dennoch – gerade die Bewertung historischer Leistungen lässt noch zu wünschen übrig. Umso wichtiger ist eine Ausstellung in der Berliner Liebermann Villa am Wannsee. Sie widmet sich dem Lebenswerk der 1887 in Berlin geborenen und 1952 in London gestorbenen Kunsthändlerin Grete Ring.

Die Tochter eines Juristen, der mit der Schwester von Max Liebermanns Ehefrau verheiratet war, wuchs in einem großbürgerlichen Haus auf. Hier verkehrten die wichtigsten Sammler der Kaiserzeit. Sie war eine der ersten Frauen dieser Epoche, die Kunstgeschichte studierten. Mit einer Doktorarbeit zur niederländischen Bildnismalerei promovierte sie bei Heinrich Wölfflin. Der Kunsthistoriker hatte mit seinem Standardwerk „Kunstgeschichtliche Grundbegriffe“ klare Analysekriterien für die Stilentwicklung der neueren Kunst geschaffen.

Bereits in Grete Rings Studienzeit entstand der Kontakt zu Max J. Friedländer, dem Vizedirektor der Berliner Gemäldegalerie. Er empfahl sie nach einer Periode, in der sie als freie Kunstjournalistin für zahlreiche Kunstzeitschriften arbeitete, an die renommierte Kunsthandlung von Paul Cassirer. Dort war sie ab 1920 neben Walter Feilchenfeldt in leitender Funktion tätig. 1926, nach dem Selbstmord Cassirers, übernahmen sie und Feilchenfeldt die Kunsthandlung.

Schon zu dieser Zeit hatte sie Aufsätze in zahlreichen Kunstzeitschriften und Periodika verfasst. Ihr gutes, stilkritisch geschultes Auge identifizierte 1928 sechs Gemälde als Fälschungen aus dem Besitz von Otto Wacker. Sie sollten in die große Van Gogh-Ausstellung bei Cassirer integriert werden und figurierten bereits im Katalog. Wacker hatte einige dieser Bilder bereits in den Berliner Handel und eines sogar in die Berliner Nationalgalerie lanciert. Zwei dieser Machwerke sind jetzt in der Berliner Ausstellung zu sehen: Produkte eines mediokren Talents.

Grete Ring identifizierte 1928 sechs angebliche Van Gogh-Gemälde als Fälschungen aus dem Besitz von Otto Wacker.

Foto: Thomas Lingens

Die Ausstellung beleuchtet die Stationen einer Lebensgeschichte, der ein breites berufliches Netzwerk, enge Kontakte zu Künstlern, vor allem zu Ernst Barlach und Oskar Kokoschka, und Mitwirkung an Ausstellungen der Moderne die Richtung geben.

Der dreiteilige, von Dezember 1932 bis Februar 1933 in der Galerie Cassirer laufende Ausstellungszyklus „Lebendige deutsche Kunst“ ist eine Kooperation mit dem Düsseldorfer Kunsthändler Alfred Flechtheim. Die Rezensionen waren gemischt, was auf die heterogene Auswahl zurückzuführen ist, die vor allem im dritten Teil Künstler der jüngeren Generation präsentierte, von denen heute kaum noch die Rede ist.

In ihrem Sommerhaus in Sacrow bei Berlin überstand Grete Ring die ersten Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, bis sie 1938 nach London emigrierte. Hier gründete sie eine Dependance der Berliner Firma Paul Cassirer, die im Juli 1939 mit Cézanne-Aquarellen eröffnet wurde.

Nach Ausbruch des Krieges entging sie der Internierung und konnte das Kunstgeschäft auf kleiner Flamme weiterführen. Die Kunstwerke waren in einem bombensicheren Depot geschützt. Sie publizierte im Burlington Magazine und im Art Bulletin, zog mehrfach um und konnte vier Jahre nach dem Krieg im Phaidon Verlag ihr Opus Magnum, „A century of French Painting 1400-1500“, veröffentlichen. Es ist noch heute ein Standardwerk der französischen Renaissancemalerei.

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Die Ausstellung und ihr faktenreicher Katalog ehren eine kunsthistorisch geschulte Händlerin, die auch als Sammlerin von Zeichnungen des 19. und 20. Jahrhunderts ein sicheres Auge hatte. Sie befinden sich heute im Ashmolean Museum Oxford. Untrennbar mit ihrem Namen verbunden sind die Versteigerungskataloge der von Cassirer vermarkteten Sammlungen Oscar Huldschinsky (1928) und Albert Figdor (1930), Höhepunkte des Kunstmarkt-Geschehens in der Weimarer Republik.

Im Dezember erscheint das Buch „Women Art Dealers - Creating Markets for Modern Art 1940-1990“ von Véronique Chagnon-Burke und Caterina Toschi. Es wird die erste breite Darstellung von Markt-Pionierinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein. Grete Ring ist eine ihrer wichtigsten Vorreiterinnen. (Bis zum 22. Januar 2024, Katalog im Sandstein Verlag 26 Euro)

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