Ausstellung: Immobilienunternehmer will mit Kunst bessere Welt schaffen

Düsseldorf. Der Raum mit Werken des Schweizer Installationskünstlers Thomas Hirschhorn könnte ausnahmsweise mal eine Triggerwarnung vertragen. Denn das im Düsseldorfer Museum Kunstpalast präsentierte Werk „Arch (Growing Assertiveness)“ entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Triumphbogen des Grauens. Aus sicherer Entfernung wirkt die Installation noch wie eine etwas unbeholfene Bastelarbeit.
Wenn man aber näher kommt, sieht man eine irrwitzige Collage widersprüchlicher Botschaften und drastischer, nicht gepixelter Fotos von Kriegs- und Folteropfern mit grausamen Details. Wie eine Pinnwand sind die Holzplatten zudem mit Symbolen und Aufklebern übersäht, mit Presseschlagzeilen, Fake News und zweifelhaften Kommentaren.
Ein Werk, das den Wahrheitsanspruch journalistischer Berichterstattung thematisiert und zugleich ein Fanal ist gegen Krieg und Folter. Die Begegnung mit dem Werk von Thomas Hirschhorn war für den Viersener Immobilienunternehmer und passionierten Sammler Florian Peters-Messer ein Initiationserlebnis. Seitdem begeistert er sich für gesellschaftskritische Kunst, die landläufigen Vorstellungen von Ästhetik kaum entspricht.
Das Konzept ist ihm wichtiger als Schönheit. „Ich bevorzuge Kunst, die anregt zum Denken, bei der ich nicht zu viel sehe auf den ersten Blick“, sagt er dem Handelsblatt. „Die Widerständigkeit von Hirschhorn hat mich interessiert. Ich habe vieles nicht verstanden und wurde gezwungen, mir Fragen zu stellen.“
300 Werke seiner Sammlung hat er dem Düsseldorfer Museum geschenkt. Allein 15 Arbeiten Hirschhorns präsentiert die aktuelle Ausstellung, kuratiert von der freien Kuratorin Linda Peitz und Felicity Korn vom Museum. „Die Sammlung Peters-Messer schließt einige Lücken unseres Bestands, etwa mit Werken von Sophie Calle, die bei uns noch nicht vertreten war“, erläutert Felicity Korn beim Rundgang, „eine wunderbare Bereicherung“.
Bei der Auswahl der Werke für die Ausstellung hat Peters-Messer sich bewusst herausgehalten. „Jetzt ist das Museum dran. Loslassen ist das Motto“, sagt der Sammler. 90 Werke der Malerei, Zeichnung, Fotografie und Videokunst sowie großformatige Installationen bilden nun einen Parcours. Drei Räume geben tieferen Einblick in das Werk von Hirschhorn, Sophie Calle und Erik van Lieshout.
Fünf Themenräume stehen unter sprechenden Überschriften wie „Kunst als Protest“ oder „Formal radikal“. Das Spektrum von Peters-Messers Kollektion an Gegenwartskunst reicht von den Altmeistern des Protests bis zu jüngeren Positionen subversiver Kunst, etwa Alexander Basil, Murat Önen, Harry Hachmeister und Sophia Süßmilch.

Bis hin zur titelgebenden Arbeit „Too much future“ der jungen Absolventin der Düsseldorfer Akademie Rebekka Benzenberg. Deren konsumkritische Collage aus alten Pelzmänteln steht am Ende der Ausstellung. Der Titel greift einen Slogan der Punkszene der DDR auf, die damit gegen das Regime protestierte.
In einer Zeit, in der zeitgenössische Kunst auf dem Kunstmarkt Spitzenpreise erzielt, begreifen viele Sammler Kunst als Wertanlage und Spekulationsobjekt. Für Peters-Messer war das nie ein Thema: „Ich bin Unternehmer. Wenn ich Geld verdienen möchte, dann in diesem Bereich. Jeder soll sammeln, was und warum er möchte. Aus Liebhaberei, aus Spekulationsgründen oder aus konzeptuellen Gründen, wie ich es getan habe.“
Museumsausstellungen nobilitieren Sammlungen, die so an Wert zulegen und den Künstlern eine Steigerung ihrer Marktperformance bescheren. Aber auch darum geht es Peters-Messer nicht, abgesehen davon, dass er nach der Schenkung gar nichts mehr davon hätte.

„Es geht auch nicht um Wertsteigerung als Nebeneffekt, sondern um Sichtbarkeit. Und dass junge Positionen wie Rebekka Benzenberg oder Murat Basil in einen Austausch kommen mit den ‚alten Hasen‛. Dass man in der Gegenüberstellung erkennen kann, wie gut sie sich behaupten.“
Tatsächlich gelingt der Dialog in der Ausstellung ohne Hierarchien. Wenn sich etwa mit Sophie Calles nach sexueller Identität fragender Fotoarbeit „La amnesia“ von 1992 ein Bezug herstellen lässt zu Harry Hachmeisters 2007 entstandener Fotografie „Boxer“, einem Selbstporträt des Künstlers, der bis 2019 als Grit Hachmeister lebte.

Oder Iris Kettners bestürzende Figurengruppe „Reihe“, die aus ausgestopfter Kleidung auf Holzskeletten eine Schlange vermummter Menschen geformt hat, die dicht gedrängt auf etwas zu warten scheinen. Auf ein Boot für die Flucht, einen Teller Suppe oder einen Bus, der sie irgendwo hinbringt, wo man ihre Armut nicht mehr sehen muss?
Es gibt viele Arbeiten, die rätselhaft bleiben, wie etwa „Phantom Camp“ der estnischen Künstlerin Kris Lemsalu: Einem realistisch modellierten Hundekopf aus Keramik halten menschliche Hände die Augen zu. Der unheimliche Kopf steckt in einem schlaff herunterhängenden Schlafsack. Sehen wir ein rätselhaftes Mischwesen zwischen Hund und Mensch, oder soll der Hund etwas nicht sehen, das so schlimm ist, dass er es nicht ertragen könnte?
Florian Peters-Messer glaubt daran, dass gesellschaftskritische Kunst die Welt verbessern kann. Ist das nicht ein bisschen hoch gegriffen? „Natürlich, aber die Kunst verändert auf der individuellen Ebene vielleicht etwas und kann vielleicht dazu beitragen, dass sich eine humanistischere Weltsicht verbreitet“.

„Too much future. Schenkung Florian Peters-Messer“, Kunstpalast Düsseldorf, bis 5. Januar 2025, kein Katalog, umfangreiches Begleitprogramm.






