Wiedereröffnung: Kunstpalast in Düsseldorf: Neues Museum in alten Mauern
Düsseldorf. Als am Dienstagmorgen der Sammlungsflügel des Düsseldorfer Kunstpalasts für Besucher geöffnet wird, hat sich bereits eine Schlange angestaut. Es geht hinauf in den ersten Stock zum Rundgang, der nach dreijähriger Sanierung auf 5000 Quadratmetern ein neues Konzept konsequent durchhält: Aus mehr als 130.000 Objekten aus elf Jahrhunderten wurden etwa 800 Artefakte ausgewählt und chronologisch, aber nicht getrennt nach Regionen oder Gattungen präsentiert.
Gleich der erste Raum des neuen Parcours dekliniert Konzept und Anspruch exemplarisch durch. Der übersichtliche Wandtext steht unter dem Titel „Gemeinsamkeiten“. Auf einem Sockel stehen einträchtig nebeneinander christliche Marien-Plastiken neben buddhistischen Figuren. Ausgeleuchtet wie in einem Diözesanmuseum entsteht eine sakrale Aura. Sie wird durch das dahinter platzierte Monumentaltor aus dem 15. Jahrhundert – vermutlich aus Ägypten oder Syrien – noch verstärkt.
Das Tor wirkt wie ein archaischer Altar; mit eingezogenem Kopf kann man hindurchgehen. Dahinter findet sich in einer Vitrine eine Reihe kunstvoller Kästchen, die teils als Schmuck- oder Geldschatulle, aber auch zur Bewahrung von Reliquien dienten. Es soll also um die Gleichzeitigkeit und die Gemeinsamkeiten ästhetischer Strömungen gehen. Die kulturübergreifenden Assoziationen überraschen und sind natürlich clever kalkuliert.
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Der nächste Raum, „Im Zentrum der Mensch“ betitelt, zeigt Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts. Zu sehen sind Giovanni Bellinis „Pala Priuli“, Lucas Cranachs „Das ungleiche Paar“, aber auch ein Offiziers-Harnisch mit Herzdekor aus Nürnberg und ein wuchtiger Scherenstuhl dieser Zeit. Barocke Pracht entfaltet der nächste Raum mit dem griffigen Titel „Leidenschaft und Emotion“. Er präsentiert unter anderem eine der Kronjuwelen der Sammlung, Peter Paul Rubens‘ „Venus und Adonis“.
Chronologisch geordnet und thematisch gebündelt arbeitet sich die Präsentation über 49 Räume systematisch Richtung Gegenwart. Die Objekte sind überwiegend luftig präsentiert vor teils intensiven Wandfarben. Sie drängen sich an anderer Stelle auch in Petersburger Hängung und dort gewollt ungeordnet; hier findet sich Namhaftes neben Skizzen und Unfertigem.
Wer wissen will, was von wem stammt, muss eine der Pappkarten aus den Ständern ziehen und das Bild zuordnen. Ohnehin stehen Künstlernamen nicht im Fokus, denn in den Sälen mit Beschriftung steht nicht – wie üblich – der Name des Künstlers oben und darunter der Werktitel, sondern umgekehrt. Warum? Das Thema soll interessieren und nicht der womöglich berühmte Name, den nicht zu kennen, sich nun niemand mehr schämen soll.
Es ist ein Konzept, das veränderten Sehgewohnheiten entgegenkommen will, Kenntnisse nicht voraussetzen und überraschen will, aber auch der besonderen Geschichte der Sammlung Rechnung trägt. Denn die Schätze des Kunstpalasts verdanken sich unterschiedlichen Quellen: Die klassische Sammlung von Gemälden geht zurück auf den Kurfürsten Johann Wilhelm (Jan Wellem). Es gibt aber auch ein großes Konvolut außereuropäischer Kunst, ferner die Studiensammlung der Kunstakademie und die Bestände des ehemaligen Museums für Angewandte Kunst, das 1927 im Kunstpalast aufging.
Die neue Hängung macht Lust auf Erkundung
Das Ergebnis der Auswahl ist erhellend, durchweg sinnlich und sehr sorgfältig präsentiert. Die Lust auf Erkundung lässt nicht nach, über alle 49 Räume. Dabei versteht sich von selbst, dass für das Konzept auch gilt: Was nicht passt, wurde passend gemacht.
An einer Stelle ist das Gesetz der Chronologie kühn durchbrochen, wenn in einem der Durchgangssäle El Anatsuis monumentales „Erdtuch“ von 2003 aus schimmernden Kronkorken auf Peter Paul Rubens‘ „Die Himmelfahrt Mariens“ (1616-18) trifft. Hier drängen sich Gemeinsamkeiten nicht gerade auf und verlangen dem Kopf einen größeren Sprung ab.
Das erinnert daran, dass bereits im Mai 2011 die Sammlung nach damals zweijähriger Schließung in ganz neuer Hängung präsentiert wurde. Der damalige Chef Beat Wismer wählte nur etwa 450 Werke aus und setzte auf Dialoge über die Jahrhunderte. Nach nur einem Jahr beendete ein Wasserschaden die Neuausrichtung.

Wegen eines über Jahre andauernden gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens blieb der ganze Trakt gesperrt, bis 2020 endlich die Sanierung beschlossen wurde. Das beschert der Stadt jetzt für 50 Millionen Euro ein nagelneues Museum in alten Gemäuern.
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