Corporate Collection: 20 Jahre Sammlung Verbund: Konzentrierte Frauenpower

Wien. Alles begann mit Frühwerken der amerikanischen Fotokünstlerin Cindy Sherman, die weibliche Rollenklischees thematisieren. Es waren die ersten Ankäufe von Gabriele Schor für die Kunstsammlung des Wiener Energieunternehmens Verbund. Seit 20 Jahren ist nun sie Direktorin der „Sammlung Verbund”, die sich jetzt in der Wiener Albertina mit fast 1000 Werken von 200 Künstlerinnen und Künstlern präsentiert.
Programmatischer Ausgangspunkt dieser mit Pioniergeist initiierten Sammlung sind seit den 1970er-Jahren entstandene Werke der Feministischen Avantgarde. Der von Schor etablierte Terminus meint Körperkunst, die in irritierenden bis provokanten Selbstinszenierungen Fragen nach der Identität und Position der Frau in der Gesellschaft aufwirft.
Die Sammlung hat noch einen weiteren Schwerpunkt. Die konzeptuelle oder kompositionelle Wahrnehmung von Orten und Räumen, für die etwa Künstler wie Gordon Matta-Clark oder Jeff Wall stehen.
Als Neuerwerbungen erscheinen in der Albertina erstmals Werke, die unter dem Motto „Gender, Identity, Diversity” gesammelt wurden. Eine Hauptfigur dieser Abteilung stammt aus Südafrika und setzt sich als Person in Szene, die keinem binären Geschlecht zuzuordnen ist. Zanele Muholi zeigt in schwarzweißen Fotoarbeiten die Schönheit, aber auch die Verletzlichkeit des schwarzen Körpers.

Die norwegisch-nigerianische Künstlerin Frida Orupabo offeriert in einer lebensgroßen Wandarbeit einen Kontrast zur Ausbeutung des schwarzen weiblichen Körpers: einen nackten weißen Körper, der von schwarzen Hunden bedrängt wird. Die kanadische Künstlerin Sin Wai Kin ist bekannt für spekulative Drag-Performances. Sie dekonstruiert und rekonstruiert soziale Narrative und verkörpert mit dem Video „It‘s Always You“ vier nicht binäre Identitäten einer fiktiven Boygroup.
Wer die Ausstellung durchschreitet, wird aber in erster Linie von der prägenden Kraft der Frauenpower gefesselt, die sich hier manifestiert. Von mehreren Künstlerinnen wurden Werkblöcke in die Sammlung aufgenommen. Etwa von der Österreicherin Birgit Jürgenssen, die auch als Kuratorin gearbeitet hat und in ihrem Frühwerk das Drama der verwalteten Hausfrau als hinter einer Glaswand Eingeschlossene oder als Küchenfee mit Schürze in Form eines Küchenherds sichtbar macht.
Ähnlich breit vertreten sind die Inszenierungen des weiblichen Körpers von Renate Bertlmann. Als Wiener Feministin der ersten Stunde hält sie sich in der Fotoarbeit „Zärtliche Pantomime”(1976) eine Schnullermaske vor das Geschlecht.
Tod der Hausfrau auf einem Bügelbrett
Auch die Französin Orlan ist eine der Protagonistinnen der Sammlung. In einer Fotosequenz von 1974 absolviert sie einen befreienden Striptease mit Laken der Aussteuer, dessen Schlussbild die abgestreiften Tücher sind. Selbstinszenierung prägt auch die Werke der Konzeptkünstlerin Karin Mack, die sich in der Bildfolge „Bügeltraum” als Trauerfigur darstellt, die auf einem Bügelbrett den Tod der Hausfrau stirbt. In diesen Arbeiten wird das Private zum Politikum und der Kanon der Kunstgeschichte wird substanziell erweitert.

„20 Jahre Sammlung Verbund Wien” bis 5. Mai in der Albertina, Wien. Broschüre der Ausstellung im Download des Museums. Vertikale Galerie der Sammlung Verbund am Stammsitz des Stromerzeugers: Am Hof 6a, 1010 Wien. Zahlreiche Kataloge wurden publiziert.
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