Galerienrundgang Köln: Abschied in die Zukunft
Köln. Galerien mit beständiger Adresse, die mit langem Atem ihre Künstlerinnen und Künstler aufbauen, werden immer weniger. Denn die alte Sammlergarde, die ihre Künstler über längere Zeiträume beobachtet und begleitet, gibt es kaum noch, beobachten die Kölner Galeristen Sylvia und Thomas Rehbein. Eine junge Generation, deren Sammelleidenschaft zukünftig auch für Museen interessant würde, wachse nicht nach beziehungsweise sammele „wie Kraut und Rüben“. Sie selbst verabschieden sich mit jeweils einer Arbeit sämtlicher je ausgestellter Künstler von ihrem alten Standort an der Aachener Straße.
„Dear Futur Me – wir verabschieden uns in die Zukunft“ signalisiert, wo es für die Rehbeins langgeht. Sie werden nach 32 Jahren nicht zumachen, sondern im Februar in kleineren, ebenerdigen Räumen an der Ecke Benesisstraße/Große Brinkgasse neu eröffnen, in sehr guter Lage im Apostelviertel der Kölner Innenstadt.
Was anstelle der traditionellen Programmgalerie kommen soll, ist noch nicht abzusehen. Denn bei den zahlreichen Off-Spaces, die in Köln – ohne festen Künstlerstamm – auf den Plan getreten sind, ist die Frage, ob sie überleben. Derweil reihen sich bei Rehbein in der Schau „Dear Future Me“ 95 verschiedene Arbeiten wie Perlen aneinander – zu erschwinglichen Preisen zwischen wenigen Hundert und höchstens 45.000 Euro.
Es sind Werke sehr junger Künstler dabei wie von Eden Naël Liedke, den Rehbein jüngst mit Erfolg auf der „Art Cologne“ vorstellte, und alte wie William Anastasi. Von ihm ist ein feines „Subway Drawing“ zu entdecken, entstanden 2003 auf dem Weg zu seinem Freund Carl André, indem er beide Hände als Seismografen der schlingernden U-Bahn einsetzte. Kostenpunkt: 18.000 Euro. Dazu hat Sylvia Rehbein eine kleine Wortarbeit von Andre aus dem Jahr 1972 und Charlotte Posenenskes einzige je herausgegebene Edition gehängt (bis Ende Januar 2025).
Vollblutgaleristen wie Sylvia und Thomas Rehbein scheinen nicht alt zu werden. Dasselbe gilt für Daniel Buchholz, der mit ungebrochener Souveränität sowohl das vom Vater ererbte Antiquariat als auch seine Galerie für zeitgenössische Kunst weiterführt. Während vorn im Ladengeschäft eine unerschöpfliche Fülle alter Druckerzeugnisse auf ihre Entdeckung harrt, herrscht hinten im so gut wie leeren „White Cube“ kühle Stille.
Die Aufmerksamkeit kann sich vollständig auf die gerade einmal drei Marmorskulpturen konzentrieren, die Buchholz von der amerikanischen Künstlerin Trisha Donnelly zeigt. Mehr als diese drei wären vermutlich kontraproduktiv gewesen. Denn die aus italienischen Steinbrüchen gewonnenen Blöcke sind durch die bildhauerische Bearbeitung zu fein geschwungenen, zart gefrästen Monolithen mit großer Ausstrahlung geworden. Ihre Schönheit erschließt sich bei eingehenderer Betrachtung von nah und fern.
Donnelly, Jahrgang 1974, verzichtet auf geschmäcklerische Eingriffe wie etwa eine Politur und überhaupt auf alles, das allzu leicht zu entziffern wäre. Die Dinge bleiben – gleichsam vom Geschwätz verschont – in der Schwebe, bleiben offen für das „lesende“ Auge – wie so oft bei Buchholz.
Donnelly, die bei Buchholz zum dritten Mal ausstellt, ist im Übrigen keine Unbekannte. Sie ist vor allem mit ihren Arbeiten aus Stein in den besten Sammlungen vertreten, vom MoMA bis zum Museum Ludwig in Köln. Das erklärt auch den ordentlichen Preis von 350.000 Dollar, den Buchholz je Skulptur ansetzt (bis 21.12.).
Etwas genauer hinzuschauen, das lohnt auch die Einzelschau mit jüngsten Gemälden von Egan Frantz bei Nagel Draxler. Zwei großformatige Werkgruppen teilen sich den großen Raum der Kölner Dependance. Beide kombinieren eine technisch ausgefuchste Handarbeit mit einer abstrakten Übermalung, deren Vorlage am Computer generiert wurde.
Die düstere, aber farblich fein differenzierte „AP“-Werkgruppe entstand mithilfe von synthetischem Polymer auf geätztem Aluminium. Bei der Übermalung der beiden großen Arbeiten aus der „CP“-Serie kam auch Polymer zum Einsatz, aber auf einer Leinwand, die mit einem Schachbrettmuster grundiert wurde. Die Anmutung dieser Gemälde, von denen Nagel Draxler eines mit auf die „Art Basel Miami Beach“ mitnehmen will, ist trotz ihrer spielerischen Abbreviaturen kühl. Ihre Preise liegen zwischen 10.000 und 32.000 Euro (bis 11. Januar 2025).
Auch Gisela Capitain gehört zu den Galeristinnen, die ihre Künstler über lange Wegstrecken begleiten – so wie Marcel Odenbach. Der Pionier der deutschen Videokunst ist seinem Thema treu geblieben. Hartnäckig beobachtet er des Menschen Tun, im Kopf die zivilisatorischen Brüche durch NS-Vergangenheit, Kolonialismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Schnitt und Montage von fertigen, teilweise kolorierten Bildern sind seine Mittel, dokumentarisches Archivmaterial und eigene Aufnahmen seine Quellen.
Ein bisschen wirkt die vor unseren Augen ausgebreitete Welt wie von einem anderen Stern betrachtet. Dabei ist Odenbach, sind wir, die Betrachter, letztlich ein Teil dieses unwahrscheinlichen, mit Unbehaglichem nicht geizenden Kosmos. Die großen Collagen liegen zwischen 100.000 und 130.000 Euro, die Videoarbeit aus archivierten Aufnahmen aus 36 Jahren bei 30.000 Euro (bis 25. Januar 2025).
Handtellergroße Ölgemälde, die sich mit der Wechselwirkung von Licht, Dunkelheit und Raum auseinandersetzen, sind die Überraschung bei Christian Lethert. Schöpfer ist der im australischen Melbourne lebende Künstler Szelit Cheung. Mit altmeisterlicher Sorgfalt malt er in Öl auf Holz, in größeren Formaten auf Leinen. Kostenpunkt: 2300 Euro für die kleinen, bis 10.000 Euro für die größeren Formate auf Leinen.
Im Nebenraum und im Untergeschoss sind bei Lethert die jüngsten skulpturalen Werke von Gereon Krebber versammelt. Der Künstler, den Lethert seit vielen Jahren vertritt, vermittelt Freude am Umgang mit der Dreidimensionalität, nicht zuletzt aufgrund ihrer farblichen und materialsensorischen Finessen.
So laufen die grasgrün lackierten, bis zu drei Meter hohen, aus Schichtholz gedrechselten „Jicksticks“ (5200 Euro) nach unten konisch aus, während sie ihrem Nachbarn die harte Kante zeigen. Ihre Leichtigkeit kontrastiert mit den hängenden Bronzeobjekten (6800 Euro), deren Schwere durch die Assoziation mit Molotow-Cocktails eine gefährliche Note erhält (bis 17. Januar 2025).