Kunstmesse: Art Basel Miami Beach: Kauflustige Sammler beflügeln die Stimmung
Miami Beach. Malerei ist King in Miami. In unsicheren Zeiten setzen Galerien auf Bewährtes. Das gilt auch auf der Art Basel Miami Beach in diesem Jahr. Wenig überraschend dominiert zweidimensionale Figuration in starken Farben den Gesamteindruck. Digitalkunst, Video und selbst Fotografie fristen ein Nischendasein. NFTs scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Skulptur ist überwiegend in bescheidenen Formaten und ausgestattet mit hohem Wiedererkennungswert zu sehen.
Als beispielhaft für diese Tendenz kann der Stand von Helly Nahmad aus New York gelten, der die Besucher an einem der vier Haupteingänge begrüßt. An der Wand locken Francis Bacon, Pablo Picasso, Jean-Michel Basquiat und Jean Dubuffet in einer wilden Kombination mit Skulpturen von Alexander Calder und Takashi Murakami in die Koje.
An einem anderen Eingang beweist Daniel Buchholz aus Köln mehr Risikobereitschaft. Während der Amerikaner Nahmad eher sehr vermögende Privathaushalte mit möglichen Investitionsgedanken anspricht, wendet sich der Rheinländer auch an Institutionen. Lutz Bachers über 20 Quadratmeter messende Farbfotografie „Empire of the Sun“ kann zusammen mit den davor platzierten rund 50 Basket- und Spielzeugbällen der Arbeit „Reebok“ als Einheit gesehen werden und wurde auch so für zusammen 150.000 Dollar einen Tag vor der Eröffnung an ein deutsches Museum verkauft.
Das Flanieren fällt leichter als in den Vorjahren; das Layout wurde aufgelockert durch regelmäßig verteilte kleine Plätze. Daraus ergeben sich viele Eckstände, die bei Händlern wegen ihrer Offenheit beliebt sind. Durch die Bank scheint die Stimmung gut bei den Galerien, beflügelt durch die Kauflust der Sammler, die schon früh und beherzt zugreifen.
Bei Konrad Fischer aus Düsseldorf und Berlin ließen sich unter anderem die kleinste von drei vergoldeten Holzskulpturen aus einer neuen Werkgruppe von Paloma Varga-Weisz und ein großformatiges Foto von Thomas Ruff aus einer aktuellen Serie in einer 4er-Auflage absetzen; Varga-Weisz zum Preis von 35.000 Euro und Ruff für 85.000 Euro, beide ohne Mehrwertsteuer.
Nicht selten fühlt man sich jedoch vom Murmeltier gegrüßt. Bei Galleria Continua etwa von Ai Weiweis „Sleeping Venus“ aus Lego-Steinen. Sie ist zwar erst ein Jahr alt, scheint aber schon alle Kontinente bereist zu haben. Immerhin, Neugerriemschneider aus Berlin präsentiert mit „Washington Crossing the Delaware“ eine aktuelle Arbeit des Künstlers in derselben Technik, in die sich oben links als scherzhaftes Selbstzitat das „Vogelnest“ genannte Olympiastadion von Peking eingeschlichen hat. 900.000 Euro ohne Mehrwertsteuer werden für das Werk erwartet.
Die aktuellen Markttendenzen in den Ton angebenden USA bilden viele heimische Aussteller ab. Nicola Vassell aus New York zeigt ausschließlich Kunst von farbigen Künstlern, vom 1989 gestorbenen Maler und religiösen Führer Mallica „Kapo“ Reynolds aus Jamaika bis zur gerade angesagten genderfluiden Uman aus New York. Von ihr wurde ein Großformat schon am Mittag der VIP-Preview für 90.000 Dollar in eine US-Privatsammlung vermittelt.
Zur Eröffnung dankte der Bürgermeister Steven Meiner den Schweizern dafür, dass sie die Stadt verändert haben. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Als die Art Basel 2002 in South Beach landete, war Miami Beach vor allem ein Ort der Studentenpartys zum Spring Break, und Rückzugsort nicht allzu wohlhabender jüdischer Rentner von der Ostküste. Das hat sich grundlegend geändert. Inzwischen ist hier ein Kunstbiotop entstanden, das weit über den einwöchigen Zirkus Anfang Dezember hinausgeht und Galerien, Institutionen und zum Teil öffentlich zugängliche Privatsammlungen umfasst.
Die Art Basel ist zwar noch immer Königin der „Art Basel Week“; doch existieren mit der Art Miami und der Untitled zwei etablierte Zeltmessen, die zumindest von der Größe her in derselben Liga spielen. Außerdem gibt es mit der NADA eine kleinere Verbandsmesse für jüngere und kleinere Galerien sowie rund ein Dutzend weiterer Klein- und Kleinstmessen und eine Unzahl an Events, die nicht immer etwas mit bildender Kunst zu tun haben.
Anders als in Basel, sind die Schweizer in der weitläufigen Städteregion in Florida nicht so dominant, wovon die Art Basel hier massiv profitiert. Sie allein wäre niemals in der Lage, ein so großes und diverses Publikum – und unterschiedliche Marktsegmente – zu bedienen. Dieses Momentum, das den Standort allein durch seine schiere Größe auch durch schwierige Zeiten getragen hat, ist das Alleinstellungsmerkmal der Schweizer in der Kunstwelt.
Das weiß auch der neue CEO der Marke Art Basel, Noah Horowitz, der bereits von 2015 bis 2021 Direktor der Art Basel Miami Beach war. Während Interims-Direktor Vincenzo de Bellis sich zukünftig auf die Lenkung aller drei Messen in Basel, Hongkong und Miami konzentriert, wird die nächste Ausgabe von Bridget K. Finn verantwortet, die hier erstmals öffentlich live spricht.
Die 2019 noch von Horowitz angestoßene Abteilung „Meridiens“ ist vegleichbar mit der „Unlimited“ in Basel und öffnet kurz vor der Hauptmesse. Wie in der Schweiz bietet sie ebenfalls die Möglichkeit großformatiger Arbeiten oder Projekte, entsprechend ihrem Titel allerdings mit einem inhaltlichen Fokus auf den künstlerischen Zugang zu der Art, wie wir unseren Planeten behandeln. Das Spektrum reicht vom Entwurf des Wandgemäldes „Mural Study for Vendedoras de Flors“ des 1946 verstorbenen mexikanischen Künstlers Alfredo Ramos Martinez (bei Louis Stern Fine Arts, West Hollywood) bis zum aktuell gehypten Thema KI.
Brian Bress auf dem Stand von Josh Lilley, London, benutzt Künstliche Intelligenz, um in mehreren Schritten Elemente fremder oder KI-erzeugter Werke in eigene zu transformieren. Der Prozess mündet in die vierteilige Videoarbeit „S'kill or Be S'killed“, die jenseits ihres dekorativen Charakters allerdings kaum zu begeistern weiß.
Nur zwei europäische Galerien unter den Talentscouts
Zu den überzeugendsten – und raumgreifendsten Werken – gehört „Earth Play“, ein Satellitenfoto-Modell der Erde als Ballon von sieben Metern Durchmesser. Mit ihm ist Seung-taek Lee, vertreten von Hyundai, Seoul, 1989 um die Welt gereist. Stationär aufgestellt scheint dem auch als Mahnung dienenden Erdball allerdings auf der Lasttragenden Südseite die Luft auszugehen.
Dass keine einzige Galerie aus dem deutschsprachigen Raum für die Einstiegssektion „Positions“ ausgewählt wurde, lässt sich durchaus als Kennzeichen einer Schwerpunktverschiebung des Marktes – nicht nur hier – interpretieren. Dürst Britt & Mayhew aus Den Haag ist – von der NADA kommend – erstmals dabei und damit eine von nur zwei europäischen Galerien, die es in dieses Segment geschafft haben.
Die holländische Galerie zeigt mit den Holzreliefs der 34-jährigen Mexikanerin Alejandra Venegas eine Position aus der Region, zu Preisen zwischen 2500 und 18.000 Dollar. Ganz neu wird die Künstlerin auch von Proyectos Monclova aus Mexiko-Stadt vertreten. Die Niederländer haben sich damit erfolgreich als Talentscouts erwiesen und gezeigt, wie sich Marktteilnehmer aus der Alten Welt auch in der Neuen behaupten können.







