Gehypter US-Künstler Christopher Wool Wie manipulierte Tuschflecken

Eine Mischtechnik von 2016 auf Papier.
Berlin Er ist einer der am höchsten bewerteten Künstler der Gegenwart. Christopher Wool (*1955), von dem die Berliner Galerie Max Hetzler 14 Werke und Werkgruppen aus den letzten vier Jahren zeigt, ist im November 2013 in einer New Yorker Christie’s-Auktion schlagartig in den Marktolymp aufgerückt. Damals erzielte das Großformat „Blue Fool“, ein in blauem Email auf weißen Aluminiumträger gemaltes Buchstabenbild, 5 Millionen Dollar. Danach explodierten die Preise in einer Weise, die man nur als spekulativ bezeichnen kann.
Der Markthype wurde gefördert durch die Retrospektive im Guggenheim Museum (2014) und eine kleine, mächtige Gruppe von Marktplayern, zu denen der Megagalerist Larry Gagosian und der kalifornische Sammler Eli Broad zählen. Die Preisspirale drehte sich immer schneller bis zum Rekorderlös von 29,9 Millionen Dollar, die im Mai 2015 ein weiteres der frühen Buchstabenbilder bei Sotheby’s erlöste. Dieses Rekordbild heißt „Riot“ besteht aus den Lettern RI in der oberen und OT in der unteren Zeile. Die abstrakten Werke der späteren Produktion hingegen werden weniger hoch bewertet, wie ein 2007 datiertes Riesenformat zeigt, das im März dieses Jahres bei Sotheby’s in London für umgerechnet 8,6 Millionen Dollar an einen amerikanischen Sammler fiel.
Zu dieser Zeit hatte der Sekundärmarkt der Auktionen schon im Blitzverfahren die Preisgestaltung des Primärmarkts überholt, der seit den späten achtziger Jahren von der New Yorker Galerie Luhring Augustine, dem Londoner Simon Lee und Max Hetzler gepflegt wird. In Amerika wird Wool auch als Vertreter einer neuen Abstraktion gewürdigt, die er nach den ornamentalen Werken und den höchstdotierten „Word Paintings“ in einer extensiven Wischtechnik pflegte. Abstrakte Linien werden mit Lösungsmitteln ausgelöscht und übermalt, mehrere Schichten überlagern sich. Auch am Computer generierte Siebdrucke gehören zu seinem Werk, das man als dekonstruierte Malerei bezeichnen kann.
Die neuen Werke, die Max Hetzler in Berlin zeigt, haben eine andere Ausstrahlung. In den vier Ausstellungsräumen der Galerie in der Bleibtreustraße hängen Schwarz-Weiß-Lithographien mit Buchstaben über unruhigem Liniengeflecht und Papierarbeiten mit abstrakten Öl- und Emailsignalen über farbigem Siebdruck – Arbeiten, in denen sich das Gestische mit dem Normativen verbindet. Die eigentlichen Novitäten sind 2,70 Meter hohe Leinwände mit dichten schwarzen Siebdruckfeldern, die wie monumentale Rohrschach-Inseln oder manipulierte Tuschflecken wirken. Hier wird das Manuelle durch objektivierende Technik besiegt. Dass der prominente Künstler sich in bildnerisches Neuland vorwagt, zeigt eine 65 cm hohe Skulptur in pigmentiertem Beton mit knollig-erdiger Anmutung, die in diesem Jahr entstanden ist.
Schade ist, dass sich die Galerie mit Preisangaben zurückhält. Man hätte schon gern gewusst, wie die neueren Werke notieren. Ihre Preise können zwar noch nicht mit den oben genannten konkurrieren. Auch muss eine Primärgalerie im Dienste des Künstlers generell „auf dem Teppich“ bleiben. Doch schon der Hinweis, dass die kleineren Arbeiten auf Papier in dieser Ausstellung sechsstellig notieren, zeigt, mit welchem Marktgewicht wir es hier zu tun haben. Die Ausstellung läuft noch bis zum 22. Juli.
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