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Kölner GalerienrundgangFiese Spitzen zu Sein und Schein

Die Kölner Galerien ziehen zur Eröffnung ihrer ersten Ausstellungen im neuen Jahr die Kenner und Sammler an. Malerei liegt weit vorne. Jörg Immendorffs letzte, melancholische Bilder sind bei Michael Werner zu sehen. Die jungen Maler arbeiten sich an politischen und formalen Fragen ab und Künstlerin Julia Scher amüsiert mit ihrem Überwachungsfetisch.Konstantin Alexiou 30.01.2016 - 07:55 Uhr Artikel anhören

Ein Herrscher auf dem Ölgemälde "Ohne Titel (Kopflos)" von Tina Schwarz (2015), 140 x 180 cm. Quelle: Galerie Martinetz

Foto: Handelsblatt

Köln . Auch angesichts des begeisterungsfähigen Publikums, das am Eröffnungsabend der Kölner Galerien seinen Rundgang machte, konnte man feststellen, dass es der Kunstszene in Köln in den letzten Jahren zumindest gelungen ist, das Niveau zu halten. Die jungen Galerien überleben, auch aufgrund Kosten sparender Partnerschaften und Umzug in günstigere Ladenlokale, und setzen die wichtige Aufbauarbeit für Künstler fort.

Kölner Galeristen achten auf Qualität

Ebenso schlagen sich in der Stadt alte und neue Off-Räume mit experimentierfreudigem Programm durch. Man müsse nun wirklich nicht in alten Zeiten schwelgen, betonte Art-Cologne-Chef Daniel Hug gegenüber dem Handelsblatt. Die Galerienszene in Köln sei lebendig und achte auf Qualität. Zusammen mit den Düsseldorfer Händlern habe das Rheinland nach wie vor eine Menge zu bieten.

Neben Daniel Hug begegnete man Sammlern, Museumsleitern und vor allem vielen jungen Künstlern ohne – auch das ist typisch Köln – übertriebene Coolness-Attitüde. Im aktuellen Programm der Kölner Galerien treffen bereits kanonisierte auf noch zu entdeckende Positionen. Malerei überwiegt dabei.

Motive und Malstile auf Jörg Immendorffs Ölbild "Ohne Titel" von 2007, 250 x 300 cm. Quelle: The Estate of Jörg Immendorff, Courtesy Galerie Michael Werner Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York

 

Foto: Handelsblatt

Nicht eigenhändig, aber authentisch

Der Kunsthandel Michael Werner präsentiert Bilder von Jörg Immendorff aus dessen letzter Schaffensphase. Es sind melancholische Werke in dunklen Farben, angereichert mit Motiven der Kunstgeschichte und privaten Fotografien. Es sind späte persönliche Gemälde, kaum politisch. Durch seine ALS-Erkrankung gelähmt hatte Immendorff seine Assistenten mit der Bildentstehung beauftragt. Zeichnung und Motivwahl aber lagen noch bei ihm. Die Ausstellung bei Werner wird anlässlich des erschienenen Werkverzeichnisses zum Spätwerk Immendorffs ausgerichtet (bis 19. März 2016).

Immendorff-Bronzen droht Preissturz

Zum Affen gemacht

Jeder wisse, dass Michael Werner der Nachlassverwalter sei, die Authentizität unsignierter Leinwände aus dieser Phase in Frage zu stellen sei indiskutabel, so Galeriedirektor Sebastian Neusser (Preise 30.000 und 198.000 Euro).

Herrscher ohne Kopf

Bei Petra Martinetz freute sich offenkundig Malerin Tina Schwarz über ihre bevorstehende Künstlerresidenz in Los Angeles. Die Bilder der Ende Dreißigjährigen sind Mischtechniken in Öl, Acryl und Kreide auf transparent grundierter Leinwand. Schwarz zeigt Herrscherfiguren – aber ohne Kopf, weil uns die Gesichter der Macht heute ohnehin austauschbar vorkommen. Oder vielleicht doch, um die Mächtigen zu degradieren? Sie könne gar nicht anders als auch mit politischen Kommentaren zu arbeiten, erklärte Schwarz (Preise 900 bis 8.875 Euro, bis 4. März).

Wandbild von Shila Khatami ("Sunset") aus Lackfarben auf Aluminium über Eck auf die Wand appliziert, 300 x 400 cm. Quelle: Clages Köln

Foto: Handelsblatt

Malen auf italienischen Friedhöfen

Für eine junge Galerie hätten sie bereits wichtige Messeteilnahmen gehabt, erzählte im Belgischen Viertel Marietta Clages stolz und nannte unter anderem „Statements“ auf der Art Basel und Frieze in New York. Ihre Künstlerin Shila Khatami untersucht, wie sich konstruktivistische Bildsprache zum Beispiel als Deko-Elemente auf Fahrzeugen in unser Alltagsleben eingeschlichen hat und wie ein zeitgemäßer Umgang mit ihr in der Kunst aussehen könnte. Khatamis Lösung: Sie überträgt die geometrischen Formen auf maschinell perforierte Platten und adaptiert urbane Ästhetiken. Die Werke der Deutsch-Iranerin kosten bei Clages zwischen 1.100 und 23.000 Euro (bis 20. Februar).

In Ramona Schintzels Malerei bei Julia Garnatz in der Schaafenstraße findet man fiese Spitzen zu Schein und Sein. Schintzel malt alte gefundene Familienporträts in Öl ab und verzerrt die Mimiken der Personen ins schmerzlich Trostlose. Von wegen heile Welt. Für eine neue Serie hat Schintzel die Fotos von Verstorbenen auf italienischen Friedhöfen abgemalt und über deren Schicksale sinniert (Preise zwischen 750 und 2.900 Euro, bis 5. März).

Zwischen Kontrolle und Verführung

Lange bevor uns die Spionageaktivitäten der NSA überrollten, begann die Professorin der Kölner Kunsthochschule für Medien Julia Scher sich mit elektronischer Überwachung in einer globalisierten Welt zu beschäftigen. Kritisch, aber auch komisch reflektiert die gebürtige Kalifornierin die Überwachung in ihren Installationen, Online- und Performance-Arbeiten, stets in einem erotischen Spannungsfeld von Kontrolle und Verführung. Schers Installation „Mama’s Bed“ von 2003 steht in Natalia Hugs Galerie. Ein Bett mit Monitoren, auf denen welche Aktivitäten auch immer live übertragen werden (23.000 Euro). Ein Foto aus der Serie „Discipline Masters“ zeigt Scher in Fetisch-Manier (4.800 Euro). Ein Besucher der Galerie probierte dann auch gleich eine Peitsche aus, wenn auch nur zaghaft (bis 20. Februar).

Am 16. Januar eröffnete dann das Galerienhaus An der Schanz im Kölner Norden gemeinsam seine Ausstellungen. Bei Krupic & Kersting etwa debütieren die Schüler der Düsseldorfer Professorin Katharina Fritsch. Werke des britischen Malers Ben Cottrell gibt es bei Warhus Rittershaus zu sehen (jeweils bis 17. Februar). Wirklich, keine schlechten Aussichten in der Kölner Kunstszene.

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