Kunstmesse: „Art Karlsruhe“ – ein Erfolgsmodell wird 20

Was ist Gefängnis, was ein Schutzraum? Was bedeutet Heimat, fragt der in Karlsruhe lebende Künstler mit seiner Installation. Mitgebracht hat sie die Galerie Yvonne Hohner Contemporary.
Düsseldorf. Die bis Sonntag laufende „Art Karlsruhe“ ist eine Messe, die auf Kunst für Normalverdiener fokussiert. Dennoch besuchen sie auch zahlreiche Privatsammler und Vertreter von Corporate Collections aus Deutschlands Südwesten. Die Spanne der Stil- und Geschmacksrichtungen ist breit, hier findet jeder etwas.
Es ist die letzte Ausgabe ihres Gründungskurators Ewald Karl Schrade, künftig wird er ausschließlich als Galerist dabei sein. Eine Sonderausstellung gilt Schrades Privatsammlung: Zu seinen Favoriten zählen die Klassiker wie Erich Heckel und Walter Stöhrer genauso wie die Zeitgenossen Cornelia Schleime und Christopher Lehmpfuhl.
207 Galerien, davon 48 aus dem Ausland, präsentieren Werke von 1500 Kunstschaffenden aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Der Akzent liegt wie immer auf Solo-Shows und bei Skulptur. Was ist Gefängnis, was ein Schutzraum? Was bedeutet Heimat? Diese Fragen stellt der in Karlsruhe lebende Künstler Fahar Al-Salih in seiner Installation „The Cage“. Die Galerie Yvonne Hohner Contemporary hat die acht Meter lange und über fünf Meter hohe Installation aus 600 Vogelkäfigen mitgebracht.
Die oben erwähnte Malerin Cornelia Schleime, die man auch bei der Galerie Schlichtenmaier findet, wird ausgezeichnet mit dem Hans Platschek Preis für Kunst und Schrift. Die in Stuttgart und auf Schloss Dätzingen residierende Galerie Schlichtenmaier überrascht ferner mit Arbeiten von Willi Baumeister, Ida Kerkovius, Adolf Fleischmann und vor allem mit den poetisch zarten Werken von Julius Bissier.
Wer sich für die Kunst der Avantgarden des 20. Jahrhunderts begeistert, stößt am Stand der Galerie Koch aus Hannover auf eine kristallin gebrochene Stadtansicht von Holzminden. Das querformatige Aquarell hat Rudolf Jahns 1932 datiert.
Künstler, die ihren durchdringenden Blick in der DDR geschult haben, trifft die Kunstfreundin nicht so häufig. Die Galerie Poll aus Berlin bringt ein aktuelles Selbstporträt von Volker Stelzmann und das Bildnis „Henriette mit Pagodenhut“ mit. Den Messebesucher erwartet eine Selbstbefragung ohne vorauseilendes Wohlwollen.
Berührende Szenen aus Iran
Die aktuelle Weltlage, insbesondere die mutige Revolution der Frauen in Iran, die von den Männern und allen Gesellschaftsschichten mitgetragen wird, spiegelt sich in einer Soloschau am Stand der Michael Sturm. Der Stuttgarter lenkt die Aufmerksamkeit auf „Who cares“ von Mona Radziabari. Die Iranierin malt Szenen voller Ambivalenz auf heimisches Zeitungspaper. Ist es Zuwendung oder schon Übergriffigkeit oder gar Bedrohung, was sich da vor unseren Augen zwischen Mann und Frau abspielt?
Ein Messeflaneur mit Vorliebe für das Ungewöhnliche mag die Hamburger Galerie Commeter, Persiehl und Co. ansteuern. Hier hängen unter anderem die surrealen Collagen der Serie „Flying Houses“ von Laurent Chéhère. Der Franzose verwandelt Häuser auf humorvolle Art zu schwebenden Ballons am Himmel, dabei sind Menschen nicht mehr als kleine Staffagefiguren. Abheben können Sammlerinnen und Sammler meistens besonders gut mit Kunst.

Eine der Sonderschauen bestreitet die LBBW. Aus ihrer gut sortierten Firmensammlung zeigt die Bank auf der Art Karlsruhe Werke zum Thema „Kunst und Textil“. Zu sehen sind unter anderem Arbeiten von Rosemarie Trockel, Wiebke Siem, Nevin Aladag, Thomas Grünfeld und Andreas Gursky.
„20. Art Karlsruhe 2023“, 4. bis 7. Mai in der Messe Karlsruhe, 4. Mai 11-20 Uhr, 5. – 6. Mai 11-19 Uhr, 7. Mai 11-18 Uhr
Mehr: Millionen-Hype um NFTs: Warum Galerien an digitale Kunst auf der Blockchain glauben





