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  4. Münchener Museum übernimmt die von Gerd Plewig zusamengestellte Spitzensammlung australischer Rindenmalerei

Malerei der AboriginesMuseum Fünf Kontinente: Archaisches aus Australiens Norden

Die Sammlung Plewig konzentriert sich auf die Rindenbilder der australischen Aborigines. Sie gehört nun zum „Museum Fünf Kontinente“ in München.Sabine Spindler 07.04.2022 - 17:49 Uhr Artikel anhören

Der Dermatologe begeistert sich seit vielen Jahrzehnten für die Rindenmalerei der Indigenen aus dem Norden Australiens.

Foto: privat

München. Hervorragende Kollektionen entstehen jenseits des Mainstreams. Als sich die meisten Sammler vor zwanzig, dreißig Jahren für die bunten, Punkt für Punkt gesetzten Traumpfad-Gemälde der Aborigines begeisterten, war der Münchner Dermatologe Gerd Plewig bereits mit ganzer Überzeugung den sogenannten Bark Paintings der Indigenen aus dem Norden Australiens verfallen. Sie stellen ihre Landschaften, Tiere und Mythen mit erdigen Pigmenten auf Eukalyptusrinde dar.

Ein rostrotes Känguru-Bild des heute hochgehandelten Dick Nguleingulei Murrumurru war die Initialzündung zu Plewigs hochkarätiger Sammlung, die nun zum Bestand des Museum Fünf Kontinente gehört.

„Als ich das Bild 1969 im Schaufenster einer Galerie in Sydney sah, war ich emotional so berührt wie beim Anblick einer schönen Frau“, erzählt Gerd Plewig dem Handelsblatt vor Eröffnung der Ausstellung „Inspiriert vom Land“. Im Münchner ethnologischen Museum ist seine Sammlung bis September in all ihren Facetten erstmals zu sehen.

Gerd Plewig war damals neugierig auf fremde Kulturen. Diese Kunst erschien ihm figurativer und archaischer als die flirrenden Acryl-Farbströme der Wüstenkunst. Einige Bilder hat er zum Limit kaufen können, wie etwa 2002 für umgerechnet 5000 Euro die Darstellung der Urmutter „Maralaitj“ von 1971 des ihm bereits vertrauten Dick Nguleingulei Murrumurru.

Bei anderen hatte der Sammler Konkurrenten, wie etwa beim komplexen Bark Painting „The Milky Way“ des heute hochdotierten Mawalan Marika. Nicht ganz 17.000 Euro musste er 2005 für diese mythische Verschmelzung des Sternenhimmels mit der von Menschen, Walen und Eidechsen bevölkerten Landschaft von 1964 zahlen.

Der Markt für Aboriginal Art hat sich in den letzten drei Jahrzehnten nicht nur preislich enorm gewandelt. Den Auktionsrekord für einen indigenen Künstler hält immer noch Clifford Possum Tjapaltjarris spirituell-kryptisches „Warlugulong“. Bei Sotheby’s Melbourne brachte es schon 2007 inklusive Aufgeld rund 1,5 Millionen Euro.

Der Künstler zählt zu den bedeutenden Malern im westlichen Arnhem-Land. Sein Bild malte er 1958 auf ein großes Stück Eukalyptus-Rinde (Ausschnitt aus einem Hochformat).

Foto: MFK, N. Kästner

Bis heute dominiert bei Sammlern die farbenfrohe Desert Art aus den Wüstenregionen, weil sie der westlichen abstrakten Kunst ähnlich ist. „Aber die indigene Kunst Australiens präsentiert sich heute so divers und verschieden, dass man sie gar nicht generalisieren kann.

Es gibt inzwischen aus jeder Region bekannte Künstler, die bei ernsthaften Sammlern sehr gefragt sind“, sagte der Aboriginal-Art-Kenner Tim Klingender im Interview mit dieser Zeitung. Der Sotheby’s-Senior-Consultant für die indigene Kunst des fünften Kontinents ist extra zur Vernissage angereist. Gerd Plewig war einer der besten Kunden des Hauses, seit Sotheby’s in Sydney 1997 die erste Aboriginal-Art-Auktion veranstaltete.

Tim Klingender erinnert sich bestens an die Preisentwicklung der Bark Paintings: „Am Anfang lagen sie vielleicht noch bei 10.000 Australischen Dollar, dann kletterten sie auf 20.000, 30.000, bis sie um das Jahr 2000 herum auf 60.000, 70.000 stiegen, umgerechnet ca. 30.000 Euro“, so der Insider. Und er ist sich sicher: „Die Zusammenstellung einer Sammlung wie die von Gerd und Helga Plewig könnte man heute gar nicht wiederholen.“

Plewig hat sich im Gegensatz zu vielen anderen Sammlern damals nicht auf die atelierfrische Gegenwartskunst konzentriert, sondern Werke aus den 1950er- bis frühen 1970er-Jahren gesammelt. Top-Stücke dieser Zeit sind heute vom Markt verschwunden.

Wenn man in München die 170 Bark Paintings so selbstverständlich dicht nebeneinander hängen sieht, ist kaum vorstellbar, wie selten sie sind. Einst wurden sie spärlich angeboten von Missionsstationen und wenigen Galeristen. Ethnologisch interessierte Europäer und Amerikaner kauften sie, lange bevor die sogenannten Art Centres die sozial geschützte Kommerzialisierung der Aboriginal Art in die Hände nahmen.

Erst in den 1990er-Jahren kamen die frühen Objekte wieder auf den Markt. Namen wie Namakarra Ngma oder Nym Bandak zählen heut zu den bedeutenden Bark-Vertretern. Den Maler Yirrwala nennt Gerd Plewig gar den Picasso unter den Rindenmalern wegen seines klaren, zeichenhaften Strichs. Für dessen „Three Mimih Spirits“ von 1958 bezahlte er schon 2003 in Melbourne mit nicht ganz 29.000 Euro mehr als das Doppelte der Taxe.

Sammlung Klein

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Die Sammlung Plewig mag aus heutiger Sicht bereits historisch sein. Die indigene Kunst aber ist längst kein abgeschlossenes Kapitel. Nicht in den Museen, die auch den politischen Aspekt dieser Kunst mehr und mehr erkennen, und nicht auf dem Kunstmarkt.

Die Branche horchte auf, als Gagosian 2018 mit der Verkaufsschau der Sammlung des Schauspielers Steve Martin ein neues Gebiet betrat. Klassiker der Aboriginal Art wie Makinti Napanangka oder George Tjungurrayi hingen an der Wand einer der weltweit führenden Galerien für Gegenwartskunst. Erst im März dieses Jahres ging dort eine Schau mit den Bildern der gefeierten Emily Kame Kngwarreye zu Ende.

Auch Sotheby’s sah 2019 die Zeit reif für die erste Aboriginal Art Auction außerhalb Australiens. Für brutto 447.000 Euro erzielte man in New York für Ronnie Tjampitjinpas Acryl-Gemälde „Tingari Ceremonies at the site of Pintjun“ einen Künstlerrekord.

Großes Preisgefälle auch bei Malerstars

Und mit einem Bruttoerlös von rund 600.000 Euro für „Summer Celebration“ wurde auch Emily Kame Kngwarreyes Status als Star der Szene untermauert. Wie bei vielen ist allerdings auch bei ihr ein großes Preisgefälle zu spüren. Es gibt viele, weniger durchgeistigte Werke als „Summer Celebration“, das Kritiker als Ergebnis einer tiefen, spirituellen Phase sehen.

Ob es im derzeit investitionsfreudigen Markt für zeitgenössische Kunst bei der nächsten New Yorker Aboriginal-Art-Auktion von Sotheby’s im Mai wieder Rekorde gibt, wird einzig und allein vom Angebot abhängen.

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„In Deutschland ist die Aboriginal Art im Vergleich mit anderen Ländern Europas immer noch ein Stiefkind der Kunstszene“, sagt Robyn Kelch. Fünfzehn Jahre hat sie mit ihrer Galerie Artkelch von Freiburg aus um die Anerkennung dieser Kunst als Gegenwartskunst gekämpft. Jetzt ist sie vorwiegend als Beraterin für ihre Sammler tätig.

Der Blick auf die Aboriginal Art als tradierte Stammeskunst ist der Händlerin zu wenig: „Es gibt viele Künstler und Künstlerinnen, die sehr innovativ sind“. Wie etwa Dhuwarrwarr Marika oder Djirrirra Wununmurra. Beide arbeiten installativ und interpretieren die sogenannten Knochenbäume neu, indem sie Stelen aus Baumrinde mit vielschichtig metaphorischen Aussagen realisieren. Moderne Zeiten auch bei den Aborigines.

Mehr: Stammeskunst: Privatmuseum: Wie die Kunst der Aborigines in die Schweizer Berge kam

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