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Nationalsozialismus Geheimgehaltene Namen von Kunstkäufern entdeckt

Hugo Helbing war ein Top-Auktionshaus in Deutschland. Der Fund präziser Katalognotizen bereichert die Provenienzforschung nachhaltig.
04.05.2021 - 08:41 Uhr Kommentieren
Helbings Kataloge nannten keine Schätzpreise. Mitarbeitende bezeichneten Einlieferer und Limit links außen mit Bleistift. In der Auktion notierte der Auktionator dann in Blau den Hammerpreis bzw. ein R für „Retour“, wenn sich kein Bieter rührte. Bisweilen setzte er noch einen Namen dazu, wie Nils Rapp, der einen schriftlichen Auftrag eingereicht hatte. Quelle: Dauerleihgabe Johannes Nathan im Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI)
Annotierter Auktionskatalog

Helbings Kataloge nannten keine Schätzpreise. Mitarbeitende bezeichneten Einlieferer und Limit links außen mit Bleistift. In der Auktion notierte der Auktionator dann in Blau den Hammerpreis bzw. ein R für „Retour“, wenn sich kein Bieter rührte. Bisweilen setzte er noch einen Namen dazu, wie Nils Rapp, der einen schriftlichen Auftrag eingereicht hatte.

(Foto: Dauerleihgabe Johannes Nathan im Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI))

Düsseldorf Es ist wie ein Sechser im Lotto. Auf einmal wird ganz viel möglich. Der Münchener Auktionator Rupert Keim hat im Keller seiner Firma Karl & Faber 187Kataloge des Auktionshauses Hugo Helbing gefunden. Das ist eine Sensation, denn dabei handelt es sich um Hand- oder Protokollexemplare, in denen streng gehütete Geschäftsgeheimnisse der notorisch verschwiegenen Kunstbranche notiert sind.

In Protokollkatalogen schreiben Mitarbeiter und Auktionator nicht nur Mindestpreise, die sogenannten Limite, und Zuschlagspreise. Verzeichnet werden auch die Namen des Käufers, des Verkäufers und die Namen von weiteren Interessenten, und bisweilen auch, wie viel diese maximal zu bieten bereit sind. Selbst Hinweise auf eine bestimmte Versteigerungstaktik hat Theresa Sepp ausmachen können.

Die junge Provenienzforscherin arbeitet am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München (ZI). Dort erschließt sie die für die ganze Branche so wertvollen Annotationen in einem Forschungsprojekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.

Künftig werden die Annotationen der Helbing-Kataloge digital zugänglich sein über die Datenbank German Sales. Damit werden zahllose Herkunftsgeschichten transparent; ein Meilenstein für die Provenienzforschung.

Dass das ZI die Geschichte der Firma Hugo Helbing erforschen kann, ist einem weiteren Glücksfall zu verdanken. Denn der Karl & Faber-Geschäftsführer Rupert Keim schenkt die aufschlussreichen Katalogunikate dem in Potsdam und Zürich ansässigen Kunsthändler Johannes Nathan. Hugo Helbing ist der Bruder von Nathans Urgroßmutter. Nathan seinerseits überlässt dem ZI die wieder aufgefundenen Kataloge als Dauerleihgabe.

Die Kunsthistoriker Stephan Klingen, Theresa Sepp, Christian Fuhrmeister, Birgit Jooss (alle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte) und der Auktionator Rupert Keim (Karl & Faber) (von li.) Quelle: S. Spieler/Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI)
Team am Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) in München

Die Kunsthistoriker Stephan Klingen, Theresa Sepp, Christian Fuhrmeister, Birgit Jooss (alle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte) und der Auktionator Rupert Keim (Karl & Faber) (von li.)

(Foto: S. Spieler/Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) )

Der jüdische Kunsthändler Hugo Helbing (1863-1938) führte in München eines der wichtigsten europäischen Auktionshäuser. Die Nationalsozialisten zwangen den Auktionator sein Versteigerungshaus 1938 zu schließen. In der Pogromnacht 1938 wurde Hugo Helbing verhaftet und niedergeschlagen. Am 30. November 1938 erlag er seinen schweren Verletzungen.

Die von verlässlichen Mitarbeitern annotierten Helbing-Kataloge datieren aus den Jahren 1885 bis 1938. Sie sind extrem wichtig für kunsthistorische Fragen nach Zuschreibung und Authentifizierung. Von nachgerade unschätzbarem Wert aber sind sie für die die vielen ungeklärten Fälle von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken aus jüdischen und anderen Sammlungen. Wer wann welche identifizierbaren Kunstwerke zu welchem Preis angekauft hat, ist derzeit noch entscheidend in Restitutionsverfahren.

Das ZI hat bereits 2013 die im Auktionshaus Neumeister wiederentdeckten, annotierten Kataloge der Vorgängerfirma Adolf Weinmüller auswerten und veröffentlichen können. Auch das Archiv der renommierten, bis heute existierenden Kunsthandlung Julius Böhler wartet mit Einsichten in Preisgefüge und Kunden- bzw. Verkäuferdaten auf.

So verstärkt die Aufschlüsselung der handschriftlichen Notizen von Helbing-Mitarbeitern im Münchener ZI die exemplarische Laborsituation für die Erforschung von Herkunftsgeschichten.

Mehr: Kunstmarktforschung: Im Netz des Nationalsozialisten

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