Buchrezension: Ist alles, was derzeit gegen den Klimawandel getan wird, wirkungslos?
Nur eine Verteuerung fossiler Rohstoffe auf der ganzen Welt könne die Menschheit vor den Folgen der Erderwärmung schützen, schreibt Heiner Flassbeck in seinem neuen Buch.
Foto: dpaDüsseldorf. Dass die Menschheit etwas gegen den Klimawandel tun muss, steht längst außer Frage. Und es passiert ja auch viel: immer mehr erneuerbare Energien, weniger neue Kohlekraftwerke und Unternehmen, die in wenigen Jahren klimaneutral wirtschaften wollen.
Das reicht allerdings nicht, davon ist Heiner Flassbeck überzeugt. In seinem Buch „Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft“ legt der Ökonom offen, warum die Anstrengungen einzelner Länder nicht ausreichen, um den Planeten und damit auch die Menschheit vor den Folgen der Erderwärmung zu schützen.
Verbote, Steuern und neue Technologien reichen in Flassbecks Augen nicht. Ihm geht es um die Frage, „ob eine wachsende und nach Wohlstand gierende Menschheit in der Lage ist, sich auf einem begrenzten Planeten so einzurichten, dass auch die (…) Natur eine Chance hat“. Damit das gelingt, müsse Ökologie ein unauflöslicher Teil der Ökonomie werden – und zwar der globalen.
Auf 165 Seiten seziert Flassbeck das Problem und nimmt dabei den nationalen CO2-Preis, den Dieselskandal und die Forderungen nach einem sofortigen Kohleausstieg ins Visier: „Aus ökonomischen Gründen war immer klar, dass eine Energiewende in einem Land der Welt das globale Problem der Verbrennung fossiler Stoffe nicht lösen kann.“
Sprich, was Deutschland macht, spielt in Flassbecks Augen eigentlich keine Rolle. Nur eine tatsächliche und stetige Verteuerung fossiler Rohstoffe auf der ganzen Welt könnte den gewünschten Effekt erzielen. Dass sich die Weltgemeinschaft darauf einigen könne, glaubt aber anscheinend selbst der Autor nicht: „Der Mensch wird vermutlich auch dieses Mal tun, was er am besten kann, nämlich erst dann handeln, wenn die Situation, die ihn zum Handeln zwingt, schon eingetreten ist.“
Flassbeck war Chefvolkswirt für Globalisierung und Entwicklungsstrategien bei den Vereinten Nationen und davor Staatssekretär im Bundesfinanzministerium unter Oskar Lafontaine. In den vergangenen Jahren veröffentlichte der 69-Jährige zahlreiche ökonomische Sachbücher, darunter 2013 „Handelt jetzt. Das globale Manifest zur Rettung der Wirtschaft“ und 2018 „Das Euro-Desaster“.
Überraschend an diesem Buch ist die Botschaft, dass alles, was derzeit gegen den Klimawandel getan wird, nichts bringt. Das führt dazu, dass man sich als Leser zunehmend hilflos fühlt und sich fragt, wie diese globale Anstrengung jemals erreicht werden soll. Flassbeck beantwortet zwar die im Titel gestellte Ausgangsfrage nach der Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie, aber eine realistische Hoffnung darauf, dass die Weltgemeinschaft es auch wirklich schafft zu einer globalen Lösung zu kommen, lässt er dem Leser am Ende nicht wirklich.
Schuld daran hat laut Flassbeck überraschenderweise allerdings nicht der Kapitalismus, also das System an sich. Sondern die Produzenten und Unternehmen fossiler Energieträger auf der ganzen Welt. „Sie verteidigen ihre Freiheit, mit den ihnen zufällig zugefallenen Ressourcen zu tun und zu lassen, was sie wollen, ganz gleich, ob das im Interesse der Menschheit insgesamt ist oder nicht.“
Flassbeck ist ein Ökonom, der seine Meinung vehement vertreten kann. Wenn Autoren sich allerdings absoluter Formulierungen bedienen und keinen Spielraum für Alternativen lassen, ist das für den Leser oftmals anstrengend. Da ist das Grundeinkommen schnell eine „wirklich dumme Idee“, Milliarden in der Rentenversicherung zu horten, für die es keine vernünftige Anlagemöglichkeit gibt, „vollkommen unglaubwürdig“ und die Bezeichnung fossiler Energien als „unnötigen Golem“ durch Greta Thunberg „Spinnerei“.
Trotz seiner teils übertrieben scharfen Sprache lohnt sich aber ein Blick in das Buch, gerade für diejenigen, die glauben, der Klimawandel sei nicht mehr aufzuhalten, aber auch für solche, die mit ihren absoluten Forderungen manchmal übersehen, dass es im Kampf gegen den Klimawandel auch darauf ankommen sollte, „der großen Mehrheit der Menschen eine Chance zu geben, ihre persönlichen Lebensumstände zu verbessern“.