BCG-Studie Deutsche Unternehmen könnten 2021 vermehrt Ziel unbequemer Investoren werden

Für einige Investmentbanker und Berater gilt das Unternehmen als potenzielle Kandidaten für Kampagnen von Aktivisten.
Frankfurt Nicht nur die Finanzinvestoren gehen 2021 in die Offensive, auch die Aktivisten werden sich wieder stärker nach Konzernen umsehen, die eine Angriffsfläche bieten. Teilweise werden Finanzinvestoren und Hedgefonds auch Hand in Hand gehen, erwarten Investmentbanker in Frankfurt.
Um die aktivistischen Aktionäre war es im vergangenen Jahr zwar Corona-bedingt ruhiger geworden. Wegen der Pandemie haben sie sich zurückgehalten – auch, um negative Schlagzeilen zu vermeiden und die Aufseher nicht unnötig zu reizen.
Allerdings dürfte die Schonzeit schon in diesem Jahr ablaufen. „Die Zahl der Kampagnen war zuletzt rückläufig. Aber 2021 wird es wieder eine Zunahme geben, denn die Hedgefonds haben sehr viel Kapital eingesammelt, das sie einsetzen wollen“, sagt Rüdiger Wolf, Experte für Restrukturierung und Kapitalmarkt bei der Boston Consulting Group (BCG).
Die Zeit der „Unplanbarkeit“ werde zu Ende gehen, weil der Impfstoff gegen Covid-19 schrittweise zur Verfügung steht. „Wenn die Performanceschwäche einiger Unternehmen sichtbar wird, dann treten die Aktivisten auch in Deutschland wieder vermehrt auf den Plan“, glaubt der BCG-Manager.
In einer BCG-Studie, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, zeigt sich, dass die börsennotierten Unternehmen in Deutschland ein großes Spielfeld für Aktivisten und Hedgefonds bieten.
Technologieunternehmen gelten als „äußerst gefährdet“
„Die deutschen Unternehmen sind keineswegs sicher vor den Attacken der aktivistischen Aktionäre. Wir haben 263 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 100 Millionen Euro untersucht. Wir halten nach der Analyse 54 Unternehmen für äußerst gefährdet und weitere 53 für sehr gefährdet“, sagt Wolf.
Die prozentual meisten Unternehmen, die BCG als „äußerst gefährdet“ ansieht, finden sich in den Bereichen Industriegüter und Technologieunternehmen. Besonders der Bereich Technologie erscheint auf den ersten Blick überraschend, wenn man an erfolgreiche Unternehmen aus Deutschland denkt. Betrachte man dies jedoch im Vergleich zum globalen Wettbewerb, zeigt sich deutlich die Dominanz der starken Player aus den USA und zunehmend auch aus Asien.
BCG-Experte Wolf nennt keine Namen, Beobachter meinen aber, damit seien selbst Champions wie SAP nicht sicher vor Aktivisten. Die schiere Größe von Unternehmen schütze die Vorstände nicht mehr vor den Attacken aktivistischer Hedgefonds, sagt ein Investmentbanker in Frankfurt.
Aktivisten sichern sich Mehrheitsbeteiligungen
Aktivisten wie Elliott und Cevian sichern sich Minderheitsbeteiligungen an Konzernen und drängen dann auf Veränderungen in der Strategie oder Struktur der Gesellschaften. „Unternehmen sind beispielsweise gefährdet, wenn der Aktienkurs hinter dem der Wettbewerber zurückbleibt. Auch als Konglomerat ist man anfällig für Attacken der Aktivisten“, sagt Wolf.
Oft sind Aktivisten schon mit kleinen Anteilen erfolgreich, weil sich nicht selten große Vermögensverwalter der Kampagne anschließen. Außerdem üben die Aktivisten und Finanzinvestoren oft den Schulterschluss, Hedgefonds und Private-Equity-Fonds ergänzen sich mit ihren Geschäftsmodellen.
„Die aktivistischen Aktionäre haben sich in der Coronakrise zurückgehalten. Doch 2021 werden sie neue Kampagnen starten. Wenn Konzerne sich von Geschäftsteilen trennen müssen, stehen Finanzinvestoren als Käufer bereit“, sagt Jens Maurer, Co-Chef Investmentbanking bei der US-Bank Morgan Stanley.
Die Strategien von Private-Equity-Fonds und Aktivisten würden sich zunehmend angleichen, heißt es in der BCG-Studie zum „Shareholder Engagement“. Cerberus Capital sei etwa für Private Equity bekannt, agiere bei deutschen Großbanken aber auch als aktivistischer Aktionär. Und auch beim Pharmakonzern Stada waren zeitweise Hedgefonds und Private-Equity-Fonds gleichzeitig engagiert.
„Die Aktivisten bleiben nicht nur relevant, das Aktivitätslevel wird weiter zunehmen. Das kann man schon jetzt in einzelnen Situationen auch in Deutschland beobachten. Darauf sollten Managementteams vorbereitet sein“, meint auch Armin von Falkenhayn, Deutschlandchef der Bank of America.
Für die Berater von BCG kommt es auch darauf an, wie gut die Unternehmen die Coronakrise gemeistert haben. Die Entschlossenheit des Handelns gelte unter den Aktivisten als wichtiger Indikator dafür, ob man eine Kampagne startet. Und 90 Prozent der Konglomerate bleiben für aktivistische Aktionäre attraktive Ziele.
Bayer und Hugo Boss gelten als potenzielle Kandidaten für Kampagnen
Die Hedgefonds analysieren, wo sie bei der Kapitalrendite, der Kapitalstruktur oder der operativen Profitabilität aus ihrer Sicht vielversprechende Ansatzpunkte für Kampagnen finden können. Für einige Investmentbanker und Berater gelten Bayer und Hugo Boss als potenzielle Kandidaten für Kampagnen von Aktivisten, aber auch kleinere Unternehmen wie Freenet und der Maschinenbauer Manz.
Und nach der Coronakrise werden auch nicht-finanzielle Kriterien für Aktivisten relevanter. „Kritik an der Governance – also den Grundsätzen einer guten Unternehmensführung – war schon immer ein Hebel für Aktivisten. Aber zunehmend werden auch soziale und ökologische Themen relevant“, sagt BCG-Experte Wolf.
Und nicht zuletzt eine fehlende Diversität in Vorständen und Aufsichtsräten kann Aktivisten anlocken. Ihr Argument: Wenn in den Gremien zu wenige Frauen und Kulturen vertreten sind, schneiden die Unternehmen schlechter ab als ihre „Peers“ mit mehr Vielfalt.
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