Deutsche Bank, ING, BNP Raus aus der Coronakrise: Die Aktien dieser europäischen Universalbanken bieten noch Kurschancen

Das größte deutsche Geldhaus hat die Analysten mit seinen Quartalszahlen positiv überrascht. Aber anderen Bankaktien trauen die Experten höhere Kursgewinne zu.
Frankfurt Es war ein ganz besonderer Tag für die Deutsche Bank. Am 28. April legte die Aktie der Frankfurter innerhalb weniger Stunden um elf Prozent zu. Hinter den spektakulären Gewinnen an der Börse steckten die deutlich besser als erwartet ausgefallenen Zahlen für das erste Quartal, die Vorstandschef Christian Sewing an diesem Tag präsentierte. So viel Zuspruch der Investoren hatte das größte heimische Geldhaus schon lange nicht mehr erlebt.
Bleibt die Frage, wie viel Elan die Aktie nach diesem Kurssprung noch entfalten kann. Die Analysten trauen europäischen Banken noch immer einiges zu. Auch die Deutsche Bank ist längst kein Außenseiter mehr, aber bei anderen Instituten wie der französischen BNP oder der niederländischen ING sehen die Experten bessere Chancen an der Börse.
Magdalena Stoklosa, Analystin bei der US-Bank Morgan Stanley, meint: „Europäische Bankaktien sind in den vergangenen Monaten bereits ziemlich gut gelaufen.“ Vom jetzigen Niveau aus sieht die Expertin für den Sektor insgesamt noch ein Aufwärtspotenzial von etwa zehn Prozent. Deshalb „kommt es jetzt stärker auf die Auswahl von Einzelaktien an“, betont Stoklosa.
Fondsmanagerin Alexandra Annecke von Union Investment reichte ein Satz, um das Quartalsergebnis der Deutschen Bank zusammenzufassen: „Selbst dem größten Bären fällt es schwer, an den Zahlen viele Kritikpunkte zu finden“.
Mit einem Nettogewinn von 908 Millionen Euro verdienten die Frankfurter so viel wie seit 2014 nicht mehr. Mit 7,4 Prozent näherte sich die Rendite auf das materielle Eigenkapital erstmals dem Zielwert von acht Prozent an, den Vorstandschef Sewing für das Ende der langen Umbauphase 2022 ausgegeben hat.
Deutsche-Bank-Aktie notiert bereits über vielen Kurszielen
Nach den Zahlen erhöhten die Analysten reihenweise ihr Kursziel für die Deutsche Bank. Die Experten von Barclays, Exane und RBC trauen den Frankfurtern allesamt deutlich höhere Gewinne als bislang zu und hoben ihre Zielmarke für die Aktie auf jeweils elf Euro an.
Diese höheren Schätzungen sind gute Nachrichten für Sewing und eine Anerkennung seiner Sanierungsarbeit, sie haben aber alle dasselbe Problem: Nach dem jüngsten Kurssprung ist die Aktie der Deutschen Bank bereits mehr als elf Euro wert.
Stoklosa von Morgan Stanley ist etwas mutiger und hat ihr Kursziel auf 12,20 Euro angehoben und die Aktie gleichzeitig von „untergewichten“ auf „gleichgewichten“ hochgestuft. Der Analystin gefallen vor allem die Fortschritte bei der Bilanzsanierung, die robuste Kapitalposition und das schlankere Geschäftsmodell.
Aber die Expertin fürchtet noch immer, dass Sewing sein Renditeziel verfehlen wird. Stoklosa hält bis 2022 nur eine Eigenkapitalrendite von 6,4 Prozent für möglich. „Die Bank hat enorme Fortschritte gemacht, jetzt kommt es darauf an, wie viel der höheren Einnahmen nachhaltig sind, und wie viel lediglich zyklisch“, meint die Analystin. Bei dieser Frage gebe es noch immer eine Lücke zwischen den Erwartungen des Markts und den Erwartungen der Bank, aber diese Lücke könne sich schließen.
Stoklosas Haltung gegenüber dem Frankfurter Geldhaus ist zuletzt deutlich positiver geworden, aber viele ihrer Kollegen sehen Sewings Umbau weiterhin mit Misstrauen. „Die Bank hat noch immer jede Menge Arbeit vor sich“, warnt beispielsweise Eoin Mullany vom Bankhaus Berenberg, der zum Verkauf der Aktie rät.
Im Schnitt liegt das Kursziel der 20 von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Analysten bei 10,60 Euro und damit unter dem aktuellen Kurs. Allerdings haben viele Analysten und Fondsmanager die Rally der Deutschen Bank verpasst, nur Andrew Lim von der Société Générale, der die Entwicklung der Frankfurter lange besonders kritisch sah, hatte den Mut, vergleichsweise früh zum Kauf zu raten.
Jetzt hat Lim sein Kursziel von 13 Euro auf 15 Euro nach oben geschraubt. Lim hatte 2020 den Absturz der Aktie in Richtung vier Euro korrekt vorhergesagt, dann aber seine Meinung geändert und Ende Oktober des vergangenen Jahres die erste Kaufempfehlung für das Frankfurter Geldhaus seit vielen Monaten ausgesprochen.
Damit war Lim zwar Vorreiter seiner Zunft, aber trotzdem fast ein bisschen spät dran. Seit dem Rekordtief bei 4,44 Euro im März 2020 hatte der Kurs da schon um gut 80 Prozent zugelegt. Aber auch seit Lims Kaufempfehlung gab es mit einem Plus von rund 40 Prozent noch ordentliche Gewinne zu verbuchen.
Mit seinem positiven Urteil zur Deutschen Bank steht Lim noch immer allein da. 17 der 30 von Bloomberg erfassten Analysten raten derzeit, die Aktie zu halten. Zwölf empfehlen einen Verkauf. Aber Morgan-Stanley-Expertin Stoklosa ist zuversichtlich: „Wenn es bei der Deutschen Bank Überraschungen gibt, dann eher positive.“ Außerdem sei die Aktie der Frankfurter im Vergleich zur Konkurrenz noch immer günstig bewertet.
Die Investoren sind noch immer optimistisch
Insgesamt ist die Haltung der Investoren gegenüber europäischen Banken im Vergleich zum Beginn der Coronakrise deutlich konstruktiver. Vor einem Jahr fürchteten viele, dass die Geldhäuser von einer Pleitewelle bei den Unternehmen überrollt und die faulen Kredite in der Bilanz massiv ansteigen würden. Trotz aller Sorgen und Ermahnungen der Aufseher ist dieses Schreckensszenario bislang ausgeblieben. Deshalb verbuchten viele Bankaktien in den vergangenen Monaten bereits deutliche Kursgewinne.
Bei einer Umfrage von Morgan Stanley unter Großanlegern zeigten sich kürzlich 72 Prozent noch immer zuversichtlich, was die Kurschancen von Finanzwerten angeht, nur acht Prozent zählten sich zum Lager der Pessimisten. Dabei hielten zwei Drittel Europa für die derzeit attraktivste Region.
Gestützt wird dieser Optimismus von den Ergebnissen für das erste Quartal. Mittlerweile haben alle großen Institute ihre Ergebnisse für die Monate Januar bis März vorgelegt und durchweg die Schätzungen der Analysten übertroffen. Allerdings rechnen die wenigstens mit Kursgewinnen in der Größenordnung, wie sie bei der Deutschen Bank seit ihrem Tief möglich waren.
Für den prinzipiellen Optimismus gibt es mehrere Gründe: Die Investoren setzen auf einen robusten Konjunkturaufschwung mit entsprechend höheren Gewinnen für die Finanzbranche. Dazu kommt die Aussicht, dass die Aufseher der EZB den großen Geldhäusern in der Euro-Zone ab dem Herbst wieder die Ausschüttung von Dividenden erlauben werden.
Die Analysten von Morgan Stanley sehen Banken wie die französische BNP, die spanische Santander oder die niederländische ING gut positioniert, um von der Entspannung der Coronakrise und der erhofften Wiederöffnung der europäischen Wirtschaft zu profitieren. Außerdem böten diese Aktien eine Dividendenrendite von fünf bis sechs Prozent, ING käme sogar auf neun Prozent. „Nach dem Schub für die Investmentbanken werden jetzt die Universalbanken interessanter“, meint Analystin Stoklosa.
Lob für effiziente ING
Die meisten Kaufempfehlungen kann derzeit ING auf sich vereinigen, rund drei Viertel der von Bloomberg erfassten Analysten raten ihren Kunden, die Aktie ins Depot zu nehmen. Die Niederländer gehören seit Jahren zu den Vorreitern bei der Digitalisierung des Bankgeschäfts. Im ersten Quartal musste die ING 64 Cent ausgeben, um einen Euro einzunehmen. Bei der Deutschen Bank lag dieser Wert dagegen zuletzt bei 77 Prozent.
Dank einer niedrigeren Risikovorsorge und höherer Einnahmen konnte die ING im ersten Quartal den Überschuss auf gut eine Milliarde Euro verdoppeln. Im Schnitt trauen die Analysten der Aktie auf Sicht von zwölf Monaten Kursgewinne von rund acht Prozent zu. Die optimistischste Schätzung von Kepler Cheuvreux würde einem Plus von etwa 30 Prozent entsprechen.
Auf Rang zwei der Kaufempfehlungen rangiert BNP. Im ersten Quartal verdiente das größte Geldhaus der Euro-Zone mit 1,77 Milliarden Euro gut ein Drittel mehr als vor Jahresfrist und fast doppelt so viel wie die Deutsche Bank. Dabei profitierten die Franzosen von der Erholung des Aktiengeschäfts. Das Ergebnis von BNP ist ein Indiz dafür, dass sich der Boom im Investmentbanking in den vergangenen Monaten vom Anleihegeschäft, der Spezialität der Deutschen Bank, in Richtung Aktien verschoben hat.
Mit einem Kursgewinn von über 85 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten ist allerdings auch diese Aktie bereits gut gelaufen. Auf dem aktuellen Stand trauen ihr die Analysten im Schnitt noch ein Plus von rund sieben Prozent zu, die Optimisten wie JP Morgan, Jefferies oder Autonomous Research halten aber auch einen Anstieg um bis zu 25 Prozent für möglich.
Die spanische Großbank Santander startete ebenfalls, angetrieben von starkem Wachstum in den USA und wegen der geringeren Risikovorsorge, mit Schwung ins Jahr. Im ersten Quartal verfünffachte sich der Nettogewinn auf 1,6 Milliarden Euro.
Derzeit trimmt die Verwaltungsratschefin Ana Botín die Bank auf Effizienz. Santander baut auf ihrem Heimatmarkt Tausende von Jobs ab und will ein Fünftel ihrer britischen Filialen schließen, nachdem die Coronakrise im vergangenen Jahr für den ersten Verlust der Unternehmensgeschichte gesorgt hat.
Jetzt will Santander 40 Prozent der Gewinne für die Aktionäre reservieren, sobald die Aufseher das wieder zulassen. Optimisten unter den Analysten wie die Experten von KBW trauen der Aktie derzeit Kursgewinne von rund 25 Prozent zu.
Nach Abschluss der Quartalssaison fasste ING-Chef Steven van Rijswijk die Lage der europäischen Banken treffend zusammen: „Die Pandemie hat sich zwar weiter auf unser Leben ausgewirkt, aber wenn man sich die Ergebnisse ansieht, würde man nicht unbedingt glauben, dass wir uns immer noch in einer Krise befinden.“
Mehr: Der Milliardengewinn der Deutschen Bank ist kein Meilenstein.
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