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Finanzaufsicht Anwaltskanzlei verklagt Bafin im Wirecard-Skandal

In dem Bilanzskandal um den Zahlungsdienstleister hat eine Anwaltskanzlei Klage gegen die Bafin eingereicht. Diese habe ihre gesetzlichen Pflichten verletzt.
24.07.2020 Update: 24.07.2020 - 12:46 Uhr Kommentieren
Tilp argumentiert, dass die Bafin mindestens für Geschäfte mit Wirecard-Papieren ab dem 18. Februar 2019 Schadensersatz leisten müsse. Quelle: dpa
Bafin

Tilp argumentiert, dass die Bafin mindestens für Geschäfte mit Wirecard-Papieren ab dem 18. Februar 2019 Schadensersatz leisten müsse.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Jetzt ist auch die Bundesfinanzaufsicht Bafin im Betrugsskandal des Dax-Konzerns Wirecard mit der ersten Klage konfrontiert. Die Tübinger Kanzlei Tilp hat am Donnerstagabend beim Landgericht Frankfurt eine Amtshaftungsklage eingereicht. Sollte die auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Sozietät damit Erfolg haben, könnte dies den Staat und damit letztlich den Steuerzahler am Ende womöglich eine Milliardensumme kosten.

Neben der eingereichten Amtshaftungsklage hat die Kanzlei auch eine Musterfeststellungsklage gegen die Bafin beantragt. Mit diesem Instrument will sie für Zehntausende Anleger Schadensersatz erkämpfen.

Die Bafin habe im Fall Wirecard mindestens leichtfertig ihre gesetzlichen Pflichten zur Aufklärung, Verhinderung und Anzeige von Marktmanipulationen verletzt, argumentiert Kanzleichef Andreas Tilp. Außerdem habe sie gegen die Pflicht zur richtigen und nicht irreführenden Information der Öffentlichkeit und des Kapitalmarkts verstoßen.

Die Kanzlei wirft der Behörde vor, nicht ordnungsgemäß ermittelt zu haben, obwohl sie konkrete Anhaltspunkte für geschönte Bilanzen gehabt habe. Hätte sie dies getan, wäre der Bilanzbetrug Mitte Februar 2019 öffentlich bekannt gewesen und viele nun massiv geschädigte Anleger hätten sich nicht in Wirecard investiert.

„Nach unserer festen Überzeugung haftet die Bafin zumindest für alle Erwerbe von Wirecard-Aktien und der Wirecard-Anleihe sowie Derivaten auf die Wirecard-Aktie, die ab dem 18. Februar 2019 erfolgten, auf Schadensersatz“, teilt Tilp mit.

Am 15. Februar 2019 hatte die Bafin bei der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) eine Prüfung möglicher Verstöße von Wirecard im Halbjahresfinanzbericht 2018 veranlasst, die Öffentlichkeit und den Kapitalmarkt darüber aber nicht informiert. Sie informierte lediglich über ihre Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen Spekulanten.

Am 18. Februar 2019 erließ die Bafin dann für zwei Monate ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien – ein Novum, denn nie zuvor hatte die Behörde für Aktien eines einzelnen Unternehmens ein solches Verbot verkündet.

Negativberichte der britischen „Financial Times“ über Gesetzesverstöße von Wirecard-Mitarbeitern in Singapur hatten zuvor mehrfach Kursstürze ausgelöst. Die Bafin befürchtete eine „ernst zu nehmende Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland“. Die Behörde soll dabei sogar schon vor der ersten Berichterstattung der „Financial Times“ im Januar 2019 Informationen eines Whistleblowers zugespielt bekommen haben.

Bafin schützte Wirecard und ging gegen Journalisten vor

Allerdings machte sie die Schuldigen offensichtlich aufseiten der Spekulanten und Journalisten und nicht bei Wirecard aus. Denn wenig später zeigte die Behörde unter anderem mehrere Journalisten an, warf ihnen vor, mit Fonds und einzelnen Investoren gemeinsame Sache zu machen, die auf fallende Kurse des Konzerns wetteten.

Wirecard hatte seinerzeit die Vorwürfe zu womöglich frisierten Bilanzen stets zurückgewiesen, erst im Frühjahr dieses Jahres brach nach einem Sonderprüfungsbericht der Prüfungsgesellschaft KPMG das Kartenhaus des Konzerns rasant in sich zusammen. Im Juni meldete Wirecard dann Insolvenz an, bis zu 20 Milliarden Euro Börsenwert sind nun vernichtet.

Die Bafin argumentiert mit Blick auf die Vorgänge im Jahr 2019, sie habe erst die Untersuchung der DPR abwarten müssen, um tätig werden zu dürfen. Für die Wirecard AG als Technologiekonzern war die Finanzaufsicht nicht unmittelbar zuständig, sondern formal nur für das Tochterunternehmen Wirecard Bank.

Allerdings darf die Bafin laut Gesetz nur dann die DPR beauftragen, wenn ihr „konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß“ gegen Bilanzierungsregeln vorliegen. „Damit hat die Bafin den Markt öffentlich einseitig, unvollständig und irreführend informiert, was nach unserer festen Überzeugung ebenfalls eine Amtshaftung begründet“, sagt Maximilian Weiss, Kanzleikollege von Tilp.

Mehrere Kanzleien hatten bereits Klagen gegen die Bafin angekündigt – eingereicht hatte eine solche aber bis dato keine. Dies liegt womöglich auch daran, dass Amtshaftungsklagen gegen die Bafin bisher nur geringe Erfolgsaussichten hatten. Begründet ist dies durch ein aus dem Gesetz abgeleitetes sogenanntes Haftungsprivileg, das die Bafin vor Schadensersatzansprüchen schützt.

Der Münchener Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Peter Mattil, hatte sich mit Blick auf angekündigte Klagen gegen die Bafin skeptisch gezeigt: „Das ist derzeit nicht Erfolg versprechend. Der Bundesgerichtshof hat bereits in vergleichbaren Fällen entschieden, dass die Finanzaufsicht schon aus gesetzlichen Gründen nicht haftet. Jede Klage dieser Art wäre rausgeschmissenes Geld“, sagte er vor einigen Wochen.

Aus Sicht der Tilp-Anwälte kommt der Bafin indes „keine wie auch immer geartete Haftungsprivilegierung zugute“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei anerkannt, dass diese Norm in Fällen des Amtsmissbrauchs einer Haftung der Bafin nicht entgegensteht“, meint Andreas Tilp. Die Kanzlei hatte überdies zur weiteren Absicherung für diese Frage laut Handelsblatt-Informationen eigens einen Gutachter hinzugezogen.

Kritik an Behörde nimmt zu

Der Druck auf die Bafin-Spitze Felix Hufeld und die für die Wertpapieraufsicht zuständige Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele dürfte durch die Klage in jedem Falle wachsen, zumal es nicht die einzige Klage bleiben wird. Mindestens eine weitere gegen die Aufsicht wird folgen: Der Kapitalmarktrechtler Michael Leipold kündigte diese im Gespräch mit dem Handelsblatt an.

Die Zweifel an der Arbeit der Behörde waren zuletzt an zahlreichen Stellen immer größer geworden. Laut einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages hätte sie in Sachen Wirecard deutlich früher eingreifen können.

Inzwischen prüft unter anderem die EU-Wertpapieraufsicht Esma mögliche Versäumnisse der deutschen Finanzaufsicht, auch der Präsident des Bundesrechnungshofs kündigte eine Überprüfung der Bafin-Rolle in dem Skandal an.

Bafin-Chef Hufeld hatte zuletzt zwar eingeräumt, dass neben Kritik am Management von Wirecard und an den Wirtschaftsprüfern auch Kritik an der Bafin gerechtfertigt sei. Allerdings stellte er sich auf den Standpunkt, seine Behörde habe sich an die Vorgaben des Gesetzgebers gehalten. Deshalb wies er Vorwürfe letztlich zurück und sieht stattdessen den Gesetzgeber in der Pflicht.

„Wir erfüllen genau die Aufgaben, die uns der Gesetzgeber vorgibt – alles andere ist in einer Demokratie nicht zulässig“, sagte Hufeld. „Wir können nicht einfach machen, was wir wollen. Menschen, die behaupten, dass so ein Betrug mit einer anderen Aufsicht nicht möglich gewesen wäre, streuen den Bürgern Sand in die Augen.“

Mehr: Zwischen Tat und Aufklärung: Das sind die wichtigsten Köpfe im Wirecard-Skandal.

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