Finanzskandal Eklat im Wirecard-Ausschuss – Opposition wirft Finanzministerium Verschleppung vor

Als Reaktion auf den Wirecard-Skandal hat der Finanzminister einen grundlegenden Umbau der Finanzaufsicht auf den Weg gebracht.
Berlin Zoff im Wirecard-Untersuchungsausschuss: Weil das Finanzministerium dem Gremium zahlreiche Akten erst kurz vor Beginn einer Sitzung am Donnerstag zur Verfügung stellte, machten mehrere Ausschussmitglieder Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schwere Vorwürfe.
Das Bundesfinanzministerium habe 107 Ordner und Daten „erneut viel zu spät zugeliefert“, sagte der CDU-Finanzexperte Matthias Hauer. „Das ist nicht nur unerfreulich, sondern eine klare Missachtung der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.“
In den Akten geht es unter anderem um ein umstrittenes Leerverkaufsverbot von Wirecard-Aktien 2019 sowie um die Kommunikation zwischen der Bafin und dem Finanzministerium. Da die Unterlagen so kurzfristig zur Verfügung gestellt wurden, konnten die Abgeordneten sie vor der Befragung von Mitarbeitern der Finanzaufsicht Bafin am Donnerstag sowie der Spitze der Behörde am Freitag nicht umfassend studieren.
Der Ausschuss bestellte deshalb kurzfristig die Staatssekretäre Werner Gatzer und Sarah Ryglewski in den Ausschuss ein, die aus Sicht der Abgeordneten im Finanzministerium für die Bereitstellung der Akten verantwortlich sind. Die späte Lieferung konnten beide dort aus Sicht von Hauer nicht plausibel erklären.
Auch Oppositionspolitiker schäumen deshalb vor Wut. „Es entsteht der Eindruck, dass das Bundesfinanzministerium die Aufklärung und Arbeit des Untersuchungsausschusses sabotieren möchte“, sagte der Grünen-Obmann Danyal Bayaz.
Bafin-Spitze soll ein zweites Mal verhört werden
Der Linken-Finanzexperte Fabio de Masi sprach von einer „Verhöhnung des Untersuchungsausschusses“. FDP-Obmann Florian Toncar sagte: „Olaf Scholz wird nicht müde, nach außen seinen Aufklärungswillen zu betonen. In der Realität ist davon nicht viel zu spüren.“
In den Akten fänden sich häufig Dinge, die die Bundesregierung von sich aus nicht offenlege, sagte Toncar – zum Beispiel, dass das Finanzministerium nach der Insolvenz von Wirecard überlegt habe, das Unternehmen mit Steuergeld zu retten.
„Auch die haarsträubenden Umstände, unter denen das Leerverkaufsverbot zustande gekommen ist, kennen wir vor allem dank der Akten“, sagte Toncar. „Wenn sich das Verhalten der Bundesregierung nicht grundlegend ändert, wird sich der Untersuchungsausschuss bis in den Sommer ziehen.“
Wegen des Streits über die Bereitstellung von Akten begann die Befragung der Bafin-Mitarbeiter am Donnerstag mit mehr als drei Stunden Verspätung. Am Freitag sollen dann Bafin-Präsident Felix Hufeld und seine Stellvertreterin Elisabeth Roegele vernommen werden.
Wenn die Abgeordneten die gesamten Akten studiert haben, wollen sie Hufeld und Roegele vermutlich nochmal einbestellen. Als Termin dafür ist der 13. April im Gespräch.
Opposition wirft Scholz Verschleppung vor
Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann bezeichnete die später Bereitstellung der Akten als „unglücklichen Vorgang“. „Offenbar gibt es dafür aber nachvollziehbare Gründe, unter anderem die lange Erkrankung einer Zeugin“, sagt er. Außerdem habe die britische Finanzaufsicht FCA einige Akten erst jetzt freigegeben. „Hinzu kamen umfangreiche Herabstufungen der Unterlagen, was dem Ausschuss die Arbeit eigentlich erleichtert.“
Ein Vorgang wie dieser passiere immer wieder in Untersuchungsausschüssen und lasse sich kaum vermeiden, sagte Zimmermann. „Staatssekretärin Ryglewski und Staatssekretär Gatzer erläuterten diese Vorgänge im Ausschuss und konnten diese auch plausibel begründen.“
Die Aufsicht über die Bafin hat das Finanzministerium, deswegen steht auch Scholz bei der parlamentarischen Aufarbeitung der Wirecard-Pleite unter Druck. Als Reaktion auf den Skandal hat der SPD-Kanzlerkandidat einen grundlegenden Umbau der Finanzaufsicht auf den Weg gebracht.
„Im Juli hat Olaf Scholz noch erklärt, dass es nur eine Vorgehensweise gäbe: „Voran, nichts verbergen, aktiv an der Spitze der Aufklärung stehen und dafür zu sorgen, dass alle Sachen geklärt werden“, sagte Bayaz. „Davon will Scholz offenbar nichts mehr wissen, seit er SPD-Kanzlerkandidat ist. Er will offenbar Tempo aus der Aufklärung rausnehmen, um sich irgendwie in die Sommerpause und den Wahlkampf zu retten.“
Der frühere Dax-Konzern Wirecard war ein Dienstleister für bargeldlose Zahlungen an der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen. Im Sommer räumte Wirecard ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro ein und meldete Insolvenz an.
Der Untersuchungsausschuss will herausfinden, warum der Fall über Jahre nicht aufflog und ob Wirecard als aufstrebendes Fintech von den Behörden mit Samthandschuhen angefasst wurde.
Mit Agenturmaterial
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Scholz scheint mir ein ziemlich dubioser Charakter. Er erinnert, rein phänotypisch, an ein Wiesel.
Das kann, für einen Kanzlerkandidaten, zumal von der SPD, sogar von Vorteil sein.
Ich meine diesen Artikel wortwörtlich heute morgen schon mal im Spiegel gelesen zu haben.. ;)
Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Hat er als Hamburger Bürgermeister bei den Cum-ex Vorwürfen i.H.v. 47 Mio. EUR gegenüber der Warburg Bank nicht auch schonungslose Aufklärung versprochen und im Anschluss die First verstreichen lassen um die Bank zu stützen? Es scheint schon fast als ob Herr Scholz eine Vorliebe zur Deckung der Finanzbranche hat.