Coronakrise Immer mehr Berater benutzen digitale Helfer

Düsseldorf Mit der Corona-Pandemie begann im März eine neue Zeitrechnung. Auch in der Finanzberatung. Der Landkreis Heinsberg als Epizentrum in Deutschland machte den Anfang: „Wir wurden hier als Erste direkt ins kalte Wasser geworfen“, erzählt Holger Jache, Leiter Abteilung Baufinanzierung bei der Sparkasse Heinsberg. Die Sparkasse entwickelte schnell ein umfangreiches Hygienekonzept, das auch persönliche Gespräche mit Kunden auf Anfrage möglich machte. Die Berater sammelten dabei positive Erfahrungen: „Wir haben viele Gespräche noch intensiver durch Telefonkonferenzen oder E-Mail-Kontakt vorbereitet. Die eigentliche Beratung vor Ort war häufig effizienter“, sagt Jache.
Viele Banken, aber auch selbstständige Finanzberater waren in den vergangenen Monaten gezwungen, digitale Wege der Kommunikation zu gehen. 86 Prozent aller Finanzberater gaben bei einer Befragung von WhoFinance für die Finanzberater Edition an, dass die Pandemie ihre Pläne zur Digitalisierung beschleunigt hat. Wie die Digitalisierung die Finanzberatung erobert, das zeigen auch sieben Beispiele von Menschen, die sie an unterschiedlichen Stellen nutzen. Sie zeigen, dass die Digitalisierung Kunden, aber auch Anbietern große Chancen eröffnet.
In der Coronakrise kommunizieren Finanzberater mit ihren Kunden verstärkt über Videochats. „Das Gespräch über Video-Webkonferenz ist viel persönlicher im Vergleich zum Telefon, da man gegenseitig auch Mimik und Gestik sehen kann“, sagt MLP-Berater Iraklitos Vasiloudis, der schon seit Jahren mit seinen Kunden auf diese Weise kommuniziert. „Sich zu sehen ist besser, als sich nur zu hören.“ Das erleichtert die Kommunikation und lässt weniger Missverständnisse aufkommen. Auch Banken und Sparkassen nutzen diese Form des Gesprächs.
Während des Lockdown war der Informationsbedarf der Kunden enorm, schildert Wolfgang Ruch, Finanzberater in Borgsdorf bei Berlin, seinen Beratungsalltag zum Höhepunkt der Pandemie. Sind Gespräche sonst meist nach zehn Minuten beendet, benötigte er im Schnitt die doppelte Zeit. Er sieht große Vorteile in der Digitalisierung seiner Arbeit: „Vor 25 Jahren saß ich bei den Kunden am Wohnzimmertisch. Damals waren Anträge in Papierform auszufüllen“, betont Ruch. Heute lässt sich viel per Mausklick erledigen.
Berater und Kunden sparen Zeit
Das Gespräch am Bildschirm oder am Telefonbringt allen Beteiligten Vorteile: Berater wie Kunden sparen Zeit für die Anfahrt und schonen noch dazu die Umwelt. Der Qualität der Beratung tut das keinen Abbruch. Rechtlich betrachtet muss die Kommunikation mit Videotelefonie genauso dokumentiert werden wie jedes andere Beratungsgespräch auch. Finanzberater können die eingesparte Zeit anders nutzen.
„Der Trend zum digitalen Banking war schon vor Corona unumkehrbar. Die Pandemie gibt ihm aber eine neue Dynamik“, sagt Ralf Peter Beitner, Vorsitzender des Vorstands der Kreissparkasse Heilbronn. Allein im Juni habe sich die Zahl der Online-Finanzierungsanfragen im Vergleich zu den ersten drei Monaten mehr als verdreifacht. „In der Coronakrise waren diejenigen Unternehmen handlungsfähig, die gute digitale Angebote hatten – gerade am Anfang, als persönliche Termine unmöglich waren“, sagt Michael Schmidt, Mitglied der Geschäftsführung von Baufi24. Homeoffice war für seine Mitarbeiter nicht neu. Das Unternehmen war über Website, Telefon oder Video erreichbar. Gleichzeitig standen persönliche Ansprechpartner für Kunden zur Verfügung. „Nah am Kunden: digital und persönlich“, lautet das Credo von Baufi24.
Durch die Coronakrise haben wir einige neue Projekte angeschoben, die wir ohne Krisenmodus nicht ganz so schnell auf die Straße gebracht hätten Karl Matthäus Schmidt, CEO der Quirin Privatbank
Doch nicht nur der Austausch zwischen Endkunden zum Finanzberater ändert sich gerade, das gilt auch für die Kommunikation zwischen den Produzenten von Finanzprodukten und den Beratern. „Digitale Formate haben durch Corona natürlich sehr rasch an Bedeutung gewonnen, um die Kommunikation mit Geschäftspartnern und Vermittlern aufrechtzuerhalten“, sagt Matthias Wald, Leiter Vertrieb bei Swiss Life Deutschland. So hat das Unternehmen sein Konzept zur Betreuung von Geschäftspartnern um rein digitale Betreuer erweitert, die jederzeit über Videocall mit den Maklern in Kontakt stehen.
Digitale Roadshows zu Themen der Weiterbildung und Produkten haben sich in den vergangenen Monaten bewährt: „Wir haben aktuell über die rein digitalen Roadshows zum Thema Arbeitskraftsicherung dreimal so viele Geschäftspartner erreicht wie bei den Präsenzveranstaltungen der Vorjahre“, erklärt Wald. Wenn die Pandemie wieder abgeebbt ist, strebt er eine Kombination aus Präsenzveranstaltungen und digitalen Events an. Mit den neuen Formaten sparen Berater und Produzenten Zeit und Geld.
Für Andreas Schmid, beim Investmenthaus Pimco verantwortlich für den Drittvertrieb in Deutschland, ist die Gesundheit der Kunden oberstes Gebot: „Wir planen die ersten Veranstaltungen eher im exklusiven Rahmen für 2021.“ Um Finanzberater auch in der Zeit ohne Präsenzveranstaltungen zu informieren, hat sein Haus zum Beispiel eine Telefonkonferenz mit dem ehemaligen Notenbankchef Ben Bernanke veranstaltet. „Wir haben deutlich mehr Webinare für Berater organisiert und werden in Zukunft die Frequenz weiter erhöhen.“ Andere Fondsgesellschaften gehen ähnlich vor.
„Durch die Coronakrise haben wir einige neue Projekte angeschoben, die wir ohne Krisenmodus nicht ganz so schnell auf die Straße gebracht hätten“, sagt Karl Matthäus Schmidt, CEO der Quirin Privatbank. So kommuniziert die Bank jetzt wöchentlich mit den Kunden. Zudem hat das Finanzinstitut digitale Sprechstunden für Anleger eingeführt, um eine Plattform für den Austausch anbieten zu können. Für die eigenen Mitarbeiter bietet die Quirin Privatbank zudem digitale Kinderbetreuung und Online-Sportkurse an.
Kunden besser betreuen
Die Digitalisierung der Finanzberatung bietet die Chance, Kunden besseren Service zu bieten. So geben 78 Prozent der Befragten an, dass sie durch die Coronakrise ihre Kunden stärker digital betreuen. „Die Kundenbetreuung findet heute im hohen Maß über unsere Videoberatung statt. Außerdem findet über unser Mandantenportal eine vollständige digitale Kommunikation mit dem Berater statt“, sagt Martin Pöll, Vorsitzender des Vorstands der Telis Financial Services Holding AG. Das Ziel dabei: „Die Stärkung des Beraters in seiner Rolle als Fachmann und zentraler Ansprechpartner durch Bereitstellung aller Werkzeuge zur umfassenden Beratung und Betreuung.“ Dabei stellt das Unternehmen Finanzberatern Funktionen zur Verfügung, die sie digital nutzen können. Sei es das Mandantenportal, Beraterwebseiten oder die automatisierte, digitale Kontaktaufnahme mit dem Endkunden zum Beispiel während der Wechselsaison bei der Kfz-Versicherung.
Mit der Digitalisierung lassen sich sämtliche Prozesse auf der Kundenreise abbilden und vereinfachen. Das fängt bei der Beratung an und reicht bis zum Vertragsabschluss. Auch bei der Suche nach neuen Kunden ergeben sich andere Chancen. „Die Bewertungen eines Finanzberaters im Netz haben aktuell an Bedeutung gewonnen. Die grundsätzliche Offenheit gegenüber dem Leben in einer digitalen Welt hat sich durch Corona nochmals erhöht. Sowohl unsere Kundenakquise als auch der Erstkontakt findet heute vielfach digital statt“, betont Christoph Fink, Vorstand der Mayflower Capital AG.
Kurt von Storch, Gründer und Vorstand des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch, sieht in der aktuellen Entwicklung dagegen keinen grundlegenden Wandel: „Im Grunde hat sich gar nicht so viel verändert. Wir pflegen seit jeher einen engen Kontakt zu unseren Vertriebspartnern. Das, was früher bei einem Treffen, bei einer Veranstaltung besprochen wurde, wird heute virtuell ausgetauscht – und das funktioniert auch sehr gut.“ Der Umgang des Unternehmens mit der Digitalisierung habe sich durch Corona nicht geändert. „Digitale Vermarktung ist kein Selbstzweck, sondern lediglich ein Mittel, um die Erwartungen unserer Kunden an uns zu erfüllen, besser noch zu übertreffen.“
Die Gesamtausgabe der Handelsblatt Finanzberater Edition finden Sie hier.
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