Gastkommentar: Auch in Deutschland wird der Wohlstand infolge der geopolitischen Zäsur sinken
Clemens Fuest leitet das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München und lehrt an der dortigen Ludwig-Maximilians-Universität. Seine Spezialgebiete sind Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik sowie Fragen der europäischen Integration.
Foto: imago images/IPONDer Ukrainekrieg ist nicht nur eine militärische und geopolitische Zäsur. Er verändert auch die wirtschaftliche Lage. Das betrifft sowohl die kurzfristige Konjunkturentwicklung als auch die mittelfristigen Aussichten für Wachstum und Wohlstand.
Die bislang erwartete konjunkturelle Erholung wird geschwächt. Es droht Stagflation, also eine Kombination aus schwachem Wachstum und hoher Inflation.
Die Geldpolitik kann das nicht ändern, trotzdem könnten Zinserhöhungen der EZB sich weiter verzögern. Die Finanzpolitik kann die Lasten steigender Preise umverteilen, aber nicht aus der Welt schaffen.
Mittelfristig führt die Diversifizierung der Energieversorgung zu mehr Versorgungssicherheit, aber auch höheren Energiekosten. Deutschland als Standort für energieintensive Industrien droht an Boden zu verlieren. Steigende Militärausgaben sind notwendig, erfordern aber langfristig Steuererhöhungen und Kürzungen öffentlicher Ausgaben in anderen Bereichen.
Die Weltwirtschaft zerfällt in einen westlichen und einen chinesisch dominierten Block, mit Russland als Juniorpartner. Größter Verlierer ist Russland, aber auch in Deutschland wird der Wohlstand sinken.
Vor dem russischen Überfall auf die Ukraine sagten alle Prognosen, dass die deutsche Wirtschaft nach einem schwierigen Winter einen Konjunkturaufschwung erleben wird. Hohe Corona-Infektionszahlen und Lieferengpässe belasten zwar derzeit, aber es wird erwartet, dass die Omikron-Welle bis zum Frühling überwunden ist.