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GastkommentarDie Fortschrittskoalition kann nur gemeinsam mit den Ländern erfolgreich sein

Länder und Kommunen müssen finanziell in der Lage sein, die Klimaziele mit zu organisieren, mahnen die Finanzminister Heiko Geue, Dietmar Strehl, Andreas Dressel, Gerald Heere und Monika Heinold. 16.04.2023 - 11:53 Uhr Artikel anhören

Heiko Geue, Dietmar Strehl, Andreas Dressel, Gerald Heere und Monika Heinold (v.l.)

Foto: dpa

Die Bundesregierung debattiert über den Haushalt 2024. Ausgaben und Einnahmen klaffen auseinander. Sollen die sensiblen Bund-Länder-Finanzbeziehungen als Steinbruch zur Konsolidierung herhalten?

Offenbar ja, so liest sich das Votum der Ampel im Haushaltsausschuss des Bundestags: Die Länder sollten sich „künftig wieder verstärkt eigenständig“ finanzieren. Wir als Nord-Finanzminister und Senatoren können von diesem Kurs nur abraten.

Einige Fakten werden dabei nicht ausreichend zur Kenntnis genommen:

1. Die Schuldenbremsen-Regelungen der Länder sind strenger als die des Bundes. Dem Bund verbleibt ein Restverschuldungsspielraum in Normalzeiten, den Ländern nicht. Vielleicht würde sich auf Bundesebene manches gegenüber den Ländern entspannen, wenn man den Ländern die noch offenen 0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Restverschuldungsspielraum belassen würde.

2. Die aktuell krisenbedingt hohen Defizite des Bundes werden nicht durch höhere Zahlungen an die Länder verursacht. Die laufenden Zahlungen des Bundes an die Länder liegen am Ende der laufenden Finanzplanungsperiode nur um etwa sieben Milliarden Euro höher als im Vorkrisenjahr 2019. Der Eindruck, der in Berlin erzeugt wird, ist ein anderer.

3. Die aufgabenadäquate Finanzierung der Länder und Kommunen hängt fast ausschließlich von gemeinsamen Bund-Länder-Entscheidungen zur Ausgestaltung und Verteilung der Steuern ab. Auch denkbare Finanzierungsalternativen der Länder, wie der Abbau umweltschädlicher Subventionen, die Reduzierung von Gerechtigkeitslücken im Steuersystem oder eben die Reform der Schuldenbremse, müssten ganz überwiegend gemeinsam beschlossen werden. Und der Bund zeigt keinerlei Bereitschaft dazu.

4. In der Regel werden vom Bund angestoßene Mehrbelastungen durch lediglich zeitlich begrenzte und nicht ausreichende Festbeträge ausgeglichen. Beispiel Deutschlandticket: Die Verstärkungen zugunsten der Länder tragen zwar dem im Grundgesetz zugesicherten ÖPNV-Anteil an den Steuereinnahmen des Bundes Rechnung.

Solange das aber nicht strukturell und dynamisiert abgesichert ist, werden die gemeinsamen Ziele nicht erreicht. Das Ergebnis ist dann absurd: Man einigt sich mit dem Bund auf ein gemeinsames Deutschlandticket und in ärmeren Ländern müssen zur Gegenfinanzierung Nahverkehre abbestellt werden.

Will die Ampel als Fortschrittskoalition punkten, braucht sie eine breite Akzeptanz für eine ökonomisch und sozial funktionierende ökologische Transformation. Diese Akzeptanz wird es nur geben, wenn die Menschen vor Ort spüren, dass die Daseinsvorsorge funktioniert.

Mit einer bürgernahen Verwaltung, einer präsenten Polizei, schnellen Gerichtsverfahren. Schulen und Kindertagesstätten müssen gute Bildung und verlässliche Betreuung gewährleisten, Kommunen müssen freie Mittel haben, um Sport, Feuerwehr und Zusammenhalt zu gestalten. Hinzu kommt die große Herausforderung der Integration geflüchteter Menschen. Alles Themen, die Länder und Kommunen vor Ort bewegen.

Die Länder brauchen dauerhaft mehr Mittel aus dem Bundeshaushalt für den ÖPNV

Will die Ampel als Fortschrittskoalition erfolgreich sein, muss sie zudem sicherstellen, dass Länder und Kommunen auch finanziell in der Lage sind, das Erreichen der Klimaziele mit zu organisieren sowie mit sozialen und infrastrukturellen Maßnahmen zu flankieren. Dafür braucht es dauerhaft mehr aus dem Bundeshaushalt für den ÖPNV, denn Länder und Kommunen werden die Mobilitätswende aus eigener Kraft nicht stemmen können.

Hinzu kommt: Die Länder und Kommunen stehen bei erwartbar hohen Tarifabschlüssen vor gewaltigen Herausforderungen mit Blick auf ihre Personalkosten und Versorgungslasten – der Personalkostenanteil des Bundes ist dagegen vergleichsweise gering. In einer solchen Lage zusätzlichen Druck vonseiten des Bundes gegen Länder und Kommunen aufzubauen, ist unverantwortlich.

Für die Länder bleibt es daher wichtig, dass es bei der bundespolitisch motivierten Übernahme neuer Aufgaben durch Länder und Kommunen auch zu einer dauerhaften und dynamisch ausgestalteten Kompensation der Belastungen kommt.

Nur die dauerhafte Ausfinanzierung solcher Leistungen verschafft allen Beteiligten dringend benötigte Planungssicherheit – ob beim Gute-Kita-Gesetz, bei der Flüchtlingsfinanzierung oder beim ÖPNV. Und der Bund braucht für seine Politik die notwendigen Stimmen im Bundesrat.

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Wer im Bund in der Krise die Finanzierung von Ländern und Kommunen als Steinbruch nutzen will, hat nicht verstanden, dass die Menschen gerade jetzt ein gutes föderales Zusammenwirken der Ebenen erwarten, keinen neuen Bund-Länder-Streit. Nur mit den Ländern kann die Fortschrittskoalition erfolgreich sein.

Die Autoren: Andreas Dressel ist Finanzsenator in Hamburg (SPD), Heiko Geue ist Finanzminister in Mecklenburg-Vorpommern (SPD), Gerald Heere ist Finanzminister in Niedersachsen (Bündnis 90/Die Grünen), Monika Heinold ist Finanzministerin in Schleswig-Holstein (Bündnis 90/Die Grünen) und Dietmar Strehl ist Finanzsenator in Bremen (Bündnis 90/Die Grünen).

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