Gastkommentar: „Es lebe der Handel“ – auch wenn er den Wandel nicht zwangsläufig hervorruft
Patrick Weber (r.) arbeitet bei der Brunswick Group und hat als Experte für Sanktionen an Beratungen der EU-Kommission zu wirtschaftlicher Nötigung durch Drittländer teilgenommen. Konstantin Bätz hat an der Universität Konstanz zu ökonomischer Außenpolitik geforscht und ist Mitarbeiter von Miller & Meier Consulting sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Foto: HandelsblattDer russische Angriff auf die Ukraine stellt die deutsche Außenpolitik seit Februar dieses Jahres auf die Probe. Über Parteigrenzen hinweg werden bisher selbstverständliche Positionen umgeworfen: Deutschlands Vermittlerposition zwischen West und Ost, der Fokus auf Diplomatie statt Waffenlieferungen – sowie auch das Prinzip „Wandel durch Handel“.
Dass Handel zu mehr Annäherung führt, scheint durch Russlands Krieg widerlegt – kritische Stimmen weisen immer lauter auf diesen vermeintlichen Irrtum hin. Von der „Lebenslüge des Westens“ ist die Rede. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte jüngst, Wandel durch Handel sei etwas, „auf das wir in Zukunft nicht mehr vertrauen dürfen“. In der Bevölkerung haben Handel und Globalisierung einen ebenso schweren Stand. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey sehen rund zwei Drittel der Deutschen die Globalisierung als Risiko, nur ein Drittel als Chance.
In dieser Atmosphäre reist Bundeskanzler Olaf Scholz mit einer Wirtschaftsdelegation zu Staatspräsident Xi Jinping nach China. Dieser Besuch ist umstritten: Statt neue Verbindungen zu schaffen, fordern viele eine Entflechtung beider Volkswirtschaften. Dabei ist das Ziel, einseitige Abhängigkeiten zu verringern, richtig – dennoch sollte Deutschland weder die wirtschaftlichen noch die außenpolitischen Vorteile von Handelsbeziehungen aus den Augen verlieren.